Holprige Zeiten für das Klima – das war 2025
Für Deutschland und die EU war 2025 im Nachhaltigkeitskontext vor allem das Jahr der Nachjustierung der Berichts‑ und Sorgfaltspflichten: Ziele und Rahmen blieben ambitioniert, gleichzeitig wurden die Anforderungen abgesenkt und zeitlich gestreckt. Besonders sichtbar wurde dies an den Omnibus‑Paketen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und Sorgfaltspflichten, die Fristen verschoben, Anwendungsbereiche verengten und Unternehmen entlasteten.
Paukenschlag im Februar
Ende Februar 2025 legte die EU‑Kommission mit dem sogenannten Omnibus‑I‑Paket einen Vorschlag zur Vereinfachung von CSRD, CSDDD und EU‑Taxonomie vor, der unter anderem eine „Stop‑the‑clock“-Regel für die zeitliche Verschiebung für einzelne Berichts- und Sorgfaltspflichten vorsah.
Rat und Parlament stimmten im April 2025 dieser Regel zu, die Berichterstattungspflichten nach CSRD für große Unternehmen, die die Berichterstattung noch nicht aufgenommen hatten, sowie für börsennotierte KMU, um zwei Jahre zu verschieben. Auch die Sorgfaltspflichten nach der CSDDD wurden zeitlich gestreckt. Hinzukommt, dass Deutschland die ursprüngliche Umsetzungsfrist für die CSRD verfehlte. Bereits im September 2024 hatte die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.
Pragmatismus im September
Im September 2025 verabschiedete die Bundesregierung einen überarbeiteten Entwurf eines bereits 2024 gefassten Kabinettsbeschlusses. Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung befindet sich derzeit im parlamentarischen Verfahren und muss noch vom Bundestag verabschiedet werden.
Darüber hinaus hält die Bundesregierung weitere Erleichterungen und Vereinfachungen der Richtlinie für dringend notwendig. Wird die CSRD-Richtlinie entsprechend dem Vorschlag der EU-Kommission eingeschränkt, werden in Deutschland künftig nur noch bis zu 3.900 Unternehmen erfasst. Der jährliche Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft würde sich damit auf etwa ein Viertel des ursprünglich geplanten reduzieren.
Politisches Statement im November
Im November 2025 hat das EU‑Parlament dann eine weitreichende Omnibus‑Verhandlungsposition vorgelegt, wonach künftig nur große Unternehmen mit durchschnittlich über 1.750 Beschäftigten und einem Jahresnettoumsatz von mehr als 450 Millionen Euro zur sozialen und ökologischen Berichterstattung verpflichtet werden sollten – was die Anzahl der berichtspflichtigen Unternehmen nochmals senken würde. Ziel war es, die Gesetzgebung bis Ende 2025 abzuschließen.
Einigung im Dezember
Im Dezember schließlich einigten sich EU-Parlament und der Rat der Europäischen Union auf einen Deal zum Omnibus-I-Paket. Dieser enthält abermals angepasste Schwellenwerte für die CSRD: Nun soll diese für Unternehmen mit über 1.000 Beschäftigten gelten. Die vom Parlament geforderte Umsatzschwelle von 450 Millionen Euro bleibt.
Auch der Kreis jener Unternehmen, die durch die CSDDD dazu verpflichtet werden, ihre Lieferketten risikobasiert zu analysieren, schrumpft zusammen: Nur noch große Unternehmen mit über 5.000 Beschäftigten und einem jährlichen Nettoumsatz von über 1,5 Milliarden Euro sind betroffen.
2025 – das war Gegenwind für die Branche
„Wenn wir ehrlich sind, war 2025 nicht das Jahr, in dem Nachhaltigkeit mit Rückenwind durch die Wirtschaft gepflügt ist. Eher wie mit dem Lastenrad gegen Sturm und Hagel“, sagt Jean-Paul Laue, Co-Founder klima&so, einem Berliner Dienstleister, der darauf spezialisiert ist, die CO₂-Emissionen von Social-Media-Aktivitäten zu messen, zu reduzieren und zu kompensieren. „Events und Awards wie der Marketing for Future Award, DNP, Bock auf Morgen!, aber auch die VideoDays und 9:16-Awards zeigen: Nachhaltigkeit ist nicht weg. Sie ist nur weniger… Instagrammable geworden“, sagt Laue. „Aber die Szene bleibt dran, intrinsisch motiviert, überzeugt, und ehrlich gesagt auch ziemlich hartnäckig. Das macht mir Hoffnung.“
„Verzögerungen treffen vor allem die, die sich vorbereitet haben“
Das Hin und Her des EU-Gesetzgebers rund um die Nachhaltigkeitsberichterstattung sieht Laue kritisch. Das Absurde daran sei, dass die lautesten Gegenstimmen nicht von den Unternehmen kamen, die es wirklich zuerst getroffen hätte. „Die ganz Großen haben längst interne Kapazitäten aufgebaut, Probeläufe gefahren, Strukturen geschaffen. Die Verzögerungen und Aufweichungen treffen jetzt vor allem die Firmen, die sich vorbereitet haben“, sagt Laue. Das echte Problem ist aus seiner Sicht aber nicht Regulierung an sich. Das Problem sei die Unklarheit. „Wenn du Anforderungen erst einführst, dann zurücknimmst, dann wieder neu verhandelst, dann wieder relativierst, dann weiß irgendwann kein einziger Marktteilnehmer mehr, was er wann in welcher Form liefern muss. Und Unsicherheit ist der größte Wirtschaftskiller, den wir haben“, so Laue.
„Ein Rückschritt in Sachen Transparenz und Vergleichbarkeit“
Der Salto-Rückwärts der Politik hat für Unternehmen bereits jetzt Folgen. Insbesondere CSR-Manager stehen vor Herausforderungen. Für Leo Stein beispielsweise, Nachhaltigkeitsmanager von Jean Müller war das Hin und Her des EU-Gesetzgebers ein großes Ärgernis, „weil man schlichtweg nicht vernünftig planen konnte.“ Da die CSRD bereits deutlich vereinfacht wurde, sind die Auswirkungen für Jean Müller schon spürbar: Das Unternehmen fällt nicht mehr unter den Anwendungsbereich und berichtet daher 2026 über das Geschäftsjahr gemäß dem VSME. Für Steins Tätigkeit bedeutet dies insbesondere, dass das Projekt „Nachhaltigkeitsberichterstattung“ etwas kleiner ausfällt, und der Nachhaltigkeitsexperte sich auf die wesentlichsten Themen fokussieren kann und mehr Zeit für andere wichtige Projekte wie den PCF (Product Carbon Footprint) bleibt. „Für Nachhaltigkeit insgesamt bedeutet der aktuelle Stand der CSRD aber natürlich eher einen Rückschritt in Sachen Transparenz und Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitsinformationen“, sagt Stein. Positiv aufgefallen sei ihm, dass viele Unternehmen trotz der schwierigen regulativen Umstände mit ihren Nachhaltigkeitsthemen weiter gemacht haben.
„Nachhaltigkeit ist kein europäisches Sonderthema“
Beim ESG-Software-Anbieter Verso blickt man trotz der Widrigkeiten optimistisch in die Zukunft. „Unsere Arbeit beginnt dort, wo unsere Kunden stehen. Seit 15 Jahren unterstützen wir Unternehmen dabei, auf Basis belastbarer Nachhaltigkeitsdaten bessere Geschäftsentscheidungen zu treffen. Genau diese Fähigkeit bleibt ein strategischer Vorteil – unabhängig vom politischen Auf und Ab“, sagt VERSO Co-Founder Andreas Maslo. Allerdings habe das regulatorische Tauziehen viele Unternehmen in den Wartemodus gezwungen. „Doch die Debatte blendet einen wesentlichen Punkt aus: Während Europa über Bürokratie diskutiert, ziehen global längst weitere Märkte nach“, betont Maslo und verweist auf weltweite Entwicklungen von China (CSDS1) über die Türkei (TSRS) bis zu den UAE (SCA-ESG-Standards) und Kanada (CSDS2). „Wer heute auf Rechtssicherheit wartet, wird morgen im internationalen Wettbewerb überrascht. Nachhaltigkeit ist kein europäisches Sonderthema, sondern ein weltweiter Standard in Entwicklung“, so Maslo.
Besonders betroffen sind Nachhaltigkeitsmanager:innen
Die veränderten Rahmenbedingungen im Bereich Nachhaltigkeit betreffen nicht nur Unternehmen, sondern sind auch für Nachhaltigkeitsmanager herausfordernd. „Das ständige Hin und Her auf EU- und nationaler Ebene führt zu erheblicher Unsicherheit in den Unternehmen. Planungssicherheit und Vertrauen in politische Prozesse werden dadurch beeinträchtigt. Das ist ein Punkt, den wir als Berufsverband gemäß unseren satzungsgemäßen Aufgaben deutlich adressieren“, sagt Ines Knecht, Vorstandsvorsitzende des Verbands der CSR-Manager:innen. Besonders betroffen seien Nachhaltigkeitsmanager:innen: „Nach den politischen Diskussionen rund um den EU-Omnibus haben viele ihre Position verloren. Das ist bedauerlich. Denn gerade jetzt brauchen wir gut ausgebildete Fachkräfte, um Transformationsprozesse professionell zu gestalten.“ Die Unklarheit führe außerdem dazu, dass Unternehmen häufig eine abwartende Haltung einnehmen. „Wird eine Regulierung dann doch umgesetzt, entsteht plötzlich Zeitdruck, wie wir es bei der EUDR oder der EmpCo-Verordnung sehen.“ Der Expertin zufolge wäre Verlässlichkeit daher der wichtigste Schritt, um Unternehmen und Fachkräften Orientierung zu geben.
Nach Einschätzung von Laue hat das aktuelle Hin-und-Her der Politik noch einen weiteren, schwerwiegenden Effekt: „Wir verlieren erneut Zeit, Orientierung und Verbindlichkeit – bei einem Thema, bei dem die Uhr sowieso schon gegen uns tickt. Verzögerung ist das Einzige, was wir uns beim Klima nicht mehr leisten können.“
-
Die wichtigsten Sustainability-Events 2025
90
-
Das Zeitalter des Green-Cashing bricht an
28
-
Ankündigung Sustainable Economy Summit 2026
20
-
VSME: Ohne Wesentlichkeitsanalyse leidet die Vergleichbarkeit
14
-
Zwischen zwei Welten: ESG-Backlash in den USA
14
-
Omnibus I ist kein ESG-Befreiungsschlag für den Mittelstand
13
-
Das große Tauziehen: Wer prüft den Nachhaltigkeitsbericht?
10
-
Zwischen Sehnsucht und Systemwandel: Sinus-Studie
10
-
Corporate Political Responsibility: Die Verantwortung von Unternehmen in der politischen Arena
8
-
Trotz Wirtschaftskrise: 44 Prozent legen Wert auf nachhaltigen Konsum
8
-
Holprige Zeiten für das Klima – das war 2025
10.12.2025
-
Praxisnahe Nachhaltigkeit: Wie Firmen und Uni zusammenfinden
01.12.2025
-
Impact Festival 2025 verbreitet Zuversicht
28.11.2025
-
„Nachhaltigkeit darf keine Parallelstruktur sein“
18.11.2025
-
Omnibus I ist kein ESG-Befreiungsschlag für den Mittelstand
14.11.2025
-
Das Zeitalter des Green-Cashing bricht an
10.11.2025
-
Ein Zeitfenster für Vernunft: Mittelstand für starke Standards und pragmatische Umsetzung
30.10.2025
-
Forschung, die Reparieren attraktiv macht
21.10.2025
-
Ankündigung Sustainable Economy Summit 2026
15.10.2025
-
Im Innovationsnetzwerk die Zukunft erfinden
10.10.2025