ESG in der Autozulieferindustrie

Ein Sorgenkind unter vielen: Lange tat sich die Automobilbranche schwer mit dem Thema Nachhaltigkeit. Doch auch unter Autozulieferern gibt es frischen Wind, der Wettbewerb setzt sie jedenfalls unter Druck. Wie eine Umfrage der Unternehmensberatung Roland Berger nahelegt.

Welchen Stellenwert hat das Thema ESG für Unternehmen der Zulieferindustrie? Wie schätzen sie ihre Kenntnisse ein? Was haben sie bereits umgesetzt und wo sehen sie Herausforderungen und Chancen? Das hat die Unternehmensberatung Roland Berger die Vorstände und Geschäftsführenden von rund 60 mittelständischen Automobilzulieferern in der DACH-Region gefragt.

ESG als Motiv: Wettbewerbsnachteile vermeiden

Umwelt, Soziales, Unternehmensführung: Bereits 68 Prozent der Befragten priorisieren Initiativen in diesen Bereichen. Ihre Kenntnisse von Anforderungen, um ESG-Konformität zu erreichen, schätzen 64 Prozent als gut bis sehr gut ein. Das Engagement hat gute Gründe: 80 Prozent der Befragten erwarten langfristige Nachteile in der Wettbewerbsfähigkeit. Sie vermuten auch einen schlechteren Zugang zu Refinanzierung sowie negative Auswirkungen auf die Reputation des Unternehmens.

Das wichtigste Stichwort im Bereich Umwelt ist die Dekarbonisierung des Transports: 76 Prozent der Unternehmen planen ihre Kohlendioxidemissionen in den nächsten zwei Jahren zu reduzieren oder haben dies bereits getan. Zudem sorgen sie sich um den Life Cycle Assessment, also die systematische Analyse der potenziellen Umweltwirkungen sowie der Energiebilanz von Produkten, und um die Stärkung der Kreislaufwirtschaft.

Menschenrechtsstandards in der Lieferkette einzuhalten (87 Prozent) und Diversität in den Unternehmen zu fördern (87 Prozent), darüber sprechen die Befragten hingegen im Bereich Soziales. Und auch in der Unternehmensführung geht es voran: Die Befragten identifizieren die Zuliefererauswahl (auch) nach ESG-Kriterien sowie die externe ESG-Auditierung und ESG-Reporting als wichtigste Schritte in diesem Bereich.

ESG als Hürde: Anforderungen von Gesetzgebern und Kunden

Eine Nachhaltigkeitsstrategie zu planen und umzusetzen, stellt die Zulieferungsindustrie vor verschiedene Hürden. Am häufigsten nannten die Befragten unklare Anforderungen vom Gesetzgeber oder von Kundinnen und Kunden (76 Prozent). Ihren Lieferanten fehle oft die Fähigkeit, Anforderungen gerecht zu werden (68 Prozent). Noch ein Problem: 51 Prozent der Befragten beklagen, dass sie nicht genügend Mitarbeitende und Erfahrung haben, um Strategien umzusetzen.

In der Verantwortung sieht Arndt G. Kirchhoff, Vorsitzender des Unternehmensbeirats der Kirchhoff Gruppe, noch einmal den Gesetzgeber: „Bei der weiteren regulatorischen Ausgestaltung von ESG-Anforderungen muss unbedingt auf die Umsetzbarkeit für den Mittelstand geachtet werden. Es hilft niemandem, bürokratische Monster zu schaffen.“

„Bei der weiteren regulatorischen Ausgestaltung von ESG-Anforderungen muss unbedingt auf die Umsetzbarkeit für den Mittelstand geachtet werden. Es hilft niemandem, bürokratische Monster zu schaffen“
Arndt G. Kirchhoff, Kirchhoff Gruppe

Trotz aller Herausforderungen entstehen aber auch Chancen: ESG-Maßnahmen helfen 68 Prozent der Befragten dabei, ihr Unternehmen in der Öffentlichkeit und unter Mitarbeitenden positiv darzustellen. Ebenso viele sagen, dass sie dadurch aktuelle, erwartete regulatorische Anforderungen an das Unternehmen erfüllen können. Langfristig würden dann diejenigen in der Kunden- und Öffentlichkeitswahrnehmung verlieren, die ihre Hausaufgaben in Sachen ESG nicht gemacht haben, meint Dr. Thomas Schlick, Senior Partner bei Roland Berger.

„Wir sind fest davon überzeugt, dass die Entwicklung nachhaltigerer und klimafreundlicherer Geschäftsmodelle eine der wichtigsten langfristigen Herausforderungen für mittelständische Autozulieferer ist.“
Dr. Thomas Schlick, Roland Berger

In einem Punkt zeigen die Befragten aber eher wenig Zuversicht: Nur 46 Prozent denken, dass sie mithilfe von ESG-Maßnahmen die für Deutschland und Europa gesetzten Klimaziele wirksam erreichen können. Wohin die Reise für Unternehmen der Autozulieferungsindustrie am besten geht, beantwortet Thomas Schlick daher mit einer weiteren Prognose: „Wir sind fest davon überzeugt, dass die Entwicklung nachhaltigerer und klimafreundlicherer Geschäftsmodelle eine der wichtigsten langfristigen Herausforderungen für mittelständische Autozulieferer ist.“

Die vollständigen Ergebnisse der Umfrage finden Sie hier.