Wie in allen ISO-Normen widmet sich das zweite Kapitel den, für das jeweilige Thema der Norm relevanten Begriffen und ihren kontextspezifischen Definitionen. Im Falle der ISO 26000 spielt es insofern eine besonders wichtige Rolle, als es u. a. die erste, im internationalen Diskurs entwickelte Definition gesellschaftlicher Verantwortung enthält, die 1 Jahr später von der Europäischen Kommission aufgegriffen und als Grundlage ihrer neuen CSR-Strategie verwendet wurde[1]. "Social Responsibility" wird demnach verstanden als die

Verantwortung einer Organisation (2.12) für die Auswirkungen (2.9) ihrer Entscheidungen und Aktivitäten auf die Gesellschaft und die Umwelt (2.6) durch transparentes und ethisches Verhalten (2.7), das

  • zur nachhaltigen Entwicklung (2.23), Gesundheit und Gemeinwohl eingeschlossen, beiträgt;
  • die Erwartungen der Anspruchsgruppen (2.20) berücksichtigt,
  • anwendbares Recht einhält und im Einklang mit internationalen Verhaltensstandards (2.11) steht ; und
  • in der gesamten Organisation (2.12) integriert ist und in ihren Beziehungen gelebt wird[2].

ANMERKUNG 1 Aktivitäten umfassen Produkte, Dienstleistungen und Prozesse.

  • ANMERKUNG 2 Mit Beziehungen sind solche gemeint, die im Zusammenhang mit den Aktivitäten der Organisation innerhalb ihres Einflussbereichs (2.19) entstehen[3].

Das inhaltlich Besondere dieser Definition gesellschaftlicher Organisationsverantwortung besteht darin, dass erstmals im Kontext der CSR-Diskussion berücksichtigt wird, dass es sich beim Terminus der Verantwortung um eine mindestens dreistellige Relation handelt, bestehend aus

  1. einem Subjekt (Wer) – in diesem Fall die Organisation –,
  2. einem Gegenstand (Wofür) und
  3. einer Verantwortungsinstanz.

Letztere gibt einerseits Antwort auf die Frage, wem gegenüber Verantwortung besteht, andererseits auf der Grundlage welcher normativen Instanzen sie legitimiert bzw. gefordert ist[4]. Das "Social" im Terminus Social Responsibility bezeichnet folglich nicht das Objekt, sondern das Gegenüber der Verantwortung, nämlich die Gesellschaft und die Umwelt. Gegenstand der Verantwortung hingegen sind die Auswirkungen der Entscheidungen und Aktivitäten einer Organisation! Für eben diese haben sich nicht nur Individuen, sondern im Kontext von (C)SR auch Unternehmen und gemäß ISO 26000 alle Arten von Organisationen[5] zu verantworten, also Rechenschaft abzulegen und dafür gerade zu stehen[6].

Die Grundlage im Sinne der legitimierenden Instanz (das Wovor der Verantwortung) dafür bildet die (freiwillige) Selbstverpflichtung von Unternehmen bzw. Organisationen zur Ausrichtung ihres Handelns an bestimmten Werten und Prinzipien, von denen in der Definition selbst bereits 2 genannt werden: Transparenz und ethisches Verhalten. Im vierten Kapitel werden diese aufgegriffen, näher erläutert und um 5 weitere Prinzipien ergänzt:

  1. Rechenschaftspflicht
  2. Berücksichtigung der Interessen von Anspruchsgruppen
  3. Rechtsstaatlichkeit
  4. Achtung internationaler Verhaltensnormen
  5. Achtung der Menschenrechte

Abb. 2: Die Grundprinzipien gesellschaftlicher Verantwortung[7]

Ihre Berücksichtigung sowohl in den normativen Zielen (Vision, Mission, Werte) und/oder im Verhaltenskodex als auch als Bestandteil der gelebten Unternehmenskultur und Grundlage aller (Stakeholder-)Beziehungen kann als eine Art Mindestanforderung an gesellschaftlich verantwortliches Handeln und eine entsprechende Führung und Steuerung von Unternehmen bzw. Organisationen interpretiert werden.

[1] KOM (2011) 681, S. 7.
[2] alle fett markierten Begriffe sind selbst noch einmal in diesem Kapitel definiert.
[3] DIN ISO 26000: 2011, S. 17.
[4] vgl. dazu z. B. Zimmerli 1993, S. 105.
[5] DIN ISO 26000: 2011, S. 8.
[6] siehe auch Kleinfeld 2022, S. 39
[7] eigene Darstellung nach DIN ISO 26000 2011, S. 25-29.

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