Unfallversicherungsschutz bei der der Anbringung einer Frostschutzmatte auf der Frontscheibe?


Unfallversicherung Anbringen Frostschutzmatte

Stellt ein Versicherter auf dem Arbeitsweg sein Kraftfahrzeug ab, um den Weg zu Fuß fortzusetzen, ist die zwischenzeitliche Anbringung einer Frostschutzmatte auf der Frontscheibe nach einem Urteil des LSG Sachsen-Anhalt eine privatnützige Unterbrechung des Arbeitsweges, die nicht dem Schutz der Unfallversicherung unterfällt.

Der Fall: Anbringung einer Frostschutzmatte

Die Klägerin stellte auf dem Weg zur Arbeit, den sie überwiegend mit dem Auto zurücklegt, dieses ab, um den restlichen Weg zu Fuß zu gehen. Vorher befestigte sie eine Frostschutzmatte auf der Frontscheibe und verletzte sich dabei am rechten Sprunggelenk.

Die BG lehnte – auch im Widerspruchsverfahren - die Anerkennung eines Arbeitsunfalls in Form des Wegeunfalls ab. Das Sozialgericht Halle hat die Feststellung getroffen, das Ereignis sei ein Arbeitsunfall gewesen (SG Halle, Urteil vom 6.7.2020, S 21 U 76/17I). Bei dem Unfall habe es sich um einen Wegeunfall im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gehandelt. Alle Handlungen beim Abstellen des Fahrzeugs wie Abdecken der Frontscheibe mit einer Plane, Herausnahme des Rucksacks und Abschließen des Fahrzeugs, hätten mit dem Weg im Zusammenhang gestanden. Zwar fielen Tätigkeiten mit dem Ziel, das ausgewählte Verkehrsmittel nutzbar zu halten, nicht unter den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung. Hier ergebe sich aber aus besonderen Umständen ein innerer Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit.

LSG: Kein Wegeunfall

Auf die Berufung der BG hat das LSG Sachsen-Anhalt festgestellt, dass es sich bei dem Unfallgeschehen nicht um einen Wegeunfall gehandelt habe (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.12.2022, L 6 U 61/20). Das vorsorgliche Abdecken einer Autoscheibe nach dem Abstellen des Autos stelle eine unversicherte Handlung dar, die allein der Vorbereitung einer (späteren) Fahrt dient (zur Aufrechterhaltung einer Fahrbereitschaft eines Kraftfahrzeuges s. das Urteil des BSG vom 30.1.2020, B 2 U 9/18 R). Insoweit unterscheide sich die Handlung der Klägerin in keiner Hinsicht von dem abendlichen Abdecken von Autoscheiben im Winter durch Hunderttausende von Arbeitnehmern, die am nächsten Morgen die Autofahrt zum Arbeitsplatz antreten wollen und beim Abdecken unversichert sind. Insofern stelle es auch keine Sondergefahr aus der Beschäftigung heraus dar, dass der Klägerin als nächstgelegene Parkmöglichkeit kein vor Kälte schützendes Parkhaus, sondern nur ein im Freien gelegener Parkplatz zu Verfügung stand. Denn dieser Umstand des Lebens habe nichts mit einem Risiko der ausgeübten Beschäftigung, sondern allein mit räumlichen Zufälligkeiten zu tun, denen Menschen als Teilnehmer am Kraftfahrzeugverkehr allgemein ausgesetzt sind. Auch dort stünde es zudem im Ermessen des Kraftfahrers, ob er einen nahe gelegenen Parkplatz oder eine entferntere geschütztere Abstellmöglichkeit aufsucht.

Wichtig für die Praxis

Die Entscheidung macht deutlich, wie genau die Sozialgerichte untersuchen, was zum – versicherten - Weg in die Arbeit bzw. nach Hause gehört. Hier wurde sogar noch untersucht, ob das Anbringen der Abdeckmatte zwischen dem Ende der Autofahrt und dem Antritt des Fußwegs eine sogenannte „private Verrichtungen im Vorbeigehen“ war, die den Versicherungsschutz nach der Rechtsprechung des BSG nicht unterbricht (s. z. B. BSG, Urteil vom 7.9.2019, B 2 U 31/17 R). Denn diese erfordere einen räumlichen Abweg zum Öffnen der Tür und eine ganz vom Weg unabhängige Verrichtung - Anbringung der Abdeckmatte - als deutliche Unterbrechung des Weges, die hier nicht vorgelegen habe.

Der Versicherungsschutz in Fällen wie diesen lebt erst wieder auf, wenn durch die Zuwendung zur weiteren Wegstrecke wieder ein äußerlicher Wille zur unmittelbaren Fortsetzung des Arbeitswegs erkennbar ist (unter Berufung auf die eben genannte Entscheidung des BSG).