Serienelemente
Pre-Sense-Controlling und Advanced Analytics bei Audi

Simulationstools und Advanced Analytics ermöglichen bei der Audi AG ein erfolgreiches und effizientes Portfolio-Management. Karsten Everding, Senior Manager Finance bei der Audi AG, berichtet aus der Praxis.

"Audi pre sense" bezeichnet ein Technikpaket, welches in verschiedenen Ausbaustufen voraus­schauende Sicherheit im Fahrzeug umsetzt. Karsten Everding hat den Begriff "Pre-Sense" auf das strategische Portfolio-Management erweitert. Vorausschauend soll nicht nur die Sicherheitstechnik im Fahrzeug sein, sondern auch die Methoden zur Realisierung eines erfolgreichen Portfolios. In seinem Vortrag "Pre-Sense-Controlling und Advanced Analytics im strategischen Portfolio-Management" erklärte Karsten Everding, wie Simulationstools und Advanced Analytics-Methoden bei der Audi AG erfolgreich im Portfolio-Management eingesetzt werden.

Besondere Herausforderungen im Automobilbereich

Lange Lebenszyklen der Fahrzeuge stellen das strategische Portfolio-Management im Auto­mobilbereich vor große Herausforderungen. So muss ein Fahrzeug in etwa 7 Jahre lang in verschiedenen Märkten bestehen können, wobei unterschiedliche Marktspezifika, wie beispielsweise Entwicklungen in der Gesetzgebung, eine große Rolle spielen. Hinzu kommt die Multiprojekt-Landschaft, in der unterschiedliche Laufzeiten, Jahresscheiben und Wechselbe­ziehungen zwischen den Projekten die Komplexität der Planung nochmals erhöhen.

Letztendlich macht diese herausfordernde Ausgangssituation lange Vorhersagehorizonte von 10 bis 15 Jahren notwendig, um ein effektives Portfolio-Management zu realisieren. Mit simplen, konventionellen Tools und ohne ein durchdachtes Datenmodell, lassen sich die beschriebenen Herausforderungen kaum beherrschen. Daher setzt Audi fortgeschrittene Simulationstools und Advanced Analytics-Methoden im Portfolio-Management ein.

Grundlagen für Portfoliosimulation und Advanced Analytics

Um datengestützte Analyse-Methoden einsetzen zu können, mussten jedoch zunächst die entsprechenden Grundlagen geschaffen werden. Eine der zentralen Voraussetzungen für effektive und möglichst genaue Simulationen und Vorhersagen ist eine konsistente Datenba­sis, die alle zur Modellierung von Szenarien notwendigen Informationen enthält. Dabei ist zu beachten, dass nicht nur die Einzelprojekte erfasst werden, sondern dass auch die Wechselwir­kungen zwischen den Projekten abgebildet werden. Deshalb ist es wichtig, dass alle Projektdaten vergleichbar in einem Data-Lake abgelegt sind.

In seinem Vortrag beschreibt Karsten Everding die Zusammenführung und Verknüpfung der unterschiedlichen Datenquel­len als zeitintensive Aufgabe und eine der größten Herausforderungen im Zusammenhang mit der Einführung datengetriebener Tools und Methoden. So wurde bereits im Jahr 2017 damit begonnen, eine harmonisierte Datenlandschaft aufzubauen. Letztendlich konnte ein System realisiert werden, in dem Projektplandaten beste­hend aus über 1,3 Mrd. Datenpunkte aus unterschiedlichen Dimensionen zusammenfließen.

Simulation und Modellierung im Portfolio-Management

Um die Portfolioplanung bei Audi zu verbessern und möglichst effizient zu gestalten, wurde der sogenannte iPlanner entwickelt. Dieses Tool ermöglicht die Simulation verschiedenster Szenarien im Bereich des Portfolio-Managements basierend auf Berechnungslogiken und einem fortgeschrittenen Treibermodell. Aus der Analyse der simulierten Szenarien können Planungsentschei­dungen und notwendige Maßnahmen abgeleitet werden. Grundsätzlich wird in der Portfoliosi­mulation zwischen drei Grundtypen von Simulationsclus­tern unterschieden:

  • Werttreiber (z.B. Volumen und Preis),
  • strategische Parameter (z.B. Kraftstoff und Leistungsstärke) und
  • Ergeb­nisparameter (z.B. CO2).

Letztere werden hinsichtlich ihrer Änderungen in Abhängigkeit von Portfolio-Anpassungen untersucht und nicht aktiv simuliert. Die Cluster sind eng einander verzahnt und werden im Simulationsmodell über standardisierte Logik miteinander verknüpft. So sind auch in das im iPlanner integrierte Treibermodell unterschiedlichste Einflussfaktoren eingebunden. Es werden beispielsweise Abhängigkeiten von Rohstoffen, die Marktsituation und auch die Gesetzgebung berücksichtigt. Der Anwendungsfokus des im iPlanner realisierten Treibermodells liegt auf der standardisierten Simulation von steuerungsrelevanten Ergebnis­größen zur Untersuchung einer begrenzen Anzahl von vordefinierten Szenarien.

Qualitäts- und Effizienzsteigerung durch Advanced Analytics

Eine Schwäche des im iPlanner implementierten Treibermodells ist die Begrenztheit der Szenarien, die in der Simulation abgedeckt werden können. So ist das Modell abhängig von der Qualität der angelieferten Parameter und ermittelten Berechnungslogiken und erfordert manuelle Anpassungen. Optimierungen werden ermittelt, indem zuvor definierte Sze­narien hinsichtlich ihrer Ergebnisse miteinander verglichen werden. Eine größere Flexibilität und ein höherer Automatisierungsgrad sollen mithilfe von Advanced Analytics-Ansätzen erreicht werden, die eine umfassende Portfolioplanung basierend auf mathematischen Opti­mierungsmethoden ermöglichen.

Langfristige Zielsetzung

Das langfristige Ziel ist eine KI-basierte Identifikation von Kausalitäten. Planungsparameter sollen automatisiert validiert werden, sodass schließlich eine automatische Berechnung optimaler Parameter ermöglicht wird. Damit soll die Entwicklung im Portfolio-Management der Audi AG klar von "Predictive Analytics" hin zum Bereich "Prescriptive Analytics" gehen. Das heißt, langfristig sollen nicht nur die Fragen "Warum passiert etwas" und "Was wird passieren?" beantwortet werden, sondern auch die Frage "Welche ist die optimale Entscheidung?".

KI-gestützte Funktionalitäten

Der iPlanner wird daher nun immer weiter um KI-gestützte Funktionalitäten erweitert. So sollen mithilfe von künstlichen neuronalen Netzen Zusammenhänge und Wechselwirkungen direkt aus der Datengrundlage gelernt werden. Bereits umgesetzt wurde in diesem Bereich beispielsweise eine Absatzvolumen-Vorhersage mithilfe eines künstlichen neuronalen Netzes, welches ein Modell des Marktes darstellt und aus historischen Verkaufsdaten lernt.

Aus der Datenbasis wurden über 100 sogenannte Features generiert, die als Input in das neuronale Netz fließen. Darunter sind Peis-Informationen, Fahrzeugmodell-Eigenschaften und Wettbewerbsdaten. Die Aneinanderreihung und Verknüpfung verschiedener sogenannter „Hidden Layer“ ermöglichen das Lernen komplexer Zusammenhänge. So ist das neuronale Netz in der Lage, basierend auf den Input-Daten das Absatz-Volumen unter anderem auf Jahres- und Modellebene zu schätzen. Das Genauigkeit des KI-Modells wurde auf historischen Daten, für die das Absatzvolumen bekannt ist, ausgewertet und konnte auf dem Testzeitraum gute Ergebnisse liefern.

Durch die erfolgreiche Verprobung von fortgeschrittenen Machine Learning-Modellen konnten sich Advanced Analytics-Methoden im Portfolio-Management etablieren. In den dreistufigen Zielprozess zur KI-gestützten Portfolio-Planung sind Advanced Analytics-Methoden daher in allen Schritten eingebettet:

  1. Daten-Preprocessing: Projektdaten werden zu einer konsistente Datenbasis zusammengeführt und für die Weiterverarbeitung vorbereitet. Mithilfe eines künstlichen neuronalen Netzes zur Preis-Prognose werden die zukünftigen Preise aller Modelle vorhergesagt. Abschließend erfolgt eine individuelle Anpassung der vorgeschlagenen Simulationsparameter wie Preise, Trends und Lebenszyklen.
  2. Marktprognose und Analyse: Volumenprognosen werden mithilfe des KI-Marktmodells berechnet und analysiert.
  3. Simulation und Optimierung: Die in den Schritten 1 und 2 ermittelten Ergebnisse werden zur Optimierung des Audi-Portfolios genutzt. Durch eine automatisierte Simulation werden verschiedene Szenarien durchgespielt, bis der Optimalzustand erreicht ist.

Die Schritte 2 und 3 sind eng miteinander verzahnt und werden iterativ nacheinander ausgeführt, um Wechselwirkungen abzubilden.

Fazit: KI-gestütztes Portfolio-Management als Leuchtturmprojekt

Mit dem entwickelten Simulationstool und Advanced Analytics-Methoden ist die Audi AG dazu in der Lage, eine hohe Planungsgenauigkeit zu erreichen und effizientes Portfolio-Management erfolgreich umzusetzen. Die KI-gestützte Portfolio-Planung kann daher als Leuchtturm-Projekt bezeichnet werden, welches den Einsatz von Advanced Analytics in weiteren Fachbereichen des Unternehmens noch attraktiver gemacht hat.

Schlagworte zum Thema:  Unternehmenssteuer, Analytics, Digitalisierung