1.1 Die 3 Säulen der Nachhaltigkeit: Balance beim Bauen

Holzbau? Grüne Fassaden? Ein energieeffizienter Betrieb? Was genau macht ein nachhaltiges Gebäude aus und wie lässt sich das messen? Die vielen Fragen sind nicht unbegründet. Schließlich ist Nachhaltigkeit ein sehr abstrakter Begriff. Dahinter verbirgt sich die Vorstellung, bei allen Entscheidungen 3 Aspekte gleichermaßen mit einzubeziehen: den Menschen, die Umwelt und die Wirtschaftlichkeit. Geht man mit offenen Augen durch die Welt, lässt sich schnell erkennen, dass das Zusammenspiel dieser Aspekte oft nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Ein Bürogebäude, das besonders günstig errichtet wurde, aber die Mitarbeitenden durch eine schlechte Raumqualität krank macht, ist nicht nachhaltig. Ebenso wenig ist es das, wenn höchste Komfortansprüche für die Nutzenden erfüllt werden – auf Kosten der Umwelt. Aber auch eine reine Fokussierung auf die Ökologie ist nicht das Ziel, wenn das Gebäude am Ende nicht bezahlbar ist.

1.2 Von der Rohstoffgewinnung bis zum Rückbau: Lebenszyklus eines Gebäudes

Neben dieser inhaltlichen Aufschlüsselung lässt sich Nachhaltigkeit auch auf der Zeitachse einordnen. Wer nachhaltig baut, denkt nicht nur vom Entwurf bis zur Fertigstellung. Vielmehr berücksichtigt er alle Lebenszyklusphasen eines Bauwerks. Nur so lassen sich Umweltwirkungen vermeiden und die Kosten realistisch einschätzen. Ein Holzbau, der aufgrund einer kurzfristigen Planung nach wenigen Jahren wieder abgerissen wird, ist demnach nicht nachhaltig. Genauso wenig kann ein Plusenergiehaus als nachhaltig angesehen werden, wenn es mit Baumaterialien aus unverantwortlicher Herstellung errichtet wurde. Die Lebenszyklusbetrachtung richtet den Betrachtungsrahmen von der Rohstoffgewinnung über eine möglichst lange Nutzungsdauer (möglicherweise mit wechselnden Nutzungen) bis zu einem potenziellen Rückbau und der Frage, was mit den Materialien geschehen kann. So wird nicht nur vermieden, dass Umweltprobleme in eine nächste Phase verschoben werden, sondern auch potenzielle Kosten können eingeschätzt und durch Planungsentscheidungen minimiert werden.

1.3 Gute Gesamtperformance statt Einzelmaßnahmen

Als Drittes sollte noch geklärt werden, welchem Zweck Nachhaltigkeit dient. Oft der Fall, aber nicht zielführend, ist Nachhaltigkeit als Aushängeschild. Eine grüne Fassade, die aufgrund einer unangebrachten Verortung, ihre Wirkung als Luftreiniger versäumt, gleichzeitig aber für hohe Pflegeaufwände sorgt, ist so ein Beispiel für oberflächliche Nachhaltigkeit. Anstatt Pauschallösungen umzusetzen, bedeutet Nachhaltigkeit, die beste Gesamtperformance aus einem Gebäude herauszuholen. Das bedeutet in der Planung genau abzuwägen, welche Maßnahme welche Wirkung auf das gesamte Gebäude hat. Eine Ökobilanzierung zeigt beispielsweise auf, welchen CO2-Fußabdruck ein Gebäude insgesamt haben wird und wo Hebel liegen, um diesen zu reduzieren. Das ist vielleicht nicht auf den ersten Blick sichtbar, aber wirklich wirkungsvoll für den Klimaschutz.

1.4 Blick für das Wesentliche: Vorgaben der EU für den Gebäudesektor

Seit geraumer Zeit bekommt nachhaltiges Bauen viel Rückenwind. Das liegt mitunter an den Regularien der Europäische Union, die das Wirtschaftssystem transformieren will. Nachhaltigkeit soll zum ernstzunehmenden Qualitätsmerkmal werden und auch ein finanzieller Anreiz. Im Green Deal der EU ist es festgeschrieben; Europa ist laut Plan bis 2050 klimaneutral. Die Instrumente der EU sind 2 Verordnungen: die EU-Taxonomie und die Offenlegungsverordnung. Sie sorgen dafür, dass konkrete Nachhaltigkeitskriterien für Immobilien von Seiten der verantwortlichen Unternehmen offengelegt werden müssen und Investoren den Anreiz haben, in Taxonomie-konforme, und damit zukunftsfähige, Immobilien zu investieren. In Deutschland sorgt die Bundesförderung für effiziente Gebäude für Breitenwirksamkeit des Nachhaltigkeitsbegriffs. Um Fördergelder zu bekommen, ist es mittlerweile nötig, neben der Energieberatung auch einen Nachhaltigkeitsexperten mit an Bord zu haben. Denn die Durchführung einer Ökobilanz oder aber die Berücksichtigung einer Reihe von Nachhaltigkeitszielen wie beispielsweise Barrierefreiheit, Ressourcenschonung und weniger Flächenverbrauch sind verpflichtend.

Dieser Aufschwung sorgt natürlich auch dafür, dass an vielen Stellen neue Geschäftsmodelle entstehen und Nachhaltigkeit vielfach individuell und eigenoptimiert interpretiert wird. Gerade wenn Nachhaltigkeit zum ökonomischen Vorteil wird, dabei darf nicht der Blick auf das wirkliche Ziel verloren gehen. Nämlich zum einen der Erhalt einer lebenswerten Erde durch Eindämmung des Klimawandels, Schutz der Artenvielfalt und Rückgang des verschwenderischen Konsums. Und zum anderen die Errichtung einer Umwelt, in der wir leben, wohnen, arbeiten wollen. Orte des Wohlgefühls, die zu unserer Gesundheit beitragen.

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