EuGH-Vorlage zum Vorsteuerabzug einer Funktionsholding

Hintergrund: Vorschaltmodell im Wohnungsbau
Die A-GmbH war gemeinsam mit anderen Gesellschaftern als Kommanditistin an 2 KGs (X-/Y-KG) beteiligt. Die KGs errichteten Bauobjekte und veräußerten die einzelnen Wohneinheiten überwiegend umsatzsteuerfrei. Die anderen KG-Gesellschafter erbrachten Bareinlagen. Die A-GmbH hatte statt dessen unentgeltliche Dienstleistungen für X/Y zu erbringen (Architektenleistungen, Planungen, Vertrieb). Außerdem sollte sie, und zwar gegen Entgelt, Buchführungs- und Geschäftsführungsleistungen erbringen. Die von der GmbH als Gesellschafterbeitrag geschuldeten Dienstleistungen wurden nicht nur von dritten Unternehmern erbracht, sondern teilweise von ihr selbst mit eigenem Personal und Gerät.
Das FA ging davon aus, die unentgeltlichen Gesellschafterbeiträge der GmbH für X/Y seien nichtsteuerbare Tätigkeiten. Sie hätten nicht der Erzielung von Einnahmen im umsatzsteuerlichen Sinn gedient und seien daher nicht der unternehmerischen Tätigkeit der GmbH zuzuordnen. Die Vorsteuerbeträge seien insoweit nicht abziehbar.
Das FG gab der Klage statt. Die Erbringung von Sachleistungen als Gesellschafterbeitrag (neben den entgeltlichen Geschäftsführungsleistungen) sei Teil der unternehmerischen Tätigkeit der aktiven Beteiligungsverwaltung. Ein Gestaltungsmissbrauch liege nicht vor.
Entscheidung: Der BFH bejaht Zweifel hinsichtlich des Vorsteuerabzugs
Der BFH setzte das Revisionsverfahren aus und legte die Problematik dem EuGH zur Entscheidung vor.
Grundsätzlich kein Vorsteuerabzug einer Holding
Der GmbH steht an sich der volle Vorsteuerabzug aus den von ihr bezogenen Eingangsleistungen zu. Zwar ist eine Holdinggesellschaft, deren einziger Zweck der Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen ist (ohne dass sie in die Verwaltung dieser Gesellschaften eingreift) nicht mehrwertsteuerpflichtig und somit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Denn der bloße Erwerb und das bloße Halten von Beteiligungen stellen für sich genommen keine wirtschaftliche Tätigkeit dar, die den Erwerber bzw. Inhaber zum Steuerpflichtigen machen würde, da diese Vorgänge nicht die Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen beinhalten, weil das Entgelt in einem etwaigen Gewinn beim Verkauf der Beteiligungen liegt (BFH v. 12.2.2020, XI R 24/18, BFH/NV 2020, 828, Rz 31, mit Hinweis auf die EuGH-Rechtsprechung).
Vorsteuerabzug bei Funktionsholding
Anders ist es jedoch, wenn Beteiligung mit Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft einhergeht, soweit ein solcher Eingriff die Vornahme steuerpflichtiger Umsätze einschließt (sog. Funktionsholding). Das ist bei der Erbringung von administrativen, kaufmännischen und technischen Dienstleistungen der Fall (EuGH Larentia + Minerva v. 16.7.2015, C-108/14 und C-109/14, EU:C:2015:496, BStBl II 2017, 604, Rz. 20 f). Auch die Überlassung von Personal der Muttergesellschaft an ihre Tochtergesellschaft gegen Erstattung der Kosten kann ein Umsatz sein (EuGH San Domenico Vetraria v. 11.3.2020, C-94/19, EU:C:2020:193, BFH/NV 2020, 559). Solche entgeltliche Leistungen hat die GmbH an ihre Tochtergesellschaften X/Y erbracht. Sie ist daher Unternehmerin. Daher steht ihr an sich der Vorsteuerabzug aus den von ihr bezogenen Eingangsleistungen zu.
Vorsteuerabzug wegen steuerfreie Ausgangsumsätze der Tochtergesellschaften ausgeschlossen?
Es ist jedoch fraglich, ob dem Vorsteuerabzug entgegensteht, dass die KGs steuerfreie Ausgangsumsätze erbracht haben. Die Leistungen könnten nicht für das Unternehmen der GmbH und ihre besteuerten Umsätze bezogen sein, da sie in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit den (weitgehend) umsatzsteuerfreien Tätigkeiten der Tochtergesellschaften stehen. Die GmbH könnte die Leistungen letztlich nicht für ihr eigenes Unternehmen bezogen haben, sondern für die Unternehmen ihrer Töchter. Sie stünden dann im Zusammenhang mit den steuerfreien Umsätzen der Tochtergesellschaften. Wenn die GmbH den Einkauf für die jeweilige Tochter auf eigene Rechnung übernimmt und anschließend die eingekauften Leistungen in ihre Tochter einlegt, könnte in einem solchen "Durchleitungsfall" der Leistungsbezug für das Unternehmen der GmbH zu verneinen sein. Denn mit den von der GmbH an die Töchter erbrachten Leistungen oder ihrer eigenen Stellung als geschäftsleitende Holding hätte dies nichts zu tun.
Rechtsmissbräuchliche Vorschaltung der GmbH?
Bei grundsätzlicher Bejahung des Vorsteuerabzugs ist fraglich, ob die Zwischenschaltung einer Muttergesellschaft in den Leistungsbezug der Tochtergesellschaft zur Erlangung eines an sich nicht zustehenden Vorsteuerabzugs typischerweise rechtsmissbräuchlich ist. Es stellt sich die Frage, ob aus Gründen der Systematik und zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen (Bevorzugung von Holding-Konstruktionen gegenüber einstufigen Unternehmen) typischerweise von einem Missbrauch auszugehen ist, auch wenn (angebliche) außersteuerrechtliche Gründe geltend gemacht werden. Der BFH zieht eine Parallele zu der Vorschalt-Rechtsprechung, die bei steuerpflichtiger Vermietung eines Gebäudes an einen nicht vorsteuerabzugsberechtigten Mieter häufig als rechtsmissbräuchlich angesehen wurde (BFH v. 9.11.2006, V R 43/04, BStBl II 2007, 344).
Hinweis: Gefahr einer neuen Vorschalt-Welle
Sollte der EuGH im Streitfall einen Missbrauch ausschließen, sieht der BFH die Gefahr einer neuen Vorschalt-Welle in Fällen, in denen die Tochtergesellschaft nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist. Es würden Holdings in den Leistungseinkauf zwischengeschaltet. Ein Teil der Leistungen würden mit einem niedrigen Entgelt an die Tochter erbracht und daneben der Großteil der "teuren" Leistungen unentgeltlich erbracht (= in die Tochter eingelegt). Die Holding erhielte trotzdem den vollen Vorsteuerabzug für alle Eingangsleistungen, obwohl die meisten mit ihren entgeltlichen Umsätzen nichts zu tun haben, und es würde damit ein Vorsteuerabzug erreicht, den bei unmittelbarer Leistungserbringung weder die Mutter noch die Tochter hätte. Das wäre nicht systemgerecht.
BFH Beschluss vom 23.09.2020 - XI R 22/18 (veröffentlicht am 11.02.2021)
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