Leitsatz

1. Beratungsleistungen, die ein Industrieunternehmen bezieht, um eine Beteiligung steuerfrei zu übertragen, stehen im direkten und unmittelbaren Zusammenhang zur steuerfreien Anteilsübertragung und berechtigen auch dann nicht zum Vorsteuerabzug, wenn das Unternehmen mittelbar beabsichtigt, den Veräußerungserlös für seine zum Vorsteuerabzug berechtigende wirtschaftliche Gesamttätigkeit zu verwenden.

2. Die Übertragung von Gesellschaftsanteilen begründet eine Geschäftsveräußerung hinsichtlich des Unternehmensvermögens der Gesellschaft, an der die Anteile bestehen, wenn alle Anteile an der Gesellschaft übertragen werden.

3. Werden nicht alle Gesellschaftsanteile, aber Anteile an einer Organgesellschaft veräußert, kommt eine Geschäftsveräußerung in Betracht, wenn zumindest eine die finanzielle Eingliederung ermöglichende Mehrheitsbeteiligung übertragen wird und der Erwerber seinerseits beabsichtigt, eine Organschaft zu der Gesellschaft, an der die Beteiligung besteht, zu begründen.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1a, § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 4 Nr. 8, § 15 UStG 1993, Art. 5 Abs. 8, Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5, Art. 17 der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Ein Industrieunternehmen, das im Allgemeinen steuerpflichtige Umsätze ausführte, die zum Vorsteuerabzug berechtigten, hatte eine Beteiligung an einer Tochtergesellschaft steuerfrei veräußert. Streitig war, ob das Unternehmen aus den Beratungsleistungen, die es für die Beteiligungsveräußerung bezogen hat, im Hinblick auf seine allgemeine Unternehmenstätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigt war oder ob dieses Recht aufgrund der Steuerfreiheit der Beteiligungsveräußerung nicht in Anspruch genommen werden darf.

Anders als das FA meinte das FG, der Klägerin stehe der Vorsteuerabzug zu, da sie die Anteile an den verkauften Gesellschaften aus unternehmerischen Gründen gehalten habe (FG Düsseldorf, vom 10.06.2009, 5 K 150/06 U, Haufe-Index 2228455, EFG 2009, 2070).

 

Entscheidung

Der BFH verneinte den Vorsteuerabzug für Leistungen in Form von Rechtsrat für Zwecke einer Beteiligungsveräußerung, Mitwirkung bei der Abfassung des Kaufvertrags und den Vertragsverhandlungen. Dass das Industrieunternehmen die Beteiligung veräußerte, um den hierdurch erzielten Erlös für seine steuerpflichtige Umsatztätigkeit zu verwenden, rechtfertigt als nur mittelbar verfolgter Zweck keine abweichende Beurteilung.

 

Hinweis

Der BFH hat zeitgleich drei Urteile zum Vorsteuerabzug veröffentlicht (V R 12/08, BFH/NV 2011, 721, BFH/PR 2011, 194, V R 38/09, BFH/NV 2011, 727 und V R 17/10, BFH/NV 2011, 717, BFH/PR 2011, 186).

Die wesentlichen Grundsätze sind – trotz unterschiedlichen Sachverhalts – dieselben und werden zur Vermeidung von Wiederholungen im Besprechungsfall (V R 12/08) dargestellt.

Der vorliegende Fall betrifft die Veräußerung von 99 % der Anteile an einer Beteiligungsgesellschaft.

1. Nach dem EuGH-Urteil SKF (Rdnr. 40) ist eine Aktienveräußerung, die auf die Übertragung eines Gesamtvermögens hinausläuft, i.S.v. Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-RL und damit auch nach § 1 Abs. 1a UStG keine der Mehrwertsteuer unterliegende wirtschaftliche Tätigkeit. Die zur Geschäftsveräußerung i.S.v. § 10 Abs. 3 UStG a.F. ergangene Rechtsprechung, nach der eine Anteilsübertragung keine Geschäftsveräußerung nach dieser Vorschrift war, ist daher überholt. Sind alle Anteile an einer Beteiligungsgesellschaft Gegenstand der Veräußerung, kann der Vorgang daher der Übertragung des Gesellschaftsvermögens der Gesellschaft gleichgesetzt werden.

2. Entgegen einer z.T. vertretenen Auffassung ist jedoch eine Beteiligungsveräußerung nicht schon deshalb eine "Geschäftsveräußerung", wenn sich der Veräußerer ganz von der Beteiligung löst. Dagegen sprechen bereits die Abgrenzungsschwierigkeiten, die sich bei einem Verzicht auf das Erfordernis der Übertragung aller Gesellschaftsanteile ergeben. Dass im Grunderwerbsteuerrecht bei Gesellschaften mit Grundbesitz eine Anteilsübertragung von 95 % der Übertragung des Grundbesitzes gleichgestellt wird, kann umsatzsteuerrechtlich ebenso wenig wie die "squeeze out"-Möglichkeit des § 320 AktG mangels entsprechender gesetzlicher Regelungen im UStG berücksichtigt werden.

3. Hat die Beteiligung beim Veräußerer zugleich eine Organschaft vermittelt (finanzielle Eingliederung: der Veräußerer hält mehr als 50 % der Anteile), kann bei deren Veräußerung die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung i.S.v. § 1 Abs. 1a UStG allenfalls vorliegen, wenn

  • eine Anteilsmehrheit übertragen wird, die auch beim Erwerber eine finanzielle Eingliederung begründet (also mehr als 50 % der Anteile) und
  • wenn der neue Mehrheitsgesellschafter seinerseits für den Veräußerer objektiv erkennbar beabsichtigt, eine Organschaft zu der Gesellschaft, an der die übertragenen Anteile bestehen, zu begründen, wenn also der Erwerber für den Veräußerer objektiv erkennbar auch übrigen Voraussetzungen der Organschaft (organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung) erfüllt.

4. Die steuerbare Veräußerung der Beteiligung an einer K-AG ist als Übertragung von Aktien...

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