Leitsatz

Beschränkt Steuerpflichtigen steht für den Erwerb beim Tod des Ehegatten der Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in Höhe von 500.000 € unabhängig vom Anteil des inländischen Vermögens am Gesamterwerb in voller Höhe zu.

 

Normenkette

§ 16, § 2 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 ErbStG, Art. 63 Abs. 1, Art. 65 AEUV

 

Sachverhalt

Die Klägerin und ihr Ehemann hatten ihren Wohnsitz in der Schweiz. Der Ehemann verstarb im Jahr 2010; der Klägerin waren u.a. Grundstücke in der Schweiz und in Deutschland vermacht worden. In der Schweiz wurde von der Klägerin keine Erbschaftsteuer erhoben. In Deutschland wurde der dort belegene Grundbesitz der Besteuerung unterworfen. Nach der im Streitjahr geltenden Fassung des § 16 Abs. 2 ErbStG wurde der Klägerin ein persönlicher Freibetrag i.H.v. 2.000 EUR gewährt.

Nach erfolglosem Vorverfahren wandte sich die Kl. vor dem FG gegen die Nichtgewährung des großen Freibetrages i.H.v. 500.000 EUR aus § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Während des Klageverfahrens änderte das FA die Steuerfestsetzung dergestalt, dass der Freibetrag von 500.000 EUR nur im Verhältnis des inländischen Erwerbs zum Gesamterwerb gewährt wurde. Die Vorinstanz (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.7.2014, 11 K 3629/13, Haufe-Index 7263110) gab der Kl. Recht.

 

Entscheidung

Der BFH musste aus verfahrensrechtlichen Gründen (Ergehen eines Änderungsbescheides während des Revisionsverfahrens) die Vorentscheidung aufheben. In der Sache ist der Klage prinzipiell entsprochen worden.

Der im Streitjahr gemäß § 16 Abs. 2 ErbStG vorgesehene Freibetrag von nur 2.000 EUR verstößt gegen die nach Art. 63 Abs. 1 AEUV garantierte Kapitalverkehrsfreiheit und ist daher nicht anwendbar.

Der unionsrechtliche Verstoß wird auch nicht durch die Optionsmöglichkeit zur unbeschränkten Steuerpflicht nach § 2 Abs. 3 ErbStG in der im Streitjahr geltenden Fassung geheilt. Danach konnte der Steuerpflichtige die Gewährung des vollen Freibetrages erreichen, indem er seinen gesamten Erwerb der unbeschränkten Steuerpflicht unterwarf. Nach Auffassung des BFH verstößt die Besteuerung von nicht zum Inlandsvermögen gehörenden Nachlassgegenständen eines beschränkt Steuerpflichtigen ebenfalls gegen die Kapitalverkehrsfreiheit.

Der Ehegattenfreibetrag ist nach Auffassung des BFH in voller Höhe und nicht nur anteilig nach dem Verhältnis des Wertes des Inlandsvermögens zum Wert des Gesamterwerbs zu gewähren. Denn diese Besteuerung bedeutete eine Differenzierung, zu der nur der Gesetzgeber berufen ist und die dieser erst durch das StUmgBG vorgenommen hat.

 

Hinweis

Personen, die keinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt im Inland haben, sind beschränkt Steuerpflichtige; § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG. Sie haben nach dem ErbStG den Vermögensanfall zu versteuern, der in Inlandsvermögen besteht.

Die Gewährung des persönlichen Freibetrages nach § 16 ErbStG ist in diesem Zusammenhang gekennzeichnet durch "Rückzugsgefechte" des Gesetzgebers. Ursprünglich war der Freibetrag für beschränkt Steuerpflichtige nach § 16 Abs. 2 ErbStG a.F. begrenzt auf 2.000 EUR. Diese Regelung konnte wegen der mit ihr verbundenen Härten vor dem Hintergrund der europarechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 AEUV keinen Bestand haben.

Der Gesetzgeber gewährte daraufhin in § 2 Abs. 3 ErbStG a.F. ein Optionsrecht dergestalt, dass die vollen persönlichen Freibeträge gewährt wurden, wenn der Steuerpflichtige von der beschränkten Steuerpflicht zur unbeschränkten Steuerpflicht optierte (Freibetrag 500.000 EUR für Ehegatten und 400.000 EUR für Kinder; § 16 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 ErbStG). Doch diese Lösung war ebenfalls nicht geeignet, den Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit zu heilen.

Zwischenzeitlich ist durch Art. 4 Nrn. 1 und 5 StUmgBG die Vorschrift des § 2 Abs. 3 ErbStG aufgehoben und § 16 Abs. 2 ErbStG neu gefasst worden. Der persönliche Freibetrag soll zwar gewährt werden, aber nur verhältnismäßig bezogen auf den Anteil des Inlandsvermögens am Gesamterwerb. Diese Regelung dürfte ebenfalls nicht unproblematisch sein. Neben einem weiteren Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit sind wohl erhebliche Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Auslandsvermögens durch deutsche Finanzbehörden zu befürchten.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 10.5.2017 – II R 53/14

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