Rz. 68

Bei der GewSt liegt keine sachliche Unbilligkeit vor, wenn eine GewSt-Schuld nur infolge der Hinzurechnungen entsteht, ohne diese also kein positiver Gewerbeertrag vorliegt.[1] Die Belastungen durch die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen entsprechen der gesetzlichen Wertung. Dies ergibt sich aus dem Charakter der GewSt als Objektsteuer. Selbst dann liegt daher keine sachliche Unbilligkeit vor, wenn die Hinzurechnungen bei einem niedrigen Gewinn dazu führen, dass die GewSt-Belastung den Gewinn aufzehrt oder im Fall eines Verlustes sogar zur Substanzbesteuerung wird. Die Notwendigkeit einer Billigkeitsmaßnahme kann daher regelmäßig nicht aus der besonderen Art der Geschäftstätigkeit abgeleitet werden.[2]

 

Rz. 68a

Eine sachliche Unbilligkeit, die die Finanzbehörde im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung berücksichtigen muss, kann aber vorliegen, wenn die GewSt bei einer mehrere Jahre andauernden Verlustperiode laufend aus der Substanz gezahlt werden muss und sich dies im Zusammenwirken mit anderen Steuerarten existenzvernichtend oder existenzgefährdend auswirkt.[3] Keinesfalls liegt dies jedoch vor, wenn die GewSt nur in einzelnen Jahren aus der Substanz gezahlt werden muss. Ob eine Billigkeitsentscheidung auch notwendig ist, wenn die GewSt über eine Reihe von Jahren den Gewinn aufzehrt, ohne dass es zu einer Substanzbesteuerung kommt, hat der BFH offengelassen.[4] M. E. ist diese Frage regelmäßig zu verneinen, da bloße Gewinnlosigkeit allein nicht zu einer sachlichen Unbilligkeit führt. Eine Billigkeitsentscheidung ist in diesen Fällen nur erforderlich, wenn die Gewinnlosigkeit ausnahmsweise im Einzelfall auch ohne Substanzbesteuerung eine existenzgefährdende Situation herbeiführt. Auch die Mindestbesteuerung nach § 10a S. 1, 2 GewStG führt nicht zu einer sachlichen Unbilligkeit nach § 163 AO, da sie auf einer ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers beruht.[5]

 

Rz. 68b

Nicht zu einer sachlichen Unbilligkeit führt es, wenn die Belastung durch den Objektsteuercharakter der GewSt entsteht. Das ist der Fall, wenn der Stpfl. an mehreren Personengesellschaften beteiligt ist und die Gewerbeverluste einiger dieser Personengesellschaften nicht mit den positiven Gewerbeerträgen der anderen Personengesellschaften verrechnet werden können. Das gilt auch, wenn dadurch insgesamt bei dem Stpfl. eine sehr hohe Gewerbesteuerbelastung entsteht, die auch mehr als 100 % der Gewerbeerträge insgesamt umfassen kann. Diese Belastung beruht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers und kann nicht durch eine Billigkeitsmaßnahme im Einzelfall geändert werden.[6]

 

Rz. 68c

Ebenfalls nicht zur sachlichen Unbilligkeit führt es, wenn bei Auflösung einer Mehrmütterorganschaft aufgrund der gesetzlichen Regelung v. 16.5.2003 die bisher bei der Willensbildungs-GbR festgestellten gewerbesteuerlichen Verlustvorträge untergehen. Diese Folge ist von dem Gesetzgeber bei Abschaffung der Mehrmütterorganschaft gewollt worden und kann nicht durch eine sachliche Billigkeitsmaßnahme korrigiert werden. Möglich war nur die Übertragung der Verlustvorträge auf die Organgesellschaft, aber nicht auf die Organträger.[7]

 

Rz. 68d

Keine sachliche Unbilligkeit liegt auch vor, wenn die GewSt nicht mehr auf die Abnehmer überwälzt (d. h. in die Preise einkalkuliert) werden kann.[8] Vgl. auch Rz. 83.

[1] BFH v. 30.8.1977, VII B 40/77, HFR 1978, 70; BFH v. 21.4.1977, IV R 161, 162/75, BStBl II 1977, 512, 514, Haufe-Index 72324; BVerwG v. 29.9.1982, 8 C 48.82, BStBl II 1984, 236, jeweils zur inzwischen weggefallenen Lohnsummensteuer BFH v. 4.6.2014, I R 21/13, BStBl II 2015, 293, BFH/NV 2014, 1853 zur Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen bei gewerblicher Zwischenvermietung.
[4] BFH v. 4.6.2014, I R 21/13, BStBl II 2015, 293, BFH/NV 2014, 1853, Rz. 18.
[8] BVerwG v. 23.8.1990, 8 C 42.88, NJW 1991, 1073.

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