Veräußerungsverluste bei einem Steuerstundungsmodell

Zu den negativen Einkünften aus einem Steuerstundungsmodell gehören nach dem Wortlaut des § 15b EStG auch Totalverluste, mithin auch Veräußerungsverluste. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist aber eine einschränkende Auslegung des Wortlauts geboten, soweit ein Steuerpflichtiger beim Ausscheiden aus dem Steuerstundungsmodell einen Veräußerungsverlust tatsächlich wirtschaftlich erleidet.

Finanzamt behandelt Veräußerungsverlust als (nur) verrechenbaren Verlust

An einer Personengesellschaft, die unstrittig als Steuerstundungsmodell i. S. d. § 15b EStG anzusehen ist, beteiligten sich mehrere Kommanditisten. Nachdem die Gesellschaft ihren Gesellschaftszweck geändert hatte, veräußerten zwei Kommanditisten ihre Gesellschaftsanteile. Einer dieser Kommanditisten veräußerte seinen Gesellschaftsanteil i. H. v. 10.000 EUR für 1.500 EUR und erlitt somit einen Veräußerungsverlust. Das Finanzamt behandelte neben den laufenden Verlusten aus der Beteiligung auch diesen Veräußerungsverlust als verrechenbaren Verlust i. S. d. § 15b EStG.

FG hält einschränkende Auslegung des Wortlauts für geboten

Das Finanzgericht gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Dem Wortlaut der Norm folgend erfasse § 15b Abs. 1 EStG zwar auch Totalverluste und mithin auch Veräußerungsverluste. Es sei aber – auch aus verfassungsrechtlichen Gründen – eine einschränkende Auslegung (sog. teleologische Reduktion) des Wortlauts der Norm geboten, soweit ein Stpfl. bei Ausscheiden aus der jeweiligen Einkunftsquelle (Steuerstundungsmodell) einen Veräußerungsverlust tatsächlich wirtschaftlich erleidet. Dem Sinn und Zweck der Vorschrift folgend soll § 15b EStG nur ein begrenztes Abzugsverbot enthalten, nämlich nur eine Verlustverrechnung gegen spätere Gewinne aus derselben Einkunftsquelle ermöglichen. Soweit sich ein Steuerpflichtige jedoch an einer gewerblichen Mitunternehmerschaft beteilige, sei kein Grund ersichtlich, Totalverluste zwar als verrechenbar i. S. d. § 15b EStG festzustellen, hierdurch aber faktisch ein finales Abzugsverbot festzuschreiben. Das Ausscheiden aus der Mitunternehmerschaft beende jede Möglichkeit eines späteren Verlustausgleichs. In Höhe der nur als verrechenbar festgestellten Verluste ergebe sich auf Grund des Ausscheidens ein Definitiveffekt.

Einschränkung gilt nicht für laufende Verluste

Das Finanzgericht ist der Auffassung, dass der im Streitfall angefallene Veräußerungsverlust nicht nur als verrechenbar festgestellt werden kann, weil er zu einer Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen geführt hat. Hinsichtlich der laufenden Verluste hält das Finanzgericht dagegen eine einschränkende Auslegung des § 15b EStG trotz des Ausscheidens nicht für erforderlich. Die Verluste hätten sich bereits im Kapital des Steuerpflichtigen niedergeschlagen und werden damit im Ergebnis durch die Ermittlung des Veräußerungsverlustes ausgeglichen.

FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 8.12.2015, 6 K 6215/12, Haufe Index 9041262


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