Die freiwillige Kompensation ist jedoch auch starker Kritik ausgesetzt. Eine generelle Kritik lautet etwa, dass durch die Verfügbarkeit von billigen Zertifikaten technisch machbare Klimaschutzmaßnahmen nicht umgesetzt oder aufgeschoben werden (Zertifikate als "Ablaßhandel" bzw. "mitigation deterrance").[1] Daher ist auch entsprechend der ISO 14068 eine externe Kompensation im Sinne der Maßnahmenhierarchie nur für schwer zu vermeidende Restemissionen zulässig (vgl. Abb. 2). In der Vergangenheit wurde aber auch Kritik an speziellen Verfahren und Projekten von Kompensationsanbietern laut, die sich insbesondere auf Aufforstungsprojekte bezogen.[2] Ferner besteht das Risiko von Doppelzählungen, insbesondere wenn private Anbieter, Zertifikatskäufer und Nationalstaaten sich Emissionsreduzierungen oder THG-Entnahmen gleichzeitig anrechnen lassen wollen.[3]

Es ist daher besonders wichtig, dass bestimmte Qualitätskriterien berücksichtigt werden, die sich aus den Anforderungen der ISO 14068-1:2023 ableiten lassen.

 
Anforderung Beschreibung
Kompensation als letzte Option entsprechend des Hierarchie-Ansatzes Kompensation außerhalb des eigenen Verantwortungsbereich und die Anrechnung entsprechender Zertifikate des freiwilligen Marktes sollte immer nur die letzte Option darstellen. Priorität sollten echte, technisch durchführbare und zügig umsetzbare Reduktionsmaßnahmen haben.
Echte, messbare THG-Emissionseinsparungen oder THG-Entzüge aus der Atmosphäre, Nutzung von ex-post Zertifikaten und Verifizierung durch Dritte Es dürfen nur Zertifikate verwendet werden, deren tatsächlich erreichte THG-Einsparungen oder Entnahmen ex-post quantifiziert und durch externe Dritte geprüft wurden (Verifizierung durch Dritte). Vorgaben für die Quantifizierung tatsächlichen Wirkung und die Berechnung der Vergleichsbasis ("baseline scenario") sind in ISO 14064-2 beschrieben oder werden durch die Methodik des Programmbetreibers festgelegt.
Vermeidung der Doppelnutzung Es ist nur eine einmalige Nutzung des Zertifikates erlaubt. Die doppelte Inanspruchnahme muss durch eine Entwertung eines Zertifikates verhindert werden. die entsprechende Seriennummer und der Kataster ("registry") müssen benannt werden.
Vermeidung der Doppelzählung Vermeidung von Doppelzählung, insbesondere, wenn Zertifikate im zwischenstaatlichen und nationalen Emissionshandel zum Erreichen der nationalen Reduktionsverpflichtungen (NDCs) und im freiwilligen Markt genutzt werden. Hierzu sind die Regeln des Pariser Abkommens (Artikel 6(4)) einschlägig. Hierzu werden i. d. R. "correspondings adjustments"[4] getroffen oder es können lediglich "contribition claims"[5] gemacht werden.
Zusätzlichkeit/Additionalität Es muss nachgewiesen werden, dass das Klimaschutzprojekt ohne die Finanzierung über den jeweiligen Programmbetreiber nicht stattgefunden hätte. Insbesondere ist sicherzustellen, dass das Projekt nicht gesetzliche vorgeschrieben ist oder durch andere Mechanismen gefördert wird. Es muss dazu ein Vergleich zur Referenzsituation (business-as-usual-Szenario in der Baseline) und ggf. eine "Common-Practice-Analyse" durchgeführt werden.
Permanenz Die Wirkung des Projektes sollte permanent oder langlebig sein. Allerdings werden hier keine konkreten Mindestzeiträume festgelegt (z. B. 10, 100 oder 100.000 Jahre). Es muss sichergestellt werden, dass über Pufferzertifikate oder andere Maßnahmen eine Umkehrung der Effekte (z. B. durch ein zeitliches Ende eines Klimaschutzprojektes oder eine Wiederfreisetzung von gebundenem CO2 etwa bei der thermischen Verwertung) verhindert wird.
Side-Effects und Co-Benefits Der Programmbetreiber muss positive Auswirkungen auf andere Nachhaltigkeitsziele ("co-benefits") beschreiben. Der Programmbetreiber soll außerdem Sicherheiten vorhalten, um nachteilige Auswirkungen auf Ökosysteme, Biodiversität, lokale Anrainer und Kommunen und die Lokalwirtschaft oder anderweitige Auswirkungen auf Menschenrechte zu verhindern.
Leakage Der Programmbetreiber muss Maßnahmen sicherstellen, die nicht-intendierte Verlagerungseffekte ("leakage") vermeiden.

Tab. 4: Übersicht zu Qualitätsanforderungen an Kompensationszertifikate nach ISO 14068

Generell gilt, dass alle Zertifikate aus verifizierten und zertifizierten Klimaschutzprojekten stammen müssen. Es dürfen keine ex-ante Zertifikate verwendet werden. Obwohl der ex-ante Ansatz, dass die Durchführung von Klimaschutzmaßnahmen über einen längeren Zeitraum vertraglich vereinbart (und finanziert) werden, sinnvoll erscheint, dürfen die credits erst dann verrechnet werden, wenn die Projekte umgesetzt wurden, Nachweise über die tatsächlichen THG-Einsparungen oder Entnahmen vorliegen und die Zertifikate stillgelegt wurden. Außerdem ist die Nutzung von credits aus Minderungsprojekten (avoidance credits, reduction credits) nur für unter bestimmten Bedingungen möglich. Diese sollten nur solange verwendet werden, solange es unabated-emissions gibt. Also THG-Emissionen, die technisch prinzipiell vermeidbar wären, aber wirtschaftliche od...

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