Wann wird aus einem Nichthaufen ein Haufen? Nicht wenn einem Gerstenkorn ein Zweites hinzugefügt wird, auch nicht, wenn ein Drittes hinzukommt. Irgendwann aber ist es so weit, ein Haufen besteht. Dennoch kann niemand eine exakte Zahl von Gerstenkörnern benennen, ab denen ein Haufen vorliegt. Diese Frage bewegt seit der Antike als sog. Sorites-Paradoxie die Menschen. Eines vorneweg: Es gibt keine einfache Lösung.

Dennoch ist die Frage von großer Bedeutung für jeden Menschen, für jedes Unternehmen, für jede Gemeinschaft. Ganz konkret beim Ressourcenverbrauch. Nur weil eine Lampe 2 Minuten länger brennt, das Firmenfahrzeug an der Ampel nicht ausgeschaltet wird, die Außentür zum Lager nicht sofort geschlossen wird, wird der Energieverbrauch kaum messbar ansteigen, die Umwelt nicht nachweislich geschädigt, die Kosten kaum erhöht. Wenn sich alle Menschen so verhalten jedoch mit Sicherheit. Wo jedoch die Grenze liegt, an der aus dem Gerstenkorn ein Haufen wird, bleibt unklar. In einem größeren Maßstab stellt sich die Frage für die Gesellschaft, in welcher Welt wollen, in welcher Welt werden wir leben? Ein einzelnes Haus im Landschaftsschutzgebiet verändert weder dessen Charakter noch die Schutzwürdigkeit. Ebenso wenig ein zweites oder ein drittes, irgendwann aber wird aus dem Nichthaufen ein Haufen, das Gebiet ist nicht mehr schützenswert. Ein Flug in den Urlaub verändert nicht das Klima, der Flugverkehr aber schon. Der Sachverhalt ist eindeutig: Keine Gesellschaft kann funktionieren, kann fortbestehen, wenn eine gewisse Anzahl von Menschen, die so denken und handeln überschritten wird und das sog. Trittbrettfahren einen bestimmten Punkt überschreitet.

Dennoch bliebt das bereits aufgezeigte Problem bestehen: Es gibt keine klaren Grenzen, keinen Verantwortlichen, der "Haufen" definieren kann, kein Raum- oder Gewichtsmaß, keinen Geldbetrag, der die ultimative Lösung ist, keinen Controller, der den Schwellenwert quantifizieren kann. Genaue Grenzen fördern sogar tendenziell die Trittbrettfahrer-Mentalität, weil Betroffene erkennen, dass (noch) kein Haufen gebildet, eine Grenze noch nicht erreicht bzw. durch ihr Handeln überschritten wird. So wird die Ansicht bekräftigt, dass das eigene Trittbrettfahren ohne erkennbare bzw. sichtbare Folgen bleibt, für das Unternehmen wie für die Gesellschaft.

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