Stimmen zu den Omnibusvorschlägen
Wie es mit dem Omnibus-Paket der EU-Kommission weitergeht, entscheiden das Europäische Parlament und die Mitgliedsstaaten. Es ist mit harten Verhandlungen darüber zu rechnen, in welchem Ausmaß es letztendlich wirklich Anpassungen an den Nachhaltigkeits-Regelwerken der EU geben wird. Wirtschaft und Verbände, aber auch Vertreter aus der Forschung haben sich direkt mit Empfehlungen, aber auch Forderungen zu Wort gemeldet.
Prof. Dr. Patrick Velte, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Accounting, Auditing und Corporate Governance, an der Leuphana Universität Lüneburg, sagt: „Die Omnibus-Pläne der EU-Kommission führen zu einer Aushöhlung der CSRD, CSDDD und Taxonomie-Verordnung und gefährden das Gelingen des Green Deal-Projekts und das Ziel der klimaneutralen Wirtschaft bis 2050. Für Ersteller, Prüfer, Kapitalgeber und andere Stakeholder ist ein höchstes Maß an Rechtsunsicherheit entstanden, welches mit einem massiven Reputationsproblem der EU-Kommission verbunden ist.“ Durch die Änderungsvorschläge mache sich die EU-Kommission auch in Bezug auf künftige Nachhaltigkeitsregulierungen unglaubwürdig, so Velte.
„Fatales Zeichen“ oder „echte Harmonisierung“?
Yvonne Zwick, Vorsitzende von BAUM e.V., sieht die Lage etwas entspannter und versucht zu beruhigen: „Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Die endgültige Entscheidung steht noch aus – die Befassungen im Europäischen Parlament und im Europäischen Rat folgen. Im Europäischen Parlament sitzen kluge Leute, die auch in den letzten Jahren ab und an für kluge Ergänzungen gesorgt haben. Im Europäischen Rat sitzen 20 Mitgliedstaaten, die die CSRD bereits umgesetzt haben. Was ist mit deren Kosten für eine wie auch immer geartete Neufassung der Gesetzesinitiative? Das werden noch lebhafte Diskussionen werden und ganz sicher kein Schnellschuss.“
Deutlich drastischer formuliert Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin des BNW: „Mit diesem Vorschlag werden die Kernelemente von CSRD und CSDDD zu verwässern versucht, bevor sie überhaupt umgesetzt werden konnten. Das ist ein fatales Zeichen für die verantwortungsbewusst wirtschaftenden Unternehmen und die europäische Nachhaltigkeitsstrategie“. Der Verband betont, die Kehrtwende bedrohe die Glaubwürdigkeit Europas als globaler Vorreiter in Sachen (nachhaltiger) Wirtschaftspolitik, die EU drohe nun, hinter andere Wirtschaftsräume zurückzufallen.
Martin Kroell, Mittelstandsbeauftragter des Bundesverbands der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie, fordert dahingegen weitere Vereinfachungen. Er sagt: „Es ist gut, dass die Kommission insbesondere den Mittelstand entlasten will. Aber es hilft nicht, die überbordenden Berichtspflichten nur zeitlich zu verschieben – das Problem bleibt. Zumal KMU weiterhin alle Bürokratie des Lieferkettengesetzes auferlegt bekommen, wenn sie große Unternehmen direkt beliefern. Auch bleibt es dabei, dass wir die gleichen Daten an mehrere Stellen berichten müssen: Wir brauchen eine echte Harmonisierung aller Berichtspflichten auf europäischer und nationaler Ebene, um Doppelbelastungen endlich zu vermeiden“
„Das erste Omnibus-Paket zum Bürokratieabbau ist ein Hoffnungsschimmer für unsere Wirtschaft, aber nicht mehr“, sagt Helena Melnikov. Die Hauptgeschäftsführerin der Deutschen Industrie und Handelskammer (DIHK) fordert: „Unternehmen brauchen dringend weniger Bürokratie, klarere Regeln und eine praxisnahe Ausrichtung der Vorgaben. Die Unternehmerinnen und Unternehmer sind bereit, Verantwortung zu übernehmen und die nachhaltige Transformation mitzugestalten. Doch es muss realistisch umsetzbar sein und darf die Innovationskraft der Wirtschaft nicht einschränken.“
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Wenig Bürokratie, trotzdem nachhaltig – Chancen der Omnibus-Initiative der EU Die EU-Kommission hat umfassende Vorschläge zur Verringerung der ESG-Berichtspflichten präsentiert. Diese beziehen sich insbes. auf die CSRD, die CSDDD und die Taxonomie-Verordnung. Das kostenlose Online-Seminar bietet umfassende Informationen zu:
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Sorge um Qualität von ESG-Daten
Levent Ergin, Chief Strategist für Klima, Nachhaltigkeit und GenAI beim Datenmanagement-Spezialisten Informatica sieht mögliche negative Folgen hauptsächlich in der Datenqualität. Er sagt: „Da kleinere Lieferanten nicht mehr verpflichtet sind, detaillierte Daten vorzulegen, könnte dies zu erheblichen Unstimmigkeiten in den von großen Unternehmen vorgelegten Berichten führen. Dies liegt daran, dass große Unternehmen möglicherweise Schwierigkeiten haben, wichtige Daten aus der Lieferkette für Scope-3-Emissionen zu beschaffen, was die Qualität, Genauigkeit und Transparenz der Daten beeinträchtigen könnte.“ Ergin befürchtet, durch drohende Datenlücken könnte der gesamte Rahmen der ökologischen und sozialen Unternehmensverantwortung infrage gestellt werden.
Maria Tymtsias, Mitgründerin des ESG-Weiterbildungsanbieters Palau Project, geht der Entwurf deutlich zu weit. Sie sagt, er bringe „Europa der Verwirklichung der EU-Vision des Grünen Deals keinen Schritt näher“. Laut einer Kurzumfrage unter mehr als 150 Unternehmen glauben 70 Prozent der Befragten nicht, die im Omnibus-Paket angekündigte Verschiebung der CSRD-Berichtspflicht könne innerhalb der nächsten fünf Monate umgesetzt werden – trotz „fast tracking“. Gleichzeitig beobachtet Tymtsias, dass viele Unternehmen schon jetzt ihr Tempo bei der CSRD-Umsetzung verlangsamen. „indem sie sich entweder auf strategische Elemente der ESRS konzentrieren, die VSME als alternatives Rahmenwerk analysieren oder die Berichterstattung nach den ESRS fortsetzen, jedoch mit deutlich reduziertem Umfang.“
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