Interview: Arbeiten und dabei glücklich sein

Was kann man tun, um glücklich zu sein? Und welche Rolle spielt Glück bei der Arbeit und in der Wirtschaft? Im Interview mit der Haufe-Redaktion erklärt Glücksforscher Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel, was Glück bedeutet und wie Politik und Unternehmen Voraussetzungen für ein erfülltes Leben schaffen können.

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel lehrt an der Technischen Hochschule Nürnberg Volkswirtschaftslehre und forscht seit vielen Jahren zum Thema Glück.

Herr Professor Ruckriegel, braucht der Mensch eine Arbeit oder Tätigkeit, um glücklich zu sein?

Ja, natürlich. Das Leben ist ganzheitlich zu sehen. Man kann innerhalb des 24-Stunden-Tages die Arbeitszeit nicht ausklammern. Wir können nicht auf der Arbeit unzufrieden und dann einfach zuhause glücklich sein. Deshalb sollte Arbeit so sein, dass sie zufrieden und glücklich macht. Sie muss dem emotionalen als auch dem kognitiven Wohlbefinden gerecht werden.

Das emotionale Wohlbefinden ist die Gefühlslage im Moment. Im Tagesdurchschnitt sollte das Verhältnis zwischen positiven und negativen Gefühlen bei mindestens 3:1 liegen. Auf der Arbeit  kommt hier insbesondere den Kollegen und dem unmittelbaren Vorgesetzten eine wichtige Rolle zu. Kognitives Wohlbefinden meint den Grad der Zufriedenheit im Leben. Dafür muss ich meine Ziele kennen und mich immer wieder fragen, ob ich auf dem Weg dorthin bin.

Was sind Lebensziele und wie lassen sie sich bei der Arbeit verwirklichen?

Sinnvolle Lebensziele sind zunächst allgemeiner Art. Hierzu zählen gesellschaftliches Engagement, persönliches Wachstum und  zwischenmenschliche Beziehungen.

Wenn mich eine Arbeit interessiert, erledige ich sie selbstständig und eigenverantwortlich und bilde mich gerne weiter. Mit den Kollegen pflege ich zwischenmenschliche Beziehungen. Ein gutes Betriebsklima trägt viel zum Wohlbefinden bei. Und wenn ich weiß, welchen gesellschaftlichen Zweck das Unternehmen verfolgt, für das ich arbeite, kann ich mich bewusst daran beteiligen.

Schönheit, Popularität oder Geld sind dagegen hohle Lebensziele, die letztendlich nicht glücklich machen.

Unter Wohlstand versteht man oft, dass es einer Person oder Gesellschaft in materieller Hinsicht an nichts mangelt und dass z. B. die Gesundheitsversorgung optimal ist. Sie verwenden aber auch den Begriff des Beziehungswohlstandes. Was ist damit gemeint?

Der wichtigste  Glücksfaktor sind  gelingende soziale Beziehungen. Weitere Faktoren sind Gesundheit, Arbeit und Engagement, persönliche Freiheit, persönliche Einstellung und materielle Absicherung. Doch das Materielle nützt nichts, wenn die Beziehungen nicht stimmen. Soziale Beziehungen sind für den Menschen als soziales Wesen eine der Grundbedingungen für ein erfülltes Leben.

Sie schreiben in Ihrem Buch, dass ein gewisses Maß an Materiellem wichtig und notwendig sei, um die Grundbedürfnisse zu befriedigen und finanzielle Sicherheit zu gewinnen.

Im Durchschnitt dürften wir dieses Niveau in Deutschland schon in den 70er-Jahren erreicht haben. Aus der Psychologie ist aber bekannt, dass wir uns schnell an mehr gewöhnen. Wir schrauben einfach unsere Ansprüche und Erwartungen nach oben, so dass durch ein höheres Einkommen letztlich unserer Zufriedenheit, unser kognitives Wohlbefinden, nicht steigt. Umfragen zeigen, dass in Deutschland heute die meisten mit 2.000 EUR netto im Monat zufrieden sind, es gibt aber auch viele, die hier an 3.000 EUR und einige, die an weit mehr denken. Dies hat dann aber nichts mehr mit der Befriedigung materieller Grundbedürfnissen zu tun. Auch ist festzustellen, dass die Befragten meist etwas mehr an Einkommen angeben, als sie gerade haben, und zwar unabhängig von Niveau des aktuellen Einkommens. Man spricht hier auch von der sogenannten hedonistischen Tretmühle. Man sollte daher nicht so auf das Einkommen, auf das Materielle fixiert sein.

Wichtig ist, dass die Gesellschaft allen die Chance gibt, sinnvolle Ziele entwickeln und verwirklichen zu können. Denn es zeigt sich, dass die Menschen besonders zufrieden sind, die ihre Ziele kennen und gute soziale Beziehungen haben. Und es kommt darauf an, dass die Menschen Wertschätzung erfahren, und zwar unabhängig von der Stellung, die sie in der Gesellschaft haben. 

Wenn Gehalt kein Schmerzensgeld für verlorene Lebenszeit sein darf, wie Sie in Ihrem Buch schreiben, was sollte es dann sein?

Anerkennung, Fairness und Wertschätzung – und natürlich Geld, um Leben zu können. Doch Bezahlung ist immer nur ein Teil. Wertschätzung muss immer auch durch weitere Faktoren wie etwa die Arbeitsplatzgestaltung, die Work-Life-Balance und  im Führungsverhalten zum Ausdruck gebracht werden.

In jedem Unternehmen sollte deshalb als Führungsethik gelten: Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden willst.

Beim Glücklichsein geht es nicht nur um den Einzelnen. Was hat die gesellschaftliche Verantwortung eines Unternehmens, also die Corporate Social Responsibility (CSR) mit Glück zu tun?

Unternehmen haben keinen Selbstzweck. Grundsätzlich sind Unternehmen dazu da, der Gesellschaft zu dienen. Bei der Finanzindustrie konnten wir bis zur Krise das negative Beispiel erleben.

Letztlich wollen Menschen  ein gelingendes und zufriedenes Leben führen. Auch die Politik ist daher aufgefordert, die Voraussetzungen für ein glückliches Leben zu verbessern. Der "Better Life Index" der OECD ist dafür eine gute Grundlagen.

Die Forschung zeigt: Wer glücklich ist, arbeitet produktiver. Was macht Sie selbst glücklich?

Ich arbeite gerne in der Glücksforschung, da ich daran persönlich wachsen kann. Andere profitieren von meinen Ergebnissen. Und mit meiner Forschung leiste ich einen Beitrag für mehr Lebensqualität in unserer Gesellschaft. Ein Ziel, dass übrigens auch die Bundesregierung verfolgt.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Professor Ruckriegel.

Das Interview führte Bettina Brucker M. A., Freie Journalistin und Autorin. Mehr zu Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel erfahren Sie auf seiner Homepage.

Gesundes Führen mit Erkenntnissen der Glücksforschung

Lesen Sie mehr zur Bedeutung von Glück im Berufsleben in dem Buch "Gesundes Führen mit Erkenntnissen der Glücksforschung " von Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel, Prof. Dr. Dr. Günter Niklewski und Andreas Haupt.