Stimmung auf dem Software-Markt

Der Omnibus kommt: Was sagen Software-Anbieter?


Der Omnibus kommt: Was sagen Software-Anbieter?

Erst überbordende Bürokratie, jetzt der vollständige Roll-Back? Die Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung sollen massiv vereinfacht und die Anzahl der berichtspflichtigen Unternehmen stark reduziert werden. Viele Unternehmen würde dies spürbar entlasten. Aber was bedeutet das für Anbieter von Nachhaltigkeitssoftware? Wir haben uns umgehört.

Die EU-Kommission will den Bürokratieaufwand für Unternehmen, insbesondere für den Mittelstand, drastisch reduzieren und hat daher unter anderem eine drastische Vereinfachung der Vorschriften für Nachhaltigkeitsberichterstattung angekündigt. Am 26. Februar stellte sie ein erstes so genanntes Omnibus-Paket vor, das es in sich hat: Rund 80 Prozent der Unternehmen müssen künftig keine Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) vornehmen. 

Die Pflichten werden auf die größten Unternehmen konzentriert, da ihre Tätigkeiten aus Sicht der Kommission vermutlich die größten Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben werden. Die CSRD-Berichtspflichten sollen dem Vorschlag zur Folge nur noch für große Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern gelten, die entweder einen Umsatz von mehr als 50 Millionen Euro oder eine Bilanzsumme größer als 25 Millionen Euro erzielen. 

Außerdem werden die Berichtspflichten für Unternehmen, die derzeit unter das CSRD fallen und ab 2026 oder 2027 Bericht erstatten müssen, um zwei Jahre (bis 2028) verschoben. Auch die Anzahl der Datenpunkte in den Europäischen Standards für Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) soll erheblich reduziert werden. Nicht zuletzt werden die Berichtspflichten im Rahmen der EU-Taxonomie verringert und ebenfalls auf die größten Unternehmen beschränkt. Nicht nur auf die betroffenen Unternehmen, sondern auch auf die Anbieter von Nachhaltigkeitssoftware kommen damit nun Veränderungen zu.

IntegrityNext: Nachhaltigkeit bleibt ein geschäftskritisches Thema

Bei IntegrityNext sieht man der Entwicklung gelassen entgegen. Das Unternehmen ist auf digitale Lösungen spezialisiert, mit denen Unternehmen die Nachhaltigkeitsanforderungen entlang ihrer gesamten Lieferkette erfüllen können. „Die Verschiebung der Berichtspflichten durch die Omnibus-Initiative mag kurzfristig für einige Unternehmen eine Erleichterung darstellen, ändert aber nichts an der grundlegenden Richtung: Nachhaltigkeit bleibt ein geschäftskritisches Thema“, sagt Nick Heine, Co-Founder und Chief Customer Officer, IntegrityNext. Unternehmen, die das erkannt haben, werden seiner Einschätzung zufolge diese zusätzliche Zeit nutzen, um ihre Prozesse weiter zu optimieren und sich frühzeitig auf die Anforderungen vorzubereiten – denn die Erwartungen von Kunden, Investoren und Partnern bleiben hoch. 

Digitale Lösungen wie die seiner Firma sieht Heine in der Funktion, Unternehmen dabei zu unterstützen, sich vorausschauend auf regulatorische Entwicklungen einzustellen, Risiken zu minimieren und ihre Nachhaltigkeitsstrategie konsequent weiterzuentwickeln. „Unsere Plattform ermöglicht es Unternehmen, sich nicht nur auf die Pflicht, sondern auch auf den geschäftlichen Mehrwert von Nachhaltigkeit zu konzentrieren“, betont Heine. Dass Kunden sich aus Nachhaltigkeitsprozessen zurückziehen, kann er nicht beobachten. „Im Gegenteil, viele nutzen die Zeit, um noch tiefere Einblicke in ihre Lieferketten zu gewinnen.“

Verso: Die Software anpassen, so wie seit zehn Jahren schon

Ähnlich sieht es auch Nuvia Maslo, Chief Marketing Officer (CMO) von Verso und Gründerin der Verso Academy: „Egal, was bei Omnibus am Ende herauskommt, eine Entschlackung der betroffenen Nachhaltigkeitsrichtlinien heißt nicht, dass die betroffenen Unternehmen ihre Bemühungen einstellen und keine Unterstützung mehr benötigen. Im Gegenteil: Aktuelle Umfragen zeigen, dass die eindeutige Mehrheit der Unternehmen gleich viel oder mehr in Nachhaltigkeit investieren will.“

Im Gegensatz zu anderen Lösungen, die auf Regulatorik oder Reporting beschränkt sind, bietet Verso eine Vielzahl an Lösungen an: Von der Lieferkettentransparenz über Treibhausgasbilanzierung, Nachhaltigkeitsmanagement sowie Strategieentwicklung für Nachhaltigkeit bis hin zum Nachhaltigkeits-Know-how ist man breit aufgestellt. „Abgesehen davon, dass viele Unternehmen freiwillig weitermachen mit ihrer Berichterstattung, gibt es allein in Europa rund 100 ESG-bezogene Regularien, die nicht von Omnibus betroffen sind“, gibt sich die Expertin optimistisch. 

Nichtsdestotrotz ist man auch auf Anpassungen vorbereitet: „Wenn sich Regulatorik oder Standards verändern, werden wir bei unserer Software entsprechend adaptieren – so wie die letzten zehn Jahre auch schon. Und das geht bei uns in der Regel schnell“, sagt Maslo. Man werde Module anpassen oder austauschen, sodass der Kunde je nach Bedarf entweder nur die minimalen regulatorischen Anforderungen erfüllt oder mehr in das Nachhaltigkeitsreporting und –management investiert, um beispielsweise Daten für Kunden oder Finanzinstitute zur Hand zu haben, erläutert Maslo das weitere Vorgehen des Unternehmens. 

„Auch bevor feststeht, was sich ändert, werden wir innerhalb der nächsten Tage den aktuellen Entwurf des VSME-Standards als weitere alternative Option abbilden“, kündigt Maslo an. Andere Standards wie den internationalen Standard der Global Reporting Initiative (GRI) oder den Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) hat der Anbieter bereits seit langer Zeit implementiert. 

Leadity: Stärkere Nachfrage bei operations-orientierten Produkten

Auch bei Leadity, einem Anbieter von Nachhaltigkeitssoftware für den Mittelstand, ist man optimistisch. Viele Kunden des Anbieters könnten durch Omnibus nun von unverhältnismäßigen Reportingpflichten entlastet werden. „Das Thema Nachhaltigkeit und die Stakeholder-Anforderungen – sei es ESG-Ratings, Lieferantenfragebögen, Ausschreibungen, Klimabilanz – bleiben“, sagt Leadity Geschäftsführer Christian Holländer. Auch den Kerngedanken der CSRD – die Harmonisierung von Standards – unterstützt der Softwareanbieter und viele seiner Kunden weiterhin. 

Das Kernprodukt von Leadity, die Nachhaltigkeitsmanagement-Software, bündelt Anforderungen für Unternehmen in einer „single-source-of-truth“, um daraus verschiedene Stakeholder-Anforderungen zu bedienen. „Viele unserer Kunden positionieren sich mit ihrer Nachhaltigkeitsstrategie und sehen Omnibus als Chance, unverhältnismäßigen Reporting-Aufwand zu reduzieren, aber mit einer bleibenden Orientierung an CSRD / VSME für wesentliche Themen im Reporting glaubwürdig Wettbewerbsvorteile zu erzielen und den Reporting-Aufwand dauerhaft zu reduzieren“, sagt Holländer, der davon ausgeht, dass Unternehmen frei werdende Reporting-Ressourcen jetzt wieder stärker für das Handeln und die Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsstrategie nutzen. 

Eine stärkere Nachfrage erwartet Holländer in den nächsten Monaten bei den operations-orientierten Produkten seines Unternehmens wie dem Dekarbonisierungs-Tool, dem Nachhaltigkeitsmanagement-Modul und den freiwilligen Reporting-Möglichkeiten wie VSME, ESG-Ratings und Co.

Osapiens: Flexible Anpassungen dank modularem Aufbau

Für Anbieter von Nachhaltigkeitssoftware sind sich ändernde Regularien und damit verbundene Anpassungen der Softwarefunktionen im Grunde nichts Neues. Auch Osapiens passt seine Lösungen sehr flexibel an bestehende Regulatorik an. 

Der Omnibus-Vorschlag der EU-Kommission muss im nächsten Schritt vom Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union angenommen werden. Osapiens CEO Alberto Zamora geht davon aus, dass es im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens noch Änderungen geben wird: „Sobald diese feststehen, werden wir die erforderlichen Anpassungen schnell umsetzen.“ Als Anbieter einer ganzheitlichen ESG-Plattform bietet das Unternehmen Lösungen für Compliance, Transparenz und Automatisierung an. Dazu gehören neben ESG-Reporting und Due Diligence (inklusive EUDR) auch die Bereiche Product Compliance, Tracebility, Carbon Footprint und Operations Efficiency. Darum ist der Anbieter nicht stark von Anpassungen einzelner ESG-Regulierungen betroffen. Nicht zuletzt ermöglicht laut Zamora der modular aufgebaute Osapiens HUB eine schnelle und flexible Integration neuer Lösungen, Features und Anpassungen aufgrund regulatorischer Änderungen. 

Laut Zamora lassen sich die erforderlichen Anpassungen jedoch noch nicht exakt definieren: „Wir gehen aber davon aus, dass keine umfassenden Anpassungen erforderlich sein werden, denn die vorgeschlagenen Änderungen der Omnibus-Initiative beziehen sich in erster Linie auf Schwellenwerte und Fristen für betroffene Unternehmen. Anpassungen zum Beispiel in Bezug auf die Datenerhebung und die Erfassung von Lieferantendaten werden wir sehr schnell umsetzen können.“

Envoria: Anpassungen keine Hürde, sondern Teil der strategischen Ausrichtung 

„Wir sind über den Omnibus-Vorschlag nicht überrascht, lediglich über seine Ausmaße“, sagt Julian Göbel, Chief Sustainability Manager und Managing Director von Envoria. Seit Monaten hat man bei dem Softwareanbieter für ESG und Finanzreporting verschiedene Szenarien analysiert. „Nun tritt leider einer der Worst Cases ein. Doch auch darauf sind wir vorbereitet“, sagt Göbel. Die potenzielle Reduzierung der berichtspflichtigen Unternehmen verändert den Markt, bringt aber aus Sicht des Experten auch neue Chancen. 

Viele Unternehmen haben Nachhaltigkeit längst als strategisches Ziel verankert – unabhängig von regulatorischen Vorgaben. Denn Markt- und Stakeholder-Anforderungen sorgen dafür, dass sich auch Unternehmen unterhalb der neuen Schwellenwerte weiterhin mit der CSRD, der EU-Taxonomie und nachhaltigen Lieferketten befassen müssen. „Unser Fokus bei Envoria lag schon immer auf großen Unternehmen – damit bleiben wir gut aufgestellt und erwarten keine gravierenden Einschnitte“, sagt Göbel. Allerdings werde der Wettbewerb um diese Zielgruppe zunehmen. „Anbieter, die sich bisher ausschließlich auf KMU konzentriert haben, dürften es nun schwerer am Markt haben“, prognostiziert Göbel. 

Die Software des Anbieters ist per se darauf ausgelegt, flexibel auf regulatorische Änderungen zu reagieren. Laut Göbel habe man die Entwicklungen rund um die Omnibus-Initiative frühzeitig verfolgt und entsprechende Weichen gestellt. Neben der ESRS-Abbildung wurde auch der VSME Standard bereits in die Software integriert. Anpassungen wie reduzierte Datenpunkte könne man kurzfristig umsetzen, ohne dass Unternehmen ihre Prozesse umstellen müssen. „Anpassungen sind bei uns keine Hürde, sondern Teil unserer strategischen Ausrichtung“, so Göbel.

Waves: Nicht nur Berichterstattung, sondern echtes Nachhaltigkeitsmanagement gefragt

Insgesamt zeigt das Stimmungsbild, dass die Software-Branche den neuen Berichtspflicht-Vereinfachungen der EU-Kommission aufgeschlossen gegenübersteht. Ein Grund dafür ist, dass sich die Anbieter mit ihren Lösungen nicht ausschließlich auf das CSRD-Reporting konzentrieren, sondern aufgrund der komplexen Anforderungen rund um das Thema Nachhaltigkeit meist breiter aufgestellt sind. Entsprechend gibt es kein Schwarz oder Weiß. 

Die Frage, ob das angekündigte Omnibus-Paket der EU-Kommission nun gut oder schlecht für das Geschäft ist, beantwortet Armin Neises, CEO von Waves, für sein Unternehmen daher so: „Beides, denn das Gute daran ist, dass intensiv über die Nachhaltigkeit diskutiert wird. Das Schlechte ist, dass die Führungskräfte in den Unternehmen verunsichert werden.“ Viele Kunden des Anbieters hätten erkannt, dass es nicht nur um eine Nachhaltigkeitsberichterstattung geht, so wie es in der CSRD vorgegeben wird.

„Es geht vielmehr um ein echtes Nachhaltigkeitsmanagement, um der eigenen unternehmerischen Verantwortung gerecht zu werden. Und dazu gehört die durch Nachhaltigkeitssoftware erzeugte Transparenz als wesentlicher erster Schritt dazu“, sagt Neises. Die Aufgabe der Sustainability Management Plattform des Unternehmens ist es, die notwendigen Nachhaltigkeits-Indikatoren korrekt und effizient zu berechnen und Kunden zu helfen, die gesetzlichen Vorgaben zur Berichtspflicht rechtssicher zu erfüllen.

Und auch Neises geht davon aus, dass am jetzigen Vorschlag der EU-Kommission noch Anpassungen vorgenommen werden, schließlich müssen EU-Rat und EU-Parlament dem Vorschlag noch zustimmen. „Unsere Systeme sind so aufgebaut, dass wir die jeweilige Gesetzgebung, wenn sie endgültig verabschiedet ist, schnell einpflegen und unseren Kunden zur Verfügung stellen können“, sagt Neises. Sein Tipp an alle verantwortlich handelnden Führungskräfte in den Unternehmen lautet: „Gehen Sie den Weg des Nachhaltigkeitsmanagements kontinuierlich weiter und passen Sie die Berichterstattung dann an, wenn die angepassten Gesetze in Kraft getreten sind, denn solang gelten die bisherigen Vorgaben!“


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