Rz. 93n

Bei der Neuregelung des § 1 Abs. 3a GrEStG handelt es sich um einen eigenständigen Ergänzungs- und Fiktionstatbestand. Die Fiktion findet sowohl auf Kapitalgesellschaften als auch auf Personengesellschaften Anwendung. Beide Gesellschaftsformen werden hierbei gleich behandelt; auch bei Personengesellschaften wird nunmehr abweichend von § 1 Abs. 3 GrEStG auf die vermögensmäßige Beteiligung abgestellt. Die Verwendung des bisher im GrEStG nicht enthaltenen allgemeinen Begriffs des "Rechtsträgers" lässt darüber hinaus darauf schließen, dass von der Vorschrift neben Kapital- und Personengesellschaften auch andere Rechtsträger (z. B. Stiftungen, juristische Personen des öffentlichen Rechts) erfasst werden sollen. Auch diese Rechtsträger können aufgrund eines Rechtsvorgangs eine wirtschaftliche Beteiligung i. S. v. § 1 Abs. 3a GrEStG innehaben.

Nach § 1 Abs. 3a S. 2 GrEStG ergibt sich die wirtschaftliche Beteiligung aus der Summe der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen am Kapital oder am Vermögen der Gesellschaft. Damit stellt die Neuregelung nicht mehr wie § 1 Abs. 3 GrEStG auf die sachenrechtliche Betrachtungsweise ab. Stattdessen sind sämtliche Beteiligungen am Kapital oder am Vermögen einer Gesellschaft unabhängig von deren jeweiliger Rechtsform anteilig zu berücksichtigen. Nach § 1 Abs. 3a S. 3 GrEStG sind für die Ermittlung der mittelbaren Beteiligungen die Vomhundertsätze am Kapital oder am Vermögen der Gesellschaften zu multiplizieren, d. h. es hat insoweit über die verschiedenen Beteiligungsebenen hinweg unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform eine "Durchrechnung" der Kapital- bzw. Vermögensbeteiligung zu erfolgen. Schließlich werden für die Ermittlung der maßgeblichen wirtschaftlichen Beteiligung die unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen eines Rechtsträgers an der Gesellschaft mit inländischem Grundbesitz zusammengerechnet. Hat dabei ein Rechtsträger als Folge eines Rechtsvorgangs i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG erstmals insgesamt eine wirtschaftliche Beteiligung von mindestens 95,jetzt 90 % inne, kommt § 1 Abs. 3a GrEStG zur Anwendung (vgl. Tz. 5 der gleich lautenden Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 3a GrEStG v. 9.10.2013, BStBl I 2013, 1364).

 

Beispiel 1:

Die A-AG ist unmittelbar zu 88 % an der grundbesitzenden E-GmbH beteiligt. Die restlichen 12 % der Anteile hält die D-GmbH.

An der D-GmbH sind beteiligt die A-AG zu 50 %, die B-AG zu 30 % und die C-GmbH zu 20 %.

Im Dezember 2013 überträgt die B-AG 15 % ihrer Anteile an der D-GmbH auf die A-AG.

Durch die Übertragung der 15 %igen Beteiligung an der D-GmbH von der B-AG auf die A-AG wird der Tatbestand des § 1 Abs. 3 (Nr. 1) GrEStG nicht verwirklicht. Diese Übertragung führt bei der A-AG lediglich zu einer Beteiligung von 65 % an der D-GmbH und damit nicht zu dem nach § 1 Abs. 3 GrEStG erforderlichen Quantum von 95 %.

Die Anteilsübertragung von der B-AG auf die A-AG ist jedoch steuerbar nach § 1 Abs. 3a GrEStG. Die A-AG ist wirtschaftlich weiterhin unmittelbar zu 88 % und nunmehr aufgrund ihres Anteilserwerbs mittelbar zu 7,8 % an der grundbesitzenden E-GmbH und damit insgesamt zu 95,8 % wirtschaftlich an dieser beteiligt.

 

Beispiel 2:

Die A-AG ist zu 100 % an der C-GmbH beteiligt, die ihrerseits 94 % der Anteile der E-GmbH hält. Die restlichen Anteile von 6 % an der E-GmbH hält der fremde D. Die E-GmbH ist zu 6 % an der grundbesitzenden F-GmbH beteiligt. Die restlichen 94 % der Anteile an der F-GmbH hält die C-GmbH.

Im November 2013 veräußert die A-AG ihre Beteiligung an der C-GmbH vollständig an die B-AG.

Da die Beteiligungsstruktur nur Kapitalgesellschaften aufweist, ist der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG ausgeschlossen.

Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG wird nicht verwirklicht, weil mit der Übertragung von 100 % der Anteile der C-GmbH von der A-AG auf die B-AG wegen der nur 94 %igen Beteiligungen der C-GmbH an der grundbesitzenden F-GmbH sowie der E-GmbH auf dieser Stufe das erforderliche Quantum von mindestens 95 % der Anteile nicht erreicht wird.

Mit der Übertragung der Anteile der C-GmbH von der A-AG auf die B-AG wird jedoch der Tatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG verwirklicht. Die B-AG ist über die C-GmbH mittelbar zu 94 % und über die C-GmbH und die E-GmbH mittelbar zu weiteren 5,64 %, insgesamt also zu 99,64 % wirtschaftlich an der grundbesitzenden F-GmbH beteiligt.

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