Impact Festival 2024: Von Business as usual zum Business Case
Große Erwartungen, starke Partner:innen und ein vielfältiges Programm: Mit diesen Worten wurde das vierte Impact Festival dieses Jahr angekündigt. Am 30. und 31. Oktober war es dann soweit – erstmals in Frankfurt am Main – und es kamen über 4.000 Teilnehmende aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft in der Messe Frankfurt zusammen, um nachhaltige Innovationen und konkrete Lösungsansätze für die nachhaltige Transformation zu diskutieren.
Das Impact Festival, ein Projekt von neosfer – Frühphaseninvestor und Innovationseinheit der Commerzbank – versteht sich als der „zentrale Treffpunkt für Unternehmen und Investor:innen, die sich für die Zukunft der nachhaltigen Wirtschaft engagieren“ und als Europas größte B2B-Community für die nachhaltige Transformation.
1. Die Vision einer besseren Wirtschaft braucht neues Denken
„Business as usual is over“, betont Petra Justenhoven, Sprecherin der Geschäftsführung PwC Deutschland und Vorsitzende der Geschäftsführung PwC Europa, in der Opening Keynote des Festivals. In einem wirtschaftlichen Umfeld, in dem „nicht nur Deutschland den Druck spürt“, müssten sich Unternehmen Schritt für Schritt auf die kommenden Veränderungen vorbereiten, wenn sie nicht obsolet werden wollten. Jenseits der Transformation liege nämlich die Neuerfindung: „Wir sollten unsere bisherigen Modelle hinterfragen und neue einführen.“
So ähnlich sieht das der Zukunftsforscher Marc Buckley, der eingangs feststellt: „Wir alle haben sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, wie eine Welt aussieht, die für alle funktioniert.“ Den Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit sieht er in der Regeneration, die „nicht neu, kein Trend, sondern alt und der Ursprung des Lebens auf der Erde“ sei. Buckley fordert den Übergang vom Anthropozän zum Symbiozän, in dem die Menschheit symbiotisch mit der Umwelt lebt und auf Nachhaltigkeit und das Miteinander setzt. Neue ökologische und ökonomische Modelle verdrängen dann alte Ideen und: „Sie sind nicht greenwashable, sie arbeiten zusammen.“
Neue ökologische und ökonomische Modelle sind nicht greenwashable, sie arbeiten zusammen.
Marc Buckley, Zukunftsforscher
Ist Unternehmertum die ultimative Form des Aktivismus? Darüber sprach Alma Spribille, Geschäftsführerin des nachhaltigen Mobilfunkanbieters WEtell. Ihr Unternehmen habe sie gegründet, weil sie damit in den Bereichen Klimaschutz, Datenschutz und Transparenz einen größeren Hebel habe und mehr erreichen könne, als wenn sie lediglich demonstrieren ginge. Während WEtell seine Gewinne nicht privat ausschüttet, sondern in das Unternehmen reinvestiert oder gemeinnützig ausgibt, geht es Spribille um Enteignung, um Kooperation statt Konkurrenz und um Selbstwirksamkeit: „Noch nie habe ich mich so selbstwirksam gefühlt wie in diesem Unternehmen.“
2. Nachhaltigkeit bedeutet Veränderung auf allen Ebenen
„Den wirtschaftlichen Schub durch die Digitalisierung haben wir in Deutschland verpasst. Nun auch die KI-Transformation zu überspringen, können wir uns nicht leisten“ meint der Autor und Journalist Sascha Lobo in seiner Keynote über das Potenzial der Künstlichen Intelligenz. Eigentlich sei KI nämlich „der beste Weg, um Nachhaltigkeit in alle Ecken, in alle Bereiche zu bringen.“ Zum einen müsse diese KI-Transformation „herbeiinvestiert“ werden, aber es gehe auch um eine diametrale Veränderung der Arbeitskultur: „Wir müssen lernen, uns voranzuscheitern.“
Eigentlich ist KI der beste Weg, um Nachhaltigkeit in alle Ecken, in alle Bereiche zu bringen.
Sascha Lobo, Autor und Journalist
Veränderungen in der Arbeitswelt thematisierte auch Kaweh Mansoori, Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum. Zwar fehle es oft an Zuversicht, aber schon lange verändern sich Arbeitsweisen für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft. Der Fachkräftemangel beginne schon bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf: „Wenn wir etwa das Thema Pflege nicht in den Griff kriegen, werden viele Menschen bald kürzertreten müssen.“ Auf dem Arbeitsmarkt brauchten junge Menschen eine zweite Chance: „Wir können es uns nicht leisten, wenn manche Schüler:innen keinen Abschluss haben.“ Nicht zuletzt sieht Mansoori bei deutschen Unternehmen große Mühen, um qualifizierte Bewerber:innen aus dem Ausland zu finden: „Viele Unternehmen sind besser als der Staat, schnell anzuerkennen, ob jemand etwas kann oder nicht.“
Einen bemerkenswerten Auftritt legte Hans-Dietrich Reckhaus, Gründer und CEO von Dr. Reckhaus, hin. Sein Unternehmen stellte seit jeher Lösungen zur Insektenbekämpfung her. Im Gespräch mit Anne-Kathrin Vorwald vom B.A.U.M. e.V. schilderte er seinen Wandel „vom Insektenvernichter zum Insektenretter“. Angefangen mit einer harmlosen Kunstaktion stellte Reckhaus sein Unternehmen auf den Kopf: Klimaneutrale Tötungsfallen, der Bau insektenfreundlicher Lebensräume, Warnhinweise auf Produkten mit Infos zum Artensterben. Nicht zuletzt will Reckhaus, dass Insekten gar nicht erst ins Haus gelangen, was „ohnehin viel besser für die Tiere“ sei.
Die Mitarbeitenden dürfen keine Ausrede sein.
Hans-Dietrich Reckhaus, Gründer & CEO von Dr. Reckhaus
„Früher ein destruktiver Kaufmann, heute ein freudestrahlender Unternehmer“, spricht Reckhaus heute mit Biolog:innen und – nicht wie die Konkurrenz – über Arten und ihren Erhalt anstatt über Schädlinge und Krankheiten. Die Widerstände seien groß gewesen, ebenso die Sorgen der Belegschaft angesichts sinkender Umsätze, erzählt er: „Die Mitarbeitenden dürfen jedoch keine Ausrede sein.“ Dann kamen allerdings die ersten Auszeichnungen und Großkund:innen, die Interesse am neuen Ansatz zeigten. Reckhaus sieht sich dadurch bestätigt: Der Shift wird kommen, früher oder später.
3. Nachhaltigkeit: Business Case und Herausforderung
Gleich mehrmals war beim diesjährigen Impact Festival ein Satz zu hören: „Nachhaltigkeit ist ein Business Case.“ So etwa bei der Podiumsdiskussion „Nachhaltigkeit im Mittelstand – zwischen Innovationsgeist und Regulatorik“, als Maria Dobritzsch, Global CSR Manager der Lapp Holding SE, die nachhaltigen Maßnahmen ihrem Unternehmen vorstellte. Und auch Carl-Luis Rieger, Managing Director bei WEPA Ventures: „Nachhaltigkeit ist eine Business Opportunity, die erst einmal nach außen gerichtet ist.“ Sein Unternehmen wolle wegkommen von der ESG-Compliance, hin zu einer relevanten ESG-Execution-Perspektive.
Wir müssen bei allem, was wir auf den Weg bringen, die soziale Dimension immer mitdenken.
Prof. Dr. Dirk Messner, Präsident Umweltbundesamt
Über das politische und gesellschaftliche Spannungsfeld zwischen Klima und Demokratie sprachen Jeannette Gusko, CEO von Correctiv, Dr. Katharina Reuter, CEO des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft BNW, Prof. Dr. Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes, sowie Daryah Sotoodeh, Sprecherin von Fridays for Future. Eine starke Verantwortung zur Aufklärung sieht Gusko bei Unternehmen – mit Ressourcen, Wissen und Umsetzungskompetenzen. Nicht zuletzt gelte es nun, Konversationen zu fördern, Filterblasen zu überwinden und Gefühle ernstzunehmen. Und sie will das Verständnis fördern, dass (!) Nachhaltigkeit ein Business Case ist.
Wenn der EU-Emissionshandel ab 2027 auf weitere Sektoren ausgeweitet wird, betreffe er alle Bürger:innen direkt, meint Dirk Messner und fordert: „Wir müssen bei allem, was wir auf den Weg bringen, die soziale Dimension immer mitdenken. Sonst funktioniert das nicht.“ Es sei an der Zeit, neue Bündnisse zu schmieden, um eine kritische Masse zu erreichen. Dem schließt sich Katharina Reuter an: „Wenn wir einen Emissionshandel nicht vorher sozial abgesichert haben, fällt uns das auf die Füße, zum Beispiel, wenn die Spritpreise steigen.“ Auch sie plädiert für andere Allianzen. „Wir müssen das alles sozialgerecht tun und soziale Krisen mitdenken“ sagt Daryah Sotoodeh. Aktuelle Themen wie Klimaschutz und Krieg dürften aber nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Kein Unternehmen ist zu 100 Prozent nachhaltig.
Nuvia Maslo, CCO von VERSO
Wie können Unternehmen ehrlich über Nachhaltigkeit kommunizieren? Darum ging es in einem Panel über die Kunst der grünen Kommunikation. „Kein Unternehmen ist zu 100 Prozent nachhaltig“ mahnt Nuvia Maslo, CCO von VERSO. Viel wichtiger sei es, ehrlich zu sagen, dass man erst losgeht und noch nicht da ist, und genügend Daten über die eigene Nachhaltigkeit bereitzustellen. Rafael Rybandt, Brandlead bei foodforplanet, meint: „Ein positiver Footprint ist für uns noch kein Verkaufsargument, weil die Menschen das noch nicht verstehen.“ Er wünscht sich von Kommunikationsabteilungen bessere Wortschöpfungen, „nicht das immer wiederkehrende Grün“.
4. Viele Bühnen, mehr Formate, noch mehr Gespräche
All eyes on the big stage: Auf der Transformation Stage und der Impact Stage fand in diesem Jahr das Hauptprogramm mit Keynotes, Interviews und Podiumsdiskussionen statt. Währenddessen konnten auf der Solution Stage im Ausstellungsbereich – im Stile eines Marktplatzes – zahlreiche Unternehmen ihre nachhaltigen Lösungen, Software und Beratungsangebote vorstellen. Am Ende des ersten Tages wurde noch der Impact Award verliehen. Von insgesamt drei Final-Start-ups setzte sich Alganize gegen Polybion und Tilt durch: Das Biotech-Start-up will das Bodenleben mithilfe von Mikroalgen anregen.
Exklusiver war es auf der Investorenkonferenz am 31. Oktober: Sie richtete sich an führende VCs, Business Angels, Family Offices und Limited Partners. Der StartHub Hessen und das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum unterstützten die Konferenz, in der sich alles um zukunftsweisende Themen wie „The State of the Impact Market“ und „Natural Capital and Biodiversity“ drehte.
Über 1.100 Teilnehmende besuchten die 33 Masterclasses und Deep Dives, um praxisnahe Insights von Branchenführer:innen und Innovator:innen zu gewinnen. Die Enkelfähig-Bühne, die allein knapp 700 Teilnehmende anzog, widmete sich speziell der Frage, wie Nachhaltigkeit zur Management-Routine der Zukunft werden kann. Großen Wert legten die Veranstalter:innen auch darauf, vielfältige Möglichkeiten zum Netzwerken zu schaffen. Neben Matchmaking-Tischen, einem Netzwerkraum sowie konkreten Formaten zum Knüpfen von Kontakten, gab es auch Programmpunkte wie das Abendevent „Impact by Night“, ein exklusives Investor Dinner oder den B Corp Stammtisch.
Fazit: Die nachhaltige Transformation schreitet voran, das Impact Festival wächst mit
Die Projektleiterinnen des Festivals, Mara Steinbrenner und Linda Köpper, zeigen sich zufrieden mit dem Event: „Mit neuen Formaten wie Talkaoke und der großen Resonanz auf unsere Podiumsdiskussionen und Masterclasses konnten wir unsere Vision, eine Plattform für nachhaltige Transformation zu bieten, erfolgreich umsetzen. Die Zahl an Besucher:innen und das Engagement unserer Partner und Teilnehmenden bestätigen uns darin, dass die erfolgreiche Transformation unserer Wirtschaft nur auf diesem Weg gelingen kann - mit vereinten Kräften, viel Austausch und starken Innovationen.“
Die erfolgreiche Transformation unserer Wirtschaft kann nur auf diesem Weg gelingen - mit vereinten Kräften, viel Austausch und starken Innovationen.
Mara Steinbrenner & Linda Köpper, Impact Festival
Der Umzug des Impact Festivals von Offenbach in die Messe Frankfurt ist ein Zeichen für das Wachstum des Events: Die Community ist größer, die Namen der Gäste bekannter, das Auftreten des Events ambitionierter und mehr „business-like“ geworden. Die neue Location verdeutlicht den Anspruch einer ernsthaften, internationalen Businessplattform. Seinem Anliegen – einen Meilenstein für nachhaltige Transformation zu setzen – wird das Impact Festival damit mehr als gerecht.
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