Biologie von Kreativität und Innovation

Unternehmen sind auf Innovationen angewiesen – und damit auf die Kreativität der Menschen. Dr. Henning Beck beschreibt, wie das Gehirn neue Ideen erzeugt und welche Voraussetzungen und welches Umfeld Kreativität fördert. Zudem verrät er, warum das Gehirn auch in Zukunft einem Computer um Längen überlegen sein wird.

Kreative Ideen durch „divergentes Denken“

Neurowissenschaftler Dr. Henning Beck eröffnet seinen Vortrag mit einer Frage: „Was ist eine Idee? Genauer gesagt: Was ist eine gute Idee?“ Die Güte von Ideen ist nicht wirklich messbar. Dabei sind Ideen der Rohstoff, der für unsere Zukunft von entscheidender Wichtigkeit ist: Ideen sind unerschöpflich! Hier kommt unser Gehirn als Ideenlieferant ins Spiel. Es nutzt Unsicherheiten, um neue Informationen zu gewinnen. Kurz: Es ist kreativ. In der Neurobiologie wird die Fähigkeit, aus Bekanntem etwas Neues zu erzeugen, als „divergentes Denken“ bezeichnet. Als Krönung dieser Disziplin gilt der „Geistesblitz“, die Idee quasi aus dem Nichts.

Im Bereich der Kreativität schlägt das Gehirn den Computer um Längen

Starten wir mit dem Gehirn: Es gilt als extrem schnell, sehr gut vernetzt, genau und präzise. Vergleicht man diese Eigenschaften aber z.B. mit einem Computer, schneidet das Gehirn gar nicht mehr so gut ab. Der Computer ist deutlich schneller, macht weniger Fehler und ist mit der Welt vernetzt, während das Gehirn zu 99% mit sich selbst beschäftigt ist. Und dennoch: Im Bereich der Kreativität schlägt das Gehirn den Computer um Längen. Warum?

Entscheidend ist, dass Maschinen zwar „lernen“ können – aber Menschen können mehr als das. Beispiele:

  • Sie verstehen Konzepte, erkennen z.B. einen großen Gymnastikball auf einem Ständer problemlos als Stuhl, da sie das Konzept „Stuhl“ verinnerlicht haben.
  • Sie können Farben unter unterschiedlichen Lichtverhältnissen wiedererkennen, obwohl Sonne und Schatten die Farben entscheidend verändern.

Computer haben mit dieser „Wiedererkennung“ häufig große Probleme. Das liegt im Wesentlichen daran, dass die Erkenntnis im Gehirn nicht der Ausgang eines Rechenweges ist, sondern der Zustand eines Systems: Summiert man die möglichen Muster im Gehirn, kommt man zu der unfassbar großen Zahl von 10 241 000 000 000 000 (im Vergleich zu 10 70 Atomen im Sonnensystem). Ein Rechnerweg ist viel anfälliger für Fehler. Das Resultat: Computer stürzen gelegentlich ab, das Gehirn nicht! Es ist „fehlertolerant“, nutzt die Unschärfe, um neue Informationen zu gewinnen, Wissen zu erweitern, neue Ideen hervorzubringen: „Unser Fehler im Denken ist der Preis für neue Ideen!“

Denkschubladen überwinden als Voraussetzungen für Kreativität

Die Voraussetzungen, unter denen Kreativität entstehen kann, überschrieb Henning Beck mit den Schlagworten: Kreativ sein? Denke ineffizient! Überwinde Denkschubladen!

Das Gehirn ist niemals „fertig“, es baut sich ständig um (Stichwort: „Plastizität“): Ständiger Umbau, Austausch und Verknüpfung sind der Schlüssel zur Kreativität. Um kreativ zu sein, braucht das Gehirn beides – Dauerhaftigkeit und Plastizität. Diesen potenziellen Konflikt kann man auch in Unternehmen wiederfinden. Alle Menschen kommen als „Startup“ mit sehr vielen Verknüpfungen auf die Welt, aber allmählich bilden sich „Expertenbereiche“: In der Regel genügen nur vier Schritte, um an jeden Ort zu kommen. Dieses Prinzip ist als „Kleine Welt“-Verknüpfung bekannt. Auch im Unternehmen ist „clevere Vernetzung“ der Schlüssel: Um Informationen optimal auszutauschen, müssen „Schnittstellenpositionen“ besetzt werden, dort entstehen Ideen.

„Ideen kann man nicht erzwingen, nur anlocken.“

Hier kommt nun endlich das konkrete Unternehmensumfeld zum Tragen: Was können Organisationen gezielt unternehmen, um der Kreativität Raum zu geben, um Innovationen zu ermöglichen? Henning Beck wirft wieder einige Schlagworte in den Raum: Kreativ sein? Frag Experten! Aber nicht zu viele!

So hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass es bei Kreativität und Innovationen nicht das Ziel sein sollte, eine „Lösung zu finden“. Wichtig ist es, die richtige Frage zu stellen, das „Problem zu finden. Damit beginnt ein unbewusster Vorgang, wobei der Großteil dieser unbewussten Denkprozesse wieder verworfen wird. Erst wenn eine Idee gut genug ist, wird sie uns bewusst. Henning Beck fasst zusammen: „Ideen kann man nicht erzwingen, nur anlocken.“

Was bedeutet das praktisch für innovative Unternehmen? Grob kann man den Innovationsprozess in vier Schritte gliedern:

  1. Konzentration auf das Problem
  2. Teams motivieren
  3. Wissen verknüpfen
  4. Wissen verbreiten

Ganz provokativ schließt Henning Beck seinen Vortrag mit einem Zitat von Steve Jobs:

„Stay hungry! Stay foolish!“ Und er ergänzt: „Machen Sie Fehler…“

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