I. Ausreichende Vermögensbindung (§ 61 Abs. 1 und 2 AO)

 

Tz. 1

Stand: EL 114 – ET: 12/2019

Zur erforderlichen satzungsmäßigen Vermögensbindung s. § 61 AO, AEAO zu § 61 AO TZ 1 und TZ 4–6 (Anhang 2) sowie die Mustersatzung (Anlage 1 zu § 60 AO). Der Grundsatz der Vermögensbindung kann nach § 5 der amtlichen Mustersatzung wie folgt verankert werden:

  • Durch die namentliche (konkrete) Benennung der öffentlich-rechtlichen oder steuerbegünstigten Körperschaften, auf welche das Vermögen übergehen soll. Der steuerbegünstigte Verwendungszweck (gemeinnützig, mildtätig oder kirchlich) wird dabei nur allgemein bezeichnet. Nach dem AEAO zu § 61 AO TZ 1 (Anhang 2) kommen als Empfänger des Vermögens in Betracht:

    • inländische steuerbegünstigte Körperschaften,
    • die in § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG (Anhang 3) aufgeführten Körperschaften,
    • juristische Personen des öffentlichen Rechts
  • Oder durch die genaue (konkrete) Festlegung eines bestimmten steuerbegünstigten Zwecks. Dabei wird die Übernehmerin nur allgemein als öffentlich-rechtliche oder steuerbegünstigte Körperschaft angeführt.

Nach der Rechtsauffassung des BFH (BFH vom 21.07.1999, BFH/NV 2000, 297) ist die künftige Vermögensverwendung in der Satzung festzuschreiben, weil die Satzung auch insoweit die Funktion eines Buchnachweises hat. Daher ist eine satzungsmäßige Bezugnahme auf außerhalb der Satzung bestehende Vereinbarungen oder Satzungen anderer Körperschaften nicht ausreichend.

 

Tz. 2

Stand: EL 114 – ET: 12/2019

Praxishinweis:

Die satzungsmäßige Vermögensbindung muss sowohl für die Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft als auch für den Zweck-Wegfall eine Regelung enthalten (s. AEAO 2008 zu § 55 AO TZ 25, § 5 der Mustersatzung; außerdem BFH vom 23.07.2009, BFH/NV 2009, 1918 – zur USt).

Aber: § 5 der Mustersatzung kann in Satzungen von Vereinen ohne die Formulierung "Aufhebung" verwendet werden. Die Ausführungen in § 5 der Mustersatzung in der Anlage 1 zu § 60 Abs. 1 Satz 2 AO sind insoweit als "Auswahl-Menü" zu verstehen (s. AEAO zu § 60 AO TZ 2d, Anhang 2).

Enthält die Satzung eine Vermögensbindung, nach der das Vermögen bei Auflösung der Körperschaft einer anderen steuerbegünstigten Körperschaft zur treuhänderischen Verwaltung übertragen werden soll, so ist dies keine ausreichende Vermögensbindung i. S. d. § 61 Abs. 1 AO, Anhang 2 (s. OFD Chemnitz vom 17.08.2005, DB 2005, 1998; s. OFD Ffm vom 20.09.2005, DStR 2005, 1774).

Hinsichtlich der weitreichenden Konsequenzen einer Verletzung der Vermögensbindung – über die Grenze der Festsetzungsverjährung hinaus – s. § 61 Abs. 3 AO (Anhang 2) und AEAO zu § 61 AO TZ 3, 4 und 7, Anhang 2.

II. Nachträgliche Änderung der Vermögensbindung (§ 61 Abs. 3 AO)

 

Tz. 3

Stand: EL 114 – ET: 12/2019

Wird die satzungsmäßige Vermögensbindung aufgehoben oder so geändert, dass sie den Anforderungen des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO (Anhang 1b) nicht mehr entspricht, so gilt sie nach § 61 Abs. 3 AO (Anhang 1b) von Anfang an als steuerlich nicht ausreichend.

Das FA muss in diesem Fall für Steuern, die innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre vor der Änderung der Bestimmung über die Vermögensbindung entstanden sind, nachträglich noch Steuerbescheide erlassen oder ergangene Steuerbescheide ändern (§ 175 Abs. 1 Nr. 2 AO, Anhang 1b). Dies gilt auch dann, wenn die Bestimmung über die Vermögensbindung erst zu einem Zeitpunkt geändert wird, in dem die Körperschaft bereits nicht mehr als steuerbegünstigt anerkannt ist. Die sonst geltenden Fristen für die Festsetzungsverjährung sind hier also nicht maßgebend (s. AEAO zu § 61 AO TZ 3–5, Anhang 2).

 

Tz. 4

Stand: EL 114 – ET: 12/2019

Aber: Nachversteuerung ist auch i. R.d. tatsächlichen Geschäftsführung möglich!

  • Diese Nachversteuerung tritt auch dann ein, wenn ohne Änderung oder Aufhebung der satzungsmäßigen Vermögensbindung nach der tatsächlichen Geschäftsführung gegen die vorgeschriebene Vermögensbindung verstoßen wird (§ 63 Abs. 2 AO), Anhang 1b. Dies wäre z. B. der Fall, wenn eine gemeinnützige Körperschaft bei ihrer Auflösung ihr Vermögen entgegen der satzungsmäßigen Bestimmung über die Vermögensbindung tatsächlich nicht für begünstigte Zwecke verwendet.
  • Verstöße der tatsächlichen Geschäftsführung gegen die Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 1–3 AO (Anhang 1b) können aber so schwerwiegend sein, dass sie einer Verwendung des gesamten Vermögens für satzungsfremde Zwecke gleichkommen. Dies bedeutet, dass auch in diesen Fällen eine Nachversteuerung nach § 63 Abs. 2 i. V. m. § 61 Abs. 3 AO, Anhang 1b möglich ist (s. AEAO zu § 61 AO TZ 6–7, Anhang 2).
  • Vgl. auch BFH-Beschluss vom 12.10.2010 (BStBl II 2012, 227) zur rückwirkenden Aberkennung der Gemeinnützigkeit bei Ausschüttungen (vGA!) der Körperschaften an ihre steuerpflichtigen Gesellschafter.
  • Andere Verstöße gegen die gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorschriften der AO ermöglichen nur eine Nachversteuerung im Rahmen der Fristen über die Festsetzungsverjährung. Die Nachversteuerung beschränkt sich bei der KSt und GewSt auf das Jahr des Verstoßes. Dies bedeutet für den entsprechenden VZ (die VZ) die Besteuerung nach allgemeinen Grundsätzen. Dies gilt z. B. dann, wenn ein schädlicher Ausgleich von Verlusten des wirtscha...

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