Die 3 Praxisbeispiele zeigen typische Anwendungsfälle von Predictive Analytics. Auch wenn alle Beispiele auf den gleichen Prinzipien beruhen, bei genauerem Hinschauen unterscheiden sie sich sowohl im Vorgehen als auch der Komplexität der finalen Lösung. Der "one-size-fits-all"-Ansatz ist Stand heute noch nicht gefunden, auch wenn sich insb. im Bereich des Forecasting erste Standardalgorithmen herauskristallisieren bzw. einfache Zeitreihenanalysen in modernen ERP/BI-Systemen "out-of-the-box" angeboten werden. Die meisten Predictive-Analytics-Projekte und die darin entwickelten Modelle sind und bleiben projektindividuelle Ergebnisse.

Die über die Jahre gewonnenen Lessons Learned sind deshalb ebenfalls grundlegender Natur und lassen sich in den nachfolgenden Aspekten konsolidieren:

  1. Für jedes Anwendungsproblem respektive die zugrunde liegenden Algorithmen gibt es eine Grenze der Genauigkeit. Bspw. werden nur in wenigen Ausnahmefällen Forecasts mit einer Genauigkeit von über 90 % erreicht. Das operative Ziel von Predicitve-Analytics-Projekten ist es, das Maximum aus den Daten herauszuholen. Die natürliche Limitation ist hier die verbleibende Unsicherheit, die durch die gefundenen Daten nicht erklärt werden kann. Das heißt in Konsequenz nicht, dass die Algorithmen für den Praxiseinsatz untauglich sind: In den meisten Fällen liegt die Genauigkeit deutlich über den der menschlichen Prognosen, die bisher ja auch noch nie exakt die Realität vorhersehen konnten. Der Vorteil liegt deshalb nicht in einer vermeintlichen 100-%-Genauigkeit, sondern in der Prozessverbesserung hinsichtlich Schnelligkeit, Effizienz und Objektivität der Prognose.
  2. Interne Daten, die in direktem Zusammenhang zur Aufgabenstellung stehen, sind i. d. R. und entgegen der Hoffnung vieler Führungskräfte um einiges wertvoller als externe Daten. Erfahrungsgemäß führt der Einbezug von Daten aus externen Quellen selten zu besseren Prognosewerten, weil mit der kausalen Distanz der externen Faktoren zur Zielvariable der Informationsgrad für die Modellierung stark abfällt. Bspw. kann der von Unternehmen immer wieder eingeforderte Bezug zum BIP (dessen Wachstum meist zwischen 1–2 % schwankt) zwar einen Trend in den aggregierten Umsatzzahlen erklären, aber keine Schwankungen von teils 40–60 % auf Produktfamilienstufe. Es benötigt Varianz, um Varianz zu erklären!
  3. Viele Unternehmen kämpfen noch mit ihrer Datengrundlage: Der sogenannte "Excel-Wald" ist noch immer bei vielen Kunden vorzufinden. Dies führt zu einem enorm hohen Aufwand bei der Datenaufbereitung und erschwert die Abschätzung eines Use Cases deutlich. Es sollte daher frühzeitig in die Quantität und Qualität der gesammelten Daten investiert werden, bevor mit einem Predictive Analytics Use Case begonnen wird. Dadurch wird der Nutzen eines PA-Projektes umso höher. Bspw. kann die Einführung eines CRM-Systems dazu führen, dass die algorithmische Prognosegüte der Umsatzzahlen sprunghaft ansteigt, insbesondere im Vergleich zu Algorithmen, die nur auf Basis von Vergangenheitsdaten Prognosen treffen.
  4. Auch sind auf absehbare Zeit weiterhin unterschiedliche Maßstäbe bei der Bewertung der Güte zu erwarten. So werden bspw. die wenigen durch autonom gesteuerte Fahrzeuge verursachten Autounfälle medial deutlich stärker gewichtet, als die täglich Tausende von Unfällen personengesteuerter Pkw, die auch bei Bereinigung der Laufleistung auf eine massiv höhere "Fehleranfälligkeit" hinweisen. Genauso werden "Ausreißer" in den durch PA erstellten Prognosewerten deutlich kritischer beurteilt, als dies bei unplausiblen Werten in klassischen Prognosen der Fall wäre. Die Akzeptanz von Predictive Analytics kann deshalb nicht grundsätzlich unterstellt, sondern muss durch kluge Herangehensweisen und zielgruppengerechte Kommunikation aktiv erarbeitet werden.
  5. Der Analyse der Aufgabenstellung sollte mehr Gewicht geschenkt werden. In der noch immer vorherrschenden Hype-Phase ist es leicht, die erste sich ergebende Chance zum Austesten von Predictive Analytics zu ergreifen. Rückblickend ist jedoch klar zu erkennen, dass in vielen Projekten klassische Lösungen gegenüber algorithmischen Modellen den größeren Nutzen gebracht hätten. Deshalb darf die detaillierte Definition des Anwendungsfalls keine theoretische Übung und nicht allein vom Algorithmus getrieben sein. Das Beispiel eines professionellen Account Managements gegenüber einer algorithmischen Prognose von Umsatzentwicklungen ausgewählter Zielkunden- oder -märkte veranschaulicht diesen Sachverhalt treffend.
  6. Am erfolgreichsten sind Predictive-Analytics-Projekte, die eine sich häufig wiederholende Tätigkeit unterstützen oder komplett automatisieren und deren effizientere Ausübung im Effekt finanziell messbar ist. Diese Kriterien sollten im Zentrum der Überlegungen von Führungskräften bei der Priorisierung möglicher Use Cases stehen. Use Cases, die diese Kriterien erfüllen sind in den meisten Unternehmen die Wegbereiter für die digitale Transformation. Dies steht im Kontrast zu vielen Leu...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Controlling Office. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge