Digital Lab - Säulen einer erfolgreichen Digitalstrategie

Wie kann der digitale Wandel umgesetzt werden? Stefan Borggreve, Chief Digital Officer und Jan-Frederik Marx, Lead Consultant Digital Lab bei der Hellmann Worldwide Logistics SE & Co. KG berichteten aus der Praxis über den Prozess vom Forschungsprojekt und der Digitalstrategie bis hin zur Gründung eines Digital Lab.

Die Hellmann Worldwide Logistics SE ist ein internationaler Logistikanbieter. Im Jahr 2021 wurde ein Gesamtumsatz von 4 Mrd. Euro erzielt. Zentraler Aspekt für den Erfolg ist dabei unter anderem die Hellmann Digitalstrategie, welche sich aus drei Säulen zusammensetzt. Diese umfassen

  • exzellente Geschäftsabläufe, um eine hohe Servicequalität zu gewährleisten,
  • eine Digital Customer Experience, um die Kundenzufriedenheit und -bindung zu erhöhen und
  • das Erforschen neuer Geschäftsmodelle zur Erschließung digitaler Einnahmequellen.

Wesentlicher Bestandteil aller Säulen ist dabei die Digital DNA des Unternehmens. Laut Stefan Borggreve gehe es dabei vor allem um die Einstellung und Haltung der Menschen und des Unternehmens gegenüber der Digitalisierung. Nur durch Zusammenarbeit, Weiterentwicklung der Fähigkeiten und der richtigen Einstellung der Mitarbeitenden ist es möglich diese Themen nachhaltig zu treiben.

Umsetzung der Digitalstrategie

Ein Meilenstein zur Umsetzung der Digitalstrategie war die Gründung des Digital Lab im Herbst 2020. Die Initiative hierfür entstand bereits 2014 als IT-getriebener Vorstoß zum Thema Advanced Analytics und Künstliche Intelligenz. In den folgenden Jahren wurde deshalb nebenher ein Forschungsprojekt zu dem Thema ins Leben gerufen. Schnell wurde jedoch klar, dass es schwierig ist, geeignete Use Cases zu identifizieren, da die akademische Ausbildung oft sehr algorithmenlastig und zu weit entfernt von der Praxis ist. Zudem besteht ohne dediziertes Team kein dauerhafter Fokus für das Thema. Seit 2018 war es deswegen das Ziel, die eigenen Mitarbeitenden explizit fachlich weiterzubilden, um so einen näheren Praxisbezug schaffen zu können. Anschließend sollten mit dem neu gewonnen Wissen die Fachbereiche mehr in die Ideensammlung und -bewertung integriert werden. Dies war ein voller Erfolg, woraufhin dann die Gründung des Labs folgte.

Gründung des Digital Lab

Ziel des Digital Lab ist es nun Themen aus dem Bereich Advanced Analytics und Data Science zu erproben um so Fortschritte in den Bereichen Servicequalität und Prozesseffizienz zu erzielen, neue Kunden zu gewinnen sowie datenbasierte Produkte zu entwickeln. Als Leitgedanken bei der Ausgestaltung des Labs wurden dabei Geschwindigkeit, Menschlichkeit und Nachhaltigkeit definiert:

  • Bei der Geschwindigkeit geht es insbesondere um die Schnelligkeit und Flexibilität bei der Verprobung neuer Ideen. Zudem soll ein nahtloser Übergang zu Skalierung/Betrieb als IT-Produkt gewährleistet werden.
  • Bei der Menschlichkeit sollen Verständnis und Transparenz in Fachbereichen geschaffen werden. Zudem soll eine geeignete Rollenbildung zur Abdeckung interdisziplinärer Kompetenzen entwickelt werden.
  • Bei der Nachhaltigkeit steht der Mehrwert statt Selbstzweck im Fokus. Es geht vor allem auch darum, die nachhaltige Innovationsfähigkeit im Lab zu gewährleisten. Lernen und Weiterentwicklung sind dabei zentrale Elemente.

Ideenfindungsprozess in fünf Phasen

Um neue Data Science Use Cases zu identifizieren und zu entwickeln, nutzt das Digital Lab der Hellmann Worldwide Logistics SE einen Ideenfindungsprozess bestehend aus fünf Phasen. Der Prozess selbst kann dabei aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden, zum einen aus der Sicht des Fachbereichs und zum anderen aus der Sicht des Use Cases selbst. Je nach Phase sind hierbei unterschiedliche Punkte relevant und haben Einfluss auf den Erfolg der darauffolgenden Phasen (vgl. obige Grafik).

Betrachtet man die einzelnen Phasen des Ideenfindungsprozess, so steht in der ersten Phase Inspire & Involve zunächst aus Sicht der Fachbereiche insbesondere das Vermitteln eines grundlegenden Verständnisses für den Bereich Advanced Analytics und das Gewinnen von Mitarbeitenden aus den Fachbereichen für die Zusammenarbeit im Fokus. Wichtig ist hier auch bereits Unterstützung aus dem Management zu bekommen, um geeignete Ansprechpartner aus den Fachbereichen zu identifizieren.

In der zweiten Prozessphase Ideation geht es darum gemeinsam mit den Ansprechpartnern neue Ideen zu finden, bei denen Algorithmen aus dem Advanced Analytics Bereich eingesetzt werden können. Gleichzeitig besteht das Ziel auch darin die gesammelten Ideen bereits initial nach deren Mehrwert grob zu bewerten und deren Aufwand zur Umsetzung abzuschätzen. Basierend darauf wird für jeden Case eine Werthypothese formuliert und diese in eine Prioritätsreihenfolge gebracht.

Sind mögliche Use Cases identifiziert und nach deren Wert sortiert, folgt in der dritten Phase, dem Proof of Value, die Kernaufgabe des Digital Lab. Ziel dessen ist es in wenigen Wochen eine Grundlage für die Validierung der aufgestellten Werthypothesen zu erarbeiten. Gleichzeitig soll auch die technische Machbarkeit untersucht werden. Betrachtet man dies aus Sicht des Use Cases geht es dabei mehr um eine schnelle Analyse auf einem kleinem Datenauszug. Die hierfür verwendeten Algorithmen sollten dabei einen möglichst hohen Erklärgehalt besitzen und es genügt die Ergebnisse in einer einfachen statischen Darstellung aufzubereiten.

Die in Phase drei erarbeitete Werthypothese wird dann in Phase vier (Evaluation & Learning) bewertet und es wird eine Empfehlung für das weitere Vorgehen ausgesprochen. Ganz nach dem Prinzip „Fail-Fast“ soll so möglichst schnell die Weiterentwicklung eines Use Cases abgebrochen werden, wenn dieser keinen Mehrwert generiert. Gleichzeitig werden Erkenntnisse aus dem Projekt gesammelt, um so den zukünftigen Prozess der Ideenfindung zu beschleunigen und zu verbessern.

Stellt sich die Werthypothese jedoch als valide dar, wird der Use Case in Phase fünf, dem Proof of Commerce, unter realen Bedingungen, z.B. an einer Pilotgruppe getestet. Ziel ist es Argumente für die weitere Skalierung und den Rollout auf die gesamte Organisation zu sammeln. Gleichzeitig beginnt bereits der Übergang in die Produktentwicklung eines Minimum Viable Product (MVP). Aus Use Case Sicht sollten hierfür nun repräsentative Daten der Pilotgruppe analysiert und aufbereitet werden. Um den technischen Aufwand jedoch zunächst gering zu halten, werden für die Modellierung möglichst vorgefertigte Modelle verwendet. Erst wenn final beschlossen wurde, dass der Use Case zu einem MVP entwickelt werden soll, erfolgt die Integration aller Daten, eine genaue Anpassung der gewählten Algorithmen und die Nutzbarmachung der Ergebnisse beispielsweise in einer interaktiven WebApplication.

Fazit: Die Gründung eines Digital Lab und die Integration eines festen Vorgehens sind grundlegende Bausteine um die Hellmann Worldwide Logistics SE mithilfe von Advanced Analytics zukunftsorientiert aufzustellen.

Rückblickend lässt sich feststellen, dass die Gründung des Digital Lab bei der Hellmann Worldwide Logistics SE der richtige Schritt war um Advanced Analytics Themen innerhalb des Unternehmens voran zu treiben. Ohne einen festen Ideenfindungsprozess ist es schwer Themen zu platzieren, Ideen zu finden und diese unter geringem Aufwand zu erproben. Nur durch einen geregelten Ablauf mit fixierten Evaluationszyklen kann schnell festgestellt werden, welche Use Cases einen nachhaltigen Mehrwert für das Unternehmen darstellen und deswegen in die Produktivphase übergehen sollten. Zentraler Gedanke bleibt jedoch die Digital DNA, welche weiter verinnerlicht werden muss, um noch mehr Datenbewusstsein im Unternehmen zu schaffen und so eine ganzheitliche Betrachtungsweise der Digitalisierungsprojekte zu ermöglichen.