Vor 10 Jahren habe ich von folgendem Fall berichtet: "Gerade eben hat mich eine Studentin um Unterstützung gebeten. Sie möchte bei mir ihre Bachelorarbeit schreiben. Da sie weiß, dass ich ausschließlich Praxisarbeiten betreue, also Arbeiten, in denen eine praktische Aufgabe in einem Unternehmen gelöst wird, hat sie sich bereits bei mehreren Unternehmen beworben. Sie wird häufig zu Gesprächen eingeladen, aber jedes Mal, wenn sie dann zum Gespräch kommt und ihr Gegenüber sieht, dass sie ein Kopftuch trägt, weil sie praktizierende Muslimin ist, wird es schwierig (ihre Bewerbung enthält kein Foto). Schon vor Beginn ihres Studiums hat sie sich um einen Ausbildungsplatz beworben und hatte praktisch schon eine Zusage, bis der Personalverantwortliche, der die Vorgespräche mit ihr geführt hatte, ihr unter vier Augen mitteilte, der "höchste Chef" wolle sie wegen ihres Kopftuchs nicht einstellen."

Im Moment bin ich gerade mit einem ähnlich gelagerten Fall befasst. Dieses Mal geht es aber nicht um das Kopftuch, sondern um eine person of color. Und wie groß die Dunkelziffer in Bezug auf diese und weitere Diskriminierungen ist – bezüglich der sexuellen Identität, von Behinderungen, aufgrund des Alters etc.- ist kaum abzuschätzen. Häufig erfolgt Diskriminierung nicht so offensichtlich wie in den beiden genannten Beispielen, sondern subtiler, so dass die Betroffenen wenig konkrete Ansatzpunkte finden, um sich dagegen zu wehren.

Immerhin gibt es aber in Deutschland die Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit einem Wegweiser zur "Soforthilfe bei Diskriminierung"[1] und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das hier Abhilfe schaffen soll: Unter §1 AGG: Ziel des Gesetzes steht: "Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen."[2]

Die breite Aufdeckung von "Me-too"-Fällen in den letzten Jahren hat gezeigt, wie umfangreich auch auf dieser Ebene Diskriminierung im Beruf stattfindet und dass es manchmal – wenn überhaupt – erst Jahre später zu einer Aufklärung kommt.

In allen Fällen von Diskriminierung geht es nie nur um den Einzelfall, sondern immer auch "ums Prinzip" und deshalb polarisieren sie auch die Meinungen in der Gesellschaft. Ich will die Diskussion darüber, ob es sich bei dem Kopftuch nur um den Ausdruck einer Glaubenszugehörigkeit handelt, genauso wie bei einem Halskettchen mit Kreuzanhänger oder eben bei der Nonnentracht oder aber um eine politische Äußerung, die an Schulen nichts zu suchen hat, ganz sicher hier nicht neu anfachen. Ich möchte aber dafür sensibilisieren, dass es sich um ein sehr vielschichtiges Thema handelt, das einer besonderen Wachsamkeit bedarf.

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