Rz. 7

In jedem der aktuell vorliegenden Rahmenwerke wird unterstellt, dass verbesserte Nachhaltigkeitsangaben gut für die Kapitalmärkte sind. Den Nachweis bleiben gleichwohl alle Standardsetzer schuldig. Die zusätzliche Transparenz und Rechenschaftspflicht der Unternehmen, die durch die neuen Offenlegungen entstehen, können – und sollen im Fall der CSRD – das Verhalten der Unternehmen beeinflussen und sich somit positiv für den Planeten auswirken.

 

Rz. 8

Ein (noch) auffälligerer Unterschied zwischen den Rahmenwerken ist die Breite der Themen, die in den Anwendungsbereich fallen. Die ESRS behandeln bereits Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen und sehen auch einen spezifischen Standard für die Offenlegung von Klimadaten vor. Die Regelwerke des ISSB und der SEC stellen klimabezogene Informationen in den Vordergrund. In Zukunft kann es zu einer (weiteren) Angleichung kommen, wenn die SEC, die allerdings zunächst Regeln zur Abbildung von Humankapital und den Umgang mit Cyberrisiken in den Vordergrund stellt, und das ISSB wie erwartet weitere Leitlinien zur Berichterstattung herausgeben.

Der Umgang mit branchenspezifischen Anforderungen führt ebenfalls (noch) zu einem Unterschied in der Breite der Anforderungen. Die Unterscheidung in den Anforderungen an Unternehmen unterschiedlicher Branchen ist bereits ein ausdrücklicher Schwerpunkt der IFRS Sustainability Disclosure Standards. Von den Unternehmen wird verlangt (IFRS S1), die Anwendbarkeit der Standards des Sustainability Accounting Standards Board (SASB) zu berücksichtigen, wenn sie nachhaltigkeitsbezogene Risiken und Chancen identifizieren. Seitens der SEC wurde hingegen ein Verzicht auf branchenspezifische Anforderungen erklärt. Seitens der EFRAG bleibt die Entwicklung von Branchenstandards zwar eine "Schlüsselaufgabe", priorisiert wird allerdings zunächst die Bereitstellung von Umsetzungsleitlinien, die von der EU-Kommission gefordert sind (§ 1 Rz 15).

 

Rz. 9

Der (wohl) bedeutendste Unterschied zwischen den Rahmenwerken wird durch das verankerte Konzept der Wesentlichkeit markiert. Die (Informations-)Bedürfnisse der Adressaten und damit der Nutzer von (Nachhaltigkeits-)Informationen können unterschiedlich sein. Die Anwendung von Wesentlichkeit ist für das berichtende Unternehmen der Filter, sich auf die Informationen zu konzentrieren, die – nach eigener Auffassung – wichtig, also relevant, für den Adressaten sind.

  • Alle Rahmenwerke verpflichten das berichtende Unternehmen auf die Beachtung der finanziellen Wesentlichkeit (outside-in). Anzugeben sind somit die Informationen, die gemessen an der finanziellen Auswirkung die Entscheidung der Adressaten beeinflussen könn(t)en. Die Definition der Wesentlichkeit für das ISSB-Rahmenwerk folgt den Vorgaben der Finanzberichterstattung (IAS 8.5[1]). Für das Rahmenwerk der SEC ergibt sich die Wesentlichkeit aus der Definition der Wesentlichkeit in den bestehenden Wertpapiergesetzen und Präzedenzfällen des Obersten Gerichtshofs der USA. Für die quantitativen Angaben in den Fußnoten der Jahresabschlüsse ist eine 1 %-Schwelle vorgesehen.
  • Ausschl. die ESRS sehen darüber hinaus (zusätzlich) eine Verpflichtung zur Berücksichtigung der – im Einklang mit der Berichterstattung nach den GRI-Standards stehenden – Auswirkungswesentlichkeit vor (inside-out). Geboten ist die Offenlegung von Nachhaltigkeitsaspekten, die sich auf die tatsächlichen oder potenziellen, positiven oder negativen Auswirkungen eines Unternehmens auf die Menschen oder die Umwelt beziehen. Einige dieser Aspekte können auch von finanzieller Bedeutung sein.

Abb. 2: Konzept der doppelten Wesentlichkeit

Die Einführung eines quantitativen Schwellenwerts für die Bestimmung der Wesentlichkeit (etwa der diskutierte 1 %-Grenzwert der SEC) konterkariert die Bereitstellung von aussagekräftigen Informationen und lässt sich auch nur schlecht operationalisieren. Die Anwendung der traditionellen Konzepte der Wesentlichkeit stellt eine kohärente und konsistente Offenlegung von finanziellen und nichtfinanziellen Informationen sicher. Vorziehungswürdig ist daher eine Wesentlichkeitsbeurteilung, nach der ein Nachhaltigkeitsaspekt aus finanzieller Sicht wesentlich ist, wenn er wesentliche finanzielle Auswirkungen auslöst oder vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er solche auslöst.

 

Rz. 10

Jedes der Rahmenwerke verlangt von den berichtenden Unternehmen, dass sie Chancen und Risiken berücksichtigen, die kurz-, mittel- und langfristig auftreten können. Erforderlich ist somit eine Bewertung der Wesentlichkeit über diese Zeiträume. Während in den ESRS die maßgeblichen Zeithorizonte – unterschieden nach kurz-, mittel- und langfristig – je nach Angabepflicht variieren, es also keine einheitliche Definition gibt, enthalten sich die Regelwerke von ISSB und SEC (noch) einer Konkretisierung der für die Informationsbereitstellung zu unterscheidenden Zeiträume.

In allen Regelwerken fehlen aktuell noch zusätzliche Leitlinien zur Sicherstellung der Konsistenz und Kohärenz der Informationen. Zur...

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