Omnibus-Verordnung

Am 26. Februar veröffentlichte die EU-Kommission den mit Spannung erwarteten Entwurf für eine Omnibus-Verordnung zur Entbürokratisierung der Nachhaltigkeitsberichts- und Aufsichtspflichten für Unternehmen. Im Vorfeld kursierten bereits mehrere Dokumente zu den geplanten Änderungen – deren Inhalt wurde mehrheitlich bestätigt.

Bereits am vergangenen Wochenende wogten die Wellen in der Nachhaltigkeits-Community hoch, als mehrere Dokumente kursierten, die angeblich im Omnibus-Paket geplante Änderungen zeigen sollten. Der heute von der EU-Kommission offiziell veröffentlichte Entwurf für die Omnibus-Verordnung stimmt weitestgehend mit den zuvor durchgesickerten Dokumenten überein.

Der Gesetzesvorschlag soll eine „Vereinfachung“ der Nachhaltigkeitsberichts- und Aufsichtspflichten für Unternehmen ermöglichen, so wurde es im November 2024 angekündigt. Was sich nun abzeichnet, bewerten einige Beobachter eher als Kahlschlag. Insbesondere bei der europäischen Lieferkettenrichtlinie CSDDD, die erst im Juli 2024 in Kraft getreten ist und bis Juli 2026 in nationales Recht der EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werden muss, sind umfangreiche Änderungen zu erwarten. Bereits bei der Ankündigung des Omnibus-Pakets wurde von Experten bezweifelt, dass es ohne wesentliche inhaltliche Änderungen der betroffenen Regelungen zu spürbaren Entlastungen für die Unternehmen kommen wird.

Kernpunkte der Omnibus-Verordnung

Der Entwurf des Omnibus-Pakets, der heute veröffentlicht wurde, sieht weitreichende Änderungen an zentralen Nachhaltigkeitsregulierungen der EU vor: der Nachhaltigkeitsberichtspflicht CSRD, der Lieferkettenrichtlinie CSDDD, dem CO₂-Grenzausgleich CBAM und der EU-Taxonomie.


Vorgeschlagene Änderungen an der CSRD:

  • Der Adressatenkreis der CSRD soll an jenen der CSDDD angepasst werden. Nur Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und entweder einem Jahresumsatz von über 50 Mio. Euro oder einer Bilanzsumme von über 25 Mio. Euro wären dann verpflichtet, Nachhaltigkeitsberichte nach den ESRS zu veröffentlichen. Die portugiesische Sozialdemokratin Maria Luís Albuquerque sagte, damit würden etwa 80 Prozent der Unternehmen von der Berichtspflicht entlastet.
  • Gleichzeitig betonte Albuquerque mehrfach, dass 80 Prozent De-Scoping nicht bedeute, dass 80 Prozent der Unternehmen dann keine Berichte mehr vorlegen würden. Sie verwies auf geplante Vereinfachungen für freiwillige Berichte und sagte, dass diese Unternehmen dann keine „reine Compliance-Übung“ mehr machen, sondern berichten, wenn es für sie strategisch sinnvoll ist.
  • Verschiebung des Starttermins: Eine „Stop the clock“-Regelung soll den Unternehmen Zeit zur Vorbereitung geben, so der zuständige EU-Kommissar Valdis Dombrovskis (EVP). Für Unternehmen, die ab 2026 oder 2027 berichten müssten, soll die Berichtspflicht auf 2028 verschoben werden.
  • Die europäischen Berichtsstandards ESRS sollen überarbeitet und vereinfacht werden.
  • Die Pflicht zur Durchführung einer doppelten Wesentlichkeitsanalyse soll beibehalten werden.
  • Die Prüfung der Berichte soll dauerhaft mit begrenzter Sicherheit („limited assurance“) stattfinden. Anders als bisher vorgesehen, soll nicht auf eine Prüfung mit angemessener Sicherheit („reasonable assurance“) umgestellt werden.
  • Die geplanten sektorspezifischen Berichtsstandards (ESRS Set 2) werden voraussichtlich nicht kommen.


Vorgeschlagene Änderungen an der CSDDD:

  • Die Anwendung der Sorgfaltspflichten soll für die größten Unternehmen um ein Jahr verschoben werden (auf den 26. Juli 2028).
  • Sorgfaltspflichten sollen auf direkte Lieferanten („Tier 1“) beschränkt werden
  • Lieferanten mit weniger als 500 Mitarbeitenden sollen ausgenommen werden
  • Die zivilrechtliche Haftungsregelung soll abgeschafft werden. Das bedeutet, dass die Regeln für Haftung und Schadenersatz bei Verstößen gegen die Rechte von Beschäftigten abgeschwächt werden.
  • Die Pflicht zur Beendigung von Lieferbeziehungen bei Verstößen („ultima ratio“) soll entfallen.
  • Überprüfungen sollen nur noch alle fünf Jahre statt jährlich stattfinden.


Vorgeschlagene Änderungen an der EU-Taxonomie:

  • Die Berichterstattung zur EU-Taxonomie soll für Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitenden und 450 Millionen Euro Umsatz freiwillig werden. Andere Unternehmen können freiwillig berichten, um sich damit zum Beispiel günstigere Finanzierungen zu sichern.
  • Für die Berichterstattung nach der Taxonomie soll eine finanzielle Wesentlichkeitsgrenze eingeführt werden.
  • Anpassung der Green Asset Ratio für Finanzinstitute.


Vorgeschlagene Änderungen am CBAM:

  • Abgaben nach dem CO₂-Grenzausgleichsmechanismus sollen erst im Februar 2027 statt wie ursprünglich geplant Anfang 2026 eingeführt werden.
  • Eine große Zahl von Kleinimporteuren soll durch die Einführung eines neuen jährlichen Schwellenwertes von 50 Tonnen pro Importeur von Abgaben und Berichtspflichten befreit werden (siehe Kommentar unten).
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Vereinfachung von Investitionsprogrammen

Ein zweites Omnibus-Paket, das ebenfalls am 26. Februar vorgestellt wurde, zielt ebenfalls auf die Vereinfachung verschiedener EU-Investitionsprogramme ab, darunter InvestEU und EFSI. Dadurch sollen rund 50 Mrd. EUR an zusätzlichen öffentlichen und privaten Investitionen mobilisiert werden, die vorrangig zur Finanzierung von Maßnahmen im Rahmen des „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ und dem „Clean Industrial Deal“, eingesetzt werden sollen.

Stimmen zu den geplanten Änderungen

Andreas Rasche, Professor und stellvertretender Dekan an der Copenhagen Business School, kommentierte auf LinkedIn: „Die EU hat damit begonnen, wichtige Regelungen des Green Deal abzubauen, auf die sie in den letzten fünf Jahren viel Zeit verwendet hat.“ Vereinfachung sei notwendig, die Vorschläge in den am Wochenende geleakten Dokumenten seien aber keine Vereinfachung, sondern „eine Deregulierung von erheblichem Ausmaß“.

Der FDP-Europaabgeordnete Andreas Glück sagte in einem Pressegespräch am Dienstag, er halte es für sinnvoll, den Anwendungsbereich der CSRD an die Schwellenwerte der CSDDD anzupassen. Auch beim CO₂-Grenzausgleich CBAM erwarte er deutliche Erleichterungen für die Wirtschaft. Mit Verweis auf die EU-Kommission sagte er, dass durch eine Konzentration des Systems auf die größten Emittenten „90 Prozent der Unternehmen entlastet werden könnten, aber immer noch 99 Prozent der Emissionen durch CBAM abgedeckt“ würden.

Die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im Europäischen Parlament, Anna Cavazzini (Grüne), sagte, es sei „unglaublich unüblich“, dass Gesetze, die noch nicht einmal in Kraft seien, wieder geöffnet würden. Gerade die CSDDD sei „fraktionsübergreifend auf den Weg gebracht“ worden, um gleiche Wettbewerbsbedingungen in Europa zu schaffen. Geplante Änderungen, mit denen sich Grüne und Sozialdemokraten schwertun, sind unter anderem die Abschaffung der zivilrechtlichen Haftung und die Beschränkung der Sorgfaltspflichten auf Direktlieferanten mit mehr als 500 Beschäftigten.

René Repasi, Vorsitzender der Europa-SPD und rechtspolitischer Sprecher der S&D Fraktion begrüßt die Initiative der Europäischen Kommission, Bürokratie abzubauen. Unternehmerinnen und Unternehmer sollten nicht mehr Kraft darauf verwenden, Berichte über ihre Geschäftstätigkeiten zu schreiben, als diesen tatsächlich nachzugehen. Gleichzeitig warnt er: „Sollte der Omnibus Vorschlag der Kommission tatsächlich so kommen wie befürchtet, wird das Lieferkettengesetz zum zahnlosen Papiertiger. Bei dem Versuch der Vereinfachung von Berichtspflichten verliert die Kommission das Maß der Dinge.“

Wie geht es mit der Omnibus-Verordnung weiter?

Was aktuell vorliegt, ist lediglich ein Vorschlag der EU-Kommission. Bevor die Änderungen geltendes Recht werden, müssen sie das ordentliche Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene durchlaufen. Es bleibt abzuwarten, ob entsprechende politische Mehrheiten gefunden werden können. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Positionen der Fraktionen ist mit zähen Verhandlungen zu rechnen. Das Legislativpaket sollte jedoch im Europäischen Parlament und im Rat mit hoher Priorität behandelt werden. Insbesondere die „Stop the clock“-Regelung und die Umsetzungsfrist im Rahmen der CSDDD will die Kommission im beschleunigten Verfahren angehen.

Den Entwurf für die Verordnung finden Sie auf der Seite der Europäischen Kommission (bisher nur in englischer Sprache).