Leitsatz

1. Der Ausschluss als Arzneimittel zugelassener reiner Alkohol-Wasser-Mischungen in § 132 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG a.F. und § 152 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG verstößt gegen Art. 27 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 92/83/EWG.

2. Ein Anspruch, den zur Herstellung solcher Arzneimittel verwendeten Branntwein von der Steuer zu befreien, ergibt sich aus einer unmittelbaren Anwendung des Art. 27 Abs. 1 Buchst. d Richtlinie 92/83/EWG.

 

Normenkette

§ 132 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG a.F., § 152 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG, Art. 27 Abs. 1 Buchst. d Richtlinie 92/83/EWG (Alkoholstrukturrichtlinie), Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 2001/83/EG

 

Sachverhalt

Die Klägerin stellt homöopathische Arzneimittel und Arzneiträger her. Sie besitzt eine Erlaubnis, Branntwein unvergällt zu beziehen und zur Herstellung von Arzneimitteln i.S.d. AMG zu verwenden. Zu ihren Erzeugnissen gehört eine als Arzneimittel zugelassene Alkohol-Wasser-Mischung, die zum Auftragen auf die Haut und zur Bereitung von Kühlumschlägen bestimmt ist.

Nach einer Außenprüfung vertrat das HZA die Auffassung, der Branntwein sei insoweit zweckwidrig verwendet worden, und setzte Branntweinsteuer fest. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG urteilte, reine Alkohol-Wasser-Mischungen seien von der Steuerbefreiung für Arzneimittel ausdrücklich ausgenommen. Dies stehe mit der Alkoholstrukturrichtlinie im Einklang, da es den Mitgliedstaaten freistehe, zur Sicherstellung einer korrekten und einfachen Anwendung der Steuerbefreiungen sowie zur Verhinderung von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch Bedingungen festzulegen. Der Ausschluss reiner Alkohol-Wasser-Mischungen sei das effektivste Mittel zur Missbrauchsprävention (FG Düsseldorf, Urteil vom 2.4.2014, 4 K 4752/12 VBr, Haufe-Index 6791751).

 

Entscheidung

Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH die Vorentscheidung und den angefochtenen Steuerbescheid aufgehoben.

 

Hinweis

Unvergällter Branntwein ist von der Steuer befreit, wenn er (nach erteilter Erlaubnis) gewerblich zur Herstellung von Arzneimitteln durch dazu nach Arzneimittelrecht Befugte verwendet wird; ausgenommen von der Steuerbefreiung sind allerdings reine Alkohol-Wasser-Mischungen (§ 132 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG a.F., im Streitjahr geltende Fassung, jetzt § 152 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG).

Im Streitfall ging es um eine von der Klägerin hergestellte Alkohol-Wasser-Mischung, die als Arzneimittel zugelassen war. Nach § 2 Abs. 4 Satz 1 AMG gilt ein Mittel als Arzneimittel, solange es nach dem AMG als Arzneimittel zugelassen oder registriert oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung oder Registrierung freigestellt ist.

Nach § 132 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG a.F. (jetzt § 152 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG) konnte für das streitige Erzeugnis keine Steuerbefreiung gewährt werden. Der BFH entschied jedoch, der Ausschluss reiner Alkohol-Wasser-Mischungen aus dem Kreis der zu begünstigenden Arzneimittel verstoße gegen Unionsrecht.

Nach Art. 27 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 92/83/EWG (Alkoholstrukturrichtlinie) bestehe eine obligatorische Steuerbefreiung für die von dieser Bestimmung erfassten Erzeugnisse – zu denen nach Art. 19 Abs. 1 und Art. 20 Alkoholstrukturrichtlinie auch Ethylalkohol gehöre –, wenn diese zur Herstellung von Arzneimitteln i.S.d. Richtlinie 65/65/EWG, inzwischen ersetzt durch die Richtlinie 2001/83/EG, verwendet würden. Als Arzneimittel seien in dieser Richtlinie alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen erfasst, die als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bezeichnet werden oder dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt zu werden.

Das streitige Erzeugnis erfülle diese Voraussetzungen und sei in Deutschland als Arzneimittel zugelassen. Daher sei der zur Herstellung dieses Arzneimittels verwendete Ethylalkohol zwingend von der harmonisierten Verbrauchsteuer zu befreien.

Aus der Bestimmung in Art. 27 Abs. 1 Alkoholstrukturrichtlinie, der zufolge die Mitgliedstaaten die von der Richtlinie erfassten Erzeugnisse von der harmonisierten Verbrauchsteuer nach Maßgabe von Bedingungen befreien können, die sie zur Sicherstellung einer korrekten und einfachen Anwendung solcher Steuerbefreiungen sowie zur Vermeidung von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch festlegen, lasse sich nicht herleiten, es sei in das Belieben der Mitgliedstaaten gestellt, einzelne Arzneimittel von der Befreiung auszunehmen und damit den Anwendungsbereich des Art. 27 Abs. 1 Alkoholstrukturrichtlinie zu beschränken. Möglich sei die Festlegung von Bedingungen, um Missbräuchen zu begegnen, nicht aber ein vollständiger Ausschluss der Steuerbefreiung.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH könne sich der Einzelne vor den nationalen Gerichten auf Richtlinienbestimmungen berufen, wenn diese inhaltlich unbedingt und hinreichend genau und nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetz...

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