Die aufgeführten regulatorischen Änderungen und der zunehmende externe Druck wirkt sich in unterschiedlichem Maß auf die Wertschöpfungsprozesse der Versicherungen aus. In diesem Kapitel beleuchten wir vier Prozesse (Unternehmensstrategie, Kapitalanlage, Schaden/Leistung, Controlling) eingängiger und zeigen Ihnen, wie Versicherungen jeweils auf die Veränderungen reagieren und wie erste Lösungsansätze aussehen können. Für die Analyse haben wir explizit Themenfelder aus unterschiedlichen Ebenen (Geschäftsführung, Spartenvorstand, Operations und Overhead) gewählt, um die Reichweite und Bedeutung der Nachhaltigkeit in seiner gesamten Ausprägung zu unterstreichen.

Abb. 1: Auszug aus der Themenlandkarte einer Versicherung

[1]

[1] Horváth & Partners, 2021.

2.1 Unternehmensstrategie

Bei der Definition und Veröffentlichung einer Nachhaltigkeitsstrategie haben die Versicherungsunternehmen in den vergangenen Jahren den Abstand zu anderen Branchen deutlich verringert. Inzwischen verfolgen 95 % der Top 20 Versicherungen in der DACH Region[1] eine nachhaltige Strategie und haben dabei nachhaltige Ziele in ihrem Zielsystem verankert. Die Ausprägung der Ziele unterscheidet sich dabei jedoch zwischen den Unternehmen und reicht von ökologischen (bspw. Treibhausgasemissionsreduktion, Biodiversität) zu sozialen (bspw. Diversität, Arbeitsplatzsicherheit, Mitarbeitergesundheit) Zielwerten.

[1] Horváth & Partners, 2021.

2.1.1 Wesentlichkeitsanalyse zur Ermittlung der Nachhaltigkeitsstrategie

Zur Ermittlung dieser nachhaltigen Strategie haben von den untersuchten Versicherungen 55 % eine Wesentlichkeitsanalyse durchgeführt und veröffentlicht. Die Durchführung einer solchen Analyse ist integraler Bestandteil zur Ableitung von wesentlichen Themen, der Definition von Leitsätzen und Weiterentwicklung des Leitbilds, hin zu einer nachhaltigen Ausrichtung des Unternehmens.

Die Entwicklung einer nachhaltigen Strategie erfordert in einem ersten Schritt eine detaillierte Analyse des Marktumfeldes. Hierbei stehen insbesondere die Stakeholder im Fokus, die den langfristigen Erfolg des Unternehmens sicherstellen. Bei Versicherungsunternehmen sind das neben den Versicherungskunden, die Investoren, Mitarbeiter, Zivilgesellschaft und das Regulativ. Insbesondere letzteres steht mit der aktuellen Diskussion zur EU-Taxonomie im stetigen Wandel. Die Bedürfnisse der Stakeholder stehen bei der Durchführung der Wesentlichkeitsanalyse im Vordergrund und setzen den strategischen Rahmen. Mit zusätzlicher Einbeziehung von Branchentrends werden auf Basis der GRI-Standards die Wesentlichkeits-/ Materialitätsanalyse durchgeführt. Die Bestimmung der Wesentlichkeit sieht einen dreistufigen Prozess vor:

  1. Identifizierung von relevanten Trends: Hierzu werden sechs finanzielle und nicht-finanzielle Kapitalformen (Finanzkapital, Kapital zur Herstellung, intellektuelles Kapital, Humankapital, soziales Kapital und natürliches Kapital) betrachtet.
  2. Bewertung der Wichtigkeit relevanter Trends: Die Wichtigkeit eines Trends wird durch das Ausmaß der Wirkung und der Wahrscheinlichkeit des Eintritts bemessen.
  3. Priorisierung der Trends: Auf Basis der durchgeführten Umfeld-, Stakeholder- und Unternehmensanalyse werden abschließend die Trends nach Wichtigkeit und Eintrittswahrscheinlichkeit in einer Matrix priorisiert. Mit Hilfe dieser Matrix wird das Spannungsfeld aus "Bedeutung des Themas für die Stakeholder" und der "ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkung" verdeutlicht. Abb. 2 verdeutlicht anhand eines Beispiels einer großen deutschen Versicherung, wie wesentliche Trends nach Vorgabe des GRIs in einer Matrix abgebildet und priorisiert werden können.

    Abb. 2: Beispiel einer Wesentlichkeitsmatrix einer großen deutschen Versicherung

Mit Hilfe der Wesentlichkeitsanalyse werden anschließend

  • wesentliche Leitsätze zur Zielerreichung der relevanten Trends definiert (bspw. Klimawandel: Als Versicherungsunternehmen tragen wir eine besondere Verantwortung zum Schutz unserer Umwelt und im Kampf gegen den Klimawandel. Hierzu möchten wir im Rahmen unserer nachhaltigen Kapitalanlage zur Dekarbonisierung unserer Gesellschaft beitragen) und
  • Anpassungen des Leitbilds (Vision, Mission, Purpose, Werte) vorgenommen.

2.1.2 Verankerung der Nachhaltigkeitsstrategie in der Sustainability Balanced Scorecard (SBSC)

Die Formulierung einer nachhaltigen Strategie bedingt zur vollständigen Entfaltung ihrer Wirkung die Operationalisierung und Verankerung im Zielsystem. Hierzu hat sich in der Vergangenheit der methodische Ansatz der Sustainability Balanced Scorecard (SBSC) bewährt. Die SBSC entspricht einer Weiterentwicklung der klassischen Balanced Scorecard von Kaplan und Norton und integriert dabei die drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales zur Umsetzung der Unternehmensstrategie. Hierzu gibt es drei unterschiedliche Ansätze, die in der Unternehmenspraxis angewendet werden.

  1. Funktional angepasste Balanced Scorecard: Bei der funktional angepassten BSC wird eine oder mehrere Perspektiven zur klassischen BSC hinzugefügt. In der Regel beschränken sich die Unternehmen allerdings dabei meist auf eine weitere Perspektive.[1] Diese Perspektive umfasst dann jegliche ökologische und soziale Kennzah...

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