In den letzten Jahren lässt sich immer wieder beobachten: Wirtschaftliche, politische, technische und gesellschaftliche Entwicklungen überfordern immer mehr Menschen. 2020 bis 2023 hat die Corona-Pandemie Einzelne und ganze Bevölkerungsgruppen belastet. So haben u. a. sozialer Stress, Homeoffice und Kinderbetreuung die Zahlen der psychischen Erkrankungen steigen lassen. Darunter ein Beschwerdebild, das seinen Namen in den 1970er-Jahren bekommen hat: Das Burnout-Syndrom.

 
Praxis-Beispiel

Therapieprogramm "Corona-Burnout"

Nachdem Heiligenfeld, die Klinikgruppe für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, die Geschehnisse und Entwicklungen während der Corona-Pandemie mit zunehmender Besorgnis beobachtet hatte, entschied das Klinikteam, das Therapieprogramm zu erweitern. Ziel der neuen Hilfsangebote ist es, einen gesunden Umgang mit

  • sozialer Isolation oder
  • Bedrohungsgefühlen und anderen krisenbedingten Gefühlslagen

zu erlernen. Diese Belastungen sind während der Pandemie vermehrt aufgetreten. Aber auch weitere Ereignisse, wie Kriegsgeschehen oder Inflation mit ihren Folgen, können sich negativ auf die Psyche auswirken.

1.1 Merkmale und Verlauf

1.1.1 Erste Anzeichen

Ein Burnout-Syndrom beginnt schleichend und verläuft in Phasen, die fließend ineinander übergehen. Am Anfang herrschen oft Idealismus und Begeisterung vor und der Arbeitseinsatz ist überhöht. Die Symptome des Burnout-Syndroms sind vielfältig. Mögliche erste Anzeichen wie Ermüdung und Erschöpfung, veränderte Essgewohnheiten, Gewichtszu- oder -abnahme oder eine höhere Anfälligkeit für Infektionskrankheiten können auch andere Ursachen haben. Deshalb nehmen Betroffene und das Umfeld die Krankheit zunächst kaum wahr.

 
Wichtig

Phasentheorie

Zu den wichtigsten Vertretern der Phasentheorie gehören die Wissenschaftler Freudenberger, Lauderdale, Edelwich, Maslach und Hobfoll. Ihre Phasenmodelle sind theoretische Konstrukte, mit denen der Krankheitsverlauf dargestellt und analysiert werden kann. Sie haben Krankheitsfälle aus der Wirtschaft und vor allem aus helfenden Berufen untersucht.

1.1.2 Psychische Veränderungen

Mit Fortschreiten des Krankheitsverlaufs lässt das Engagement deutlich nach. Oft meiden die Betroffenen den Kontakt zu Kunden und Kollegen, aber auch zu Freunden und Bekannten. Außerdem werden psychische Veränderungen spürbar. Die Betroffenen werden reizbar, lustlos und/oder aggressiv. Sie verachten sich selbst oder werden zynisch. Pessimismus, Misstrauen und Ängste nehmen zu, Emotionen sind immer schwerer zu kontrollieren. Fachleute nennen dies Depersonalisation.

1.1.3 Selbstwahrnehmung

Für die Betroffenen selbst fühlt es sich irgendwann so an, als ob der "Akku leer ist und sich nicht mehr aufladen lässt". Dann schleichen sich Fehler ein, die Leistung lässt nach und selbst Routinearbeiten werden als anstrengend empfunden. Schlaflosigkeit, extreme Ungeduld und ständige Grübeleien bestimmen den Tag und die Nacht. Das Gedankenkarussell kann nicht mehr abgestellt werden. Der Energieverlust nimmt pausenlos zu.

1.1.4 Suchtmittel

Viele Betroffene greifen in dieser Phase zu Alkohol oder Medikamenten, um abzuschalten oder leistungsfähig zu bleiben. Nicht selten endet das in einer Sucht. Fällt diese auf, tritt sie häufig in den Vordergrund einer Therapie. So werden nur die Symptome einer komplexen Krankheit behandelt. Die Ursachen werden nicht erkannt und verändert.

1.1.5 Endstadium

Burnout-Erkrankte leiden an Erschöpfungszuständen (Tab. 1). Lange Zeit sind sie geistig hyperaktiv. Im Endstadium lässt dieser Zustand nach und Leere und Verzweiflung nehmen überhand (Abb. 1). Burnout kann bis zur Berufsunfähigkeit gehen, manche sehen keinen Ausweg mehr und nehmen sich das Leben.

 
Körperliche ­Erschöpfung Emotionale ­Erschöpfung Mentale Erschöpfung
  • mangelnde Energie
  • permanente Müdigkeit
  • Schwäche
  • verspannte Muskulatur
  • Kopf- und Rückenschmerzen
  • Magen-/Darmbeschwerden
  • Schlafstörungen
  • Niedergeschlagenheit
  • Hilflosigkeit
  • Hoffnungslosigkeit
  • Leere und Verzweiflung
  • Entmutigung und Resignation
  • negative Einstellung zu sich selbst, zur Arbeit und zum Leben
  • Verlust der Selbstachtung
  • Gefühl der Unzulänglichkeit
  • Gefühl der Minderwertigkeit

Tab. 1: Typische Erschöpfungszustände beim Burnout-Syndrom

Abb. 1: Burnout-Zyklus[1]

[1] Freudenberger/North: Burnout bei Frauen. Über das Gefühl des Ausgebranntseins, 1992.

1.2 Einflussfaktoren

Arbeitswelt und Individuum im Ungleichgewicht

Die Arbeitsbedingungen sind meist nicht alleine verantwortlich, wenn jemand psychisch erkrankt. Doch beim Burnout-Syndrom geht man davon aus, dass die Arbeitswelt einen großen ursächlichen Einfluss auf die Entstehung hat. Die Krankheit bricht aus, wenn Arbeitswelt und Individuum nicht mehr im Einklang sind.

Stabilisierende Strukturen

Warum kommen immer mehr Menschen aus dem Gleichgewicht und werden psychisch krank? Fachleute führen das u. a. darauf zurück, dass die gesellschaftlichen Strukturen instabiler sind als früher: Familien brechen auseinander, immer weniger Menschen finden im religiösen Glauben einen Halt, Heimat als Ort der Geborgenheit hat an Wert verloren und die Berufswelt ist nur noch selten dauerhaft und beständig. Individualität spielt eine immer größere Rol...

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