Im Laden maßgeschneiderte Werbung durch Kunden-Gesichtserkennung

Kunden werden per Kamera erfasst, um auf Bildschirmen mit zu ihnen passenden Produkten zu werben. So das Pilotprojekt einer Supermarktkette. Im Internet ist zielgruppengenaue Werbung ein alter Hut, denn diverse Tracking-Tools wie Cookies liefern jede Menge Informationen über die Nutzer. Nun soll sich auch Werbung im Laden passgenau am gescannten Kunden orientieren. Ist das eine unzulässige personenbezogene Datenerhebung?

In rund 40 Filialen der Supermarktkette Real läuft derzeit ein Test mit einer Gesichtserkennung an Werbedisplays im Kassenbereich.

Werbung auf Alter und Geschlecht abstimmen

Über eine Kamera am Monitor werden hier die Kunden erfasst und auf Geschlecht und Alter hin analysiert, auch die Dauer des Blickkontakts zum Monitor wird aufgezeichnet. Je nach Ergebnis werden daraufhin passende Werbeclips eingespielt.

  • Ein jüngerer Mann bekommt etwa einen Spot über Autozubehör zu sehen,
  • eine ältere Frau eher solche über passende Kosmetikprodukte.

Ziel ist es, die Reichweite der dort ausgestrahlten Werbeclips zu erhöhen.

Recht am eigenen Bild nicht tangiert?

Zudem soll durch die Messung der Blickkontaktdauer die Effizienz dieser Werbeform nachgewiesen werden.

Nur Metadaten werden erfasst

Zweifel an der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Video-Erfassung hat man bei der Supermarktkette nicht.

  • So weist man etwa darauf hin, dass an die Server des Dienstleisters ausschließlich Metadaten aus den Erfassungen übertragen würden.
  • Die aufgenommenen Bilder würden rein automatIsch ausgewertet und anschließend sofort verworfen.
  • Sie seien dabei lediglich 150 Millisekunden im Speicher und würden weder übertragen noch gespeichert.
  • Somit würde auch das Recht am eigenen Bild nicht angetastet und es entstünden auch keine personenbezogenen Daten im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes.

Datenschützer mit Zweifeln

Gegenüber der Lebensmittel Zeitung, die als erste über den Fall berichtete, äußerten Datenschutzbeauftragte aus mehreren Bundesländern allerdings starke Bedenken gegen das Verfahren.

  • So vertrat etwa der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar die Ansicht, dass auch für dieses Verfahren die Vorschriften zur Regelung der der Videoüberwachung greifen, da man bei einer Erfassung von Bildern von Personen durch Kameras nicht mehr von einem anonymen Verfahren sprechen könne.
  • Auch die NRW-Datenschutzbeauftragte, Helga Block, sieht in dem Verfahren eine personenbezogene Datenerhebung, wobei es unerheblich sei, wie lange die Daten gespeichert würden und ob die Namen bekannt seien oder nicht.
  • So sei es daher beispielsweise zu diskutieren, ob der allgemeine Hinweis zur Videoüberwachung in den Filialen ausreichend für diese Art der Aufnahmen sei.

Zudem werde nicht hinreichend transparent darüber informiert, was mit den erfassten Daten tatsächlich geschehe. Spätestens mit der Einführung der Datenschutzgrundverordnung in einem Jahr müsse der Grundsatz der Transparenz vollständig erfüllt sein. Eventuell müsse den Kunden auch die Gelegenheit gegeben werden, an einer Kasse ohne diese Art der Datenerfassung zahlen zu können.


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Ratgeber Videoüberwachung

Hintergrund:

Einzelhandel / Onlinehandel:

Mit den genannten Pilotprojekten ist BIG DATA endgültig im deutschen Einzelhandel angekommen. Mit solchen und ähnlichen Initiativen (Stichwort: „Roboterberatung“) versucht der Einzelhandel dem Online-Handel Beratung, Service und zusätzlichen Kundennutzen entgegenzusetzen.

Videotechnik nur unter engen Voraussetzungen erlaubt:

Wenn Personen zu erkennen sind, darf Videotechnik nur unter engen Voraussetzungen eingesetzt werden. Dabei sind berechtigte Interessen für eine Videoüberwachung mit dem Recht abzuwägen, sich in der Öffentlichkeit frei und ungezwungen zu bewegen.

Eine rund 100 Seiten umfassende Orientierungshilfe zu dem Thema kann von der Website des LDI-NRW heruntergeladen werden.

Schlagworte zum Thema:  Videoüberwachung, Datenschutz, Werbung