Demokratien und mit ihnen der demokratische Allokationsmechanismus können unterschiedlich ausgestaltet sein. Gleiches gilt für die Kommunalverfassungen, obwohl die Gemeinden als Selbstverwaltungskörperschaften und damit als Teil der Exekutive verstanden werden,[1] übt der Gemeinderat aus dem Blickwinkel der Bürger die Rolle eines Gemeindeparlaments aus. Die baden-württembergische Gemeindeordnung mit dem Gemeinderat als Hauptorgan und einem direkt gewählten Bürgermeister bildete zusammen mit der bayerischen die Kategorie der "Süddeutschen Ratsverfassung", deren Element zunehmend von anderen Bundesländern übernommen wurden.

[1] Vgl. Armbruster, § 24 Gemeinderat – Vertretung der Bürger , in: Kunze/Bronner/Katz (Hrsg.), Gemeindeordnung für Baden-Württemberg. Kommentar, Bd. 1, 4. Aufl., 31. Lieferung, 2022.

2.2.1 Polity der baden-württembergischen Kommunalverfassung

Grundsätzlich kann zwischen präsidentieller und parlamentarischer Demokratie unterschieden werden. Hauptunterscheidungsmerkmal ist die Abberufbarkeit bzw. Nicht-Abberufbarkeit der Regierung bzw. der Exekutive.[1] Während in der Bundesrepublik Deutschland sowohl der Bund als auch die Länder parlamentarisch verfasst sind, d. h., der Fortbestand der Regierung von ihrem Rückhalt im Parlament abhängig ist, sind die Gemeinden in Baden-Württemberg präsidiale Systeme. Der Bürgermeister wird direkt von den Bürgern für die Dauer von 8 Jahren gewählt.[2] Als i. d. R. einziger hauptamtlicher kommunalpolitischer Akteur nimmt der Bürgermeister als Verwaltungschef und stimmberechtigter Vorsitzender des Gemeinderates eine herausragende Rolle wahr,[3] die ihm einen großen Gestaltungsspielraum einräumt.

[1] Vgl. Schmidt, Demokratietheorien, eine Einführung, 6. Auflage, 2019, S. 303–317.

2.2.2 Politics in den baden-württembergischen Gemeinden

Der Prozess der Politikfindung ist wie die Verfassung einer Demokratie unterschiedlich und durch diese bedingt. Hier kann zwischen Mehrheits- und Konsensdemokratien unterschieden werden.[1]

Beispiel für eine idealtypische Mehrheitsdemokratie sind Großbritannien (parlamentarisches System) und die USA (präsidentielles System). Kennzeichnend für eine Mehrheitsdemokratie sind beispielsweise Mehrheitswahlrecht und 2-Parteien-System. Ziel ist es, eine allein verantwortliche politische Mehrheit zu schaffen (minimum winning coalition). Sofern deren Politik nicht mehr gewünscht ist, bekommt die Opposition nach der nächsten Wahl den Regierungsauftrag.

Beispiel für idealtypische Konsensusdemokratien sind Österreich (parlamentarisches System) und die Schweiz (präsidentielles System mit kollektiver Exekutive). Kennzeichnend sind hierfür u. a. Verhältniswahl, Mehrparteiensystem und übergroße Koalitionen. Ziel ist die Einbeziehung möglichst vieler Akteure (maximum winning coalition).

In den baden-württembergischen Gemeinderäten hat sich ein konsensorientiertes konkordantes Entscheidungsmuster gebildet.[2] Auf kommunaler Ebene spielt Parteipolitik keine vorrangige Rolle. So wird beispielsweise auch fraktionsübergreifend bzw. uneinheitlich innerhalb einer Fraktion abgestimmt. Einstimmigkeit ist jedoch überwiegend. Begünstigt wird dieses Entscheidungsmuster durch das Kommunalwahlrecht, welches durch Kumulieren und Panaschieren den Einfluss der Parteien eingrenzt und anstelle einer Parteienwahl eher eine Persönlichkeitswahl stattfindet. Das präsidentielle System erlaubt zudem dem Bürgermeister, mit wechselnden Mehrheiten Politik zu gestalten, da er auf keine Regierungsfraktion/-mehrheit angewiesen ist.

[1] Vgl. Schmidt, Demokratietheorien, eine Einführung, 6. Auflage, 2019, S. 329–342.
[2] Lat. concordare = übereinstimmen.

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