Eine Fallgruppe, bei der eine Durchgriffshaftung auf die Gesellschafter besteht, ist die des Rechtsform- und Institutsmissbrauchs. Hier können die Gläubiger sich direkt an die Gesellschafter wenden. Bei dieser Fallgruppe geht es um Situationen, bei denen die GmbH missbräuchlich vorgeschoben wird, um die Gläubiger zu schädigen. Es handelt sich i. d. R. um eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Gläubiger durch das Dazwischenschalten einer nicht ausreichend mit Kapital ausgestatteten GmbH.

 
Praxis-Beispiel

Zwischengeschaltete Bau-GmbH[1]

Der Eigentümer eines Grundstücks hat eine Bau-GmbH als Alleingesellschafter gegründet, die sein Grundstück mit einem Neubau im Wert von 7,2 Mio. EUR bebaut hat. Der Alleingesellschafter der Bau-GmbH hat sodann nach schlüsselfertiger Erstellung des Neubaus das gesamte Grundstück an einen Dritten veräußert. Die Bau-GmbH hatte ein Ingenieur- und Planungsbüro als Generalübernehmerin beauftragt. In dem Generalübernehmervertrag verpflichtete sich das Ingenieur- und Planungsbüro, den schlüsselfertigen Neubau zum Festpreis von 7,2 Mio. EUR zu erstellen. Geschäftsführer der Bau-GmbH war die Ehefrau des Alleingesellschafters.

Das Bauvorhaben wurde vertragsgemäß erstellt, ein Restbetrag in Höhe von 1.427.000 EUR wurde jedoch nicht an die Generalübernehmerin bezahlt. Wegen dieses Betrags versucht das Ingenieur- und Planungsbüro, den Alleingesellschafter der GmbH in die Haftung zu nehmen. Dem Gesellschafter wurde vorgeworfen, dass er als Bauherr die GmbH lediglich als Vertragspartnerin im Verhältnis zur Generalübernehmerin rechtsmissbräuchlich zwischengeschaltet habe, um Haftungsrisiken zu verringern. Die GmbH selbst habe nicht über die Mittel verfügt, die Leistungen des Ingenieurbüros und anderer Architekten und Bauhandwerker zu bezahlen. Der GmbH sei lediglich ein Teil der notwendigen Mittel vom Alleingesellschafter zur Verfügung gestellt worden. Weitere Funktionen oder Aufgaben als jene Vertragspartnereigenschaft zu übernehmen, wurden der Gesellschaft nicht übertragen.

Das OLG Oldenburg bejahte in dem Fall eine Durchgriffshaftung des Alleingesellschafters. Insbesondere hat es auf das objektive Missverhältnis zwischen dem erforderlichen und tatsächlich notwendigen Haftungskapital abgestellt und im Wege einer Beweisaufnahme ermittelt, dass die GmbH auf eigene Gewinnerzielung nicht angelegt war, sondern vielmehr bei ihr nur die Gelder durchgelaufen sind. Die GmbH hatte allein den Zweck, vertragliche Beziehungen des Bauherrn zu dem Ingenieur- und Planungsbüro sowie den beteiligten Architekten und Handwerkern auszuschließen und das Privatvermögen abzuschirmen.

 
Wichtig

Verstoß gegen Treu und Glauben

Die Rechtsform der GmbH ist hier in missbräuchlicher Weise verwendet worden, so dass die Berufung auf die rechtliche Selbständigkeit der juristischen Person gegen Treu und Glauben verstößt.

[1] Angelehnt an die Entscheidung des OLG Oldenburg, Urteil v. 10.2.2000, 8 U 187/99, NZG 2000 S. 555.

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