Umsatzsteuer beim Betrieb von Flüchtlingsheimen und Obdachlosenunterkünften
Betrieb von Flüchtlingsheimen
Die Klägerin betrieb 2014 in mehreren Bundesländern eine Vielzahl von Erstaufnahmeeinrichtungen (im Sinne des § 44 AsylVfG) und Gemeinschaftsunterkünften (im Sinne des § 53 AsylVfG) sowie eine städtische Übernachtungsstelle für wohnungslose Männer. Der Betrieb der Flüchtlingsheime beruhte auf jeweils einer eigenen Vereinbarung mit der hierfür zuständigen juristischen Person des öffentlichen Rechts, also dem jeweiligen Bundesland, der jeweiligen Stadt oder dem jeweiligen Landkreis. Die Geldzahlungen, die die Klägerin erhielt, richteten sich teilweise nach der Anzahl der untergebrachten und betreuten Personen und teilweise nach einem Pauschalbetrag. Sie behandelte die Entgelte im Streitjahr 2014 teilweise als steuerfrei (langfristige Grundstücksüberlassung), teilweise als steuerermäßigt (Beherbergungsleistung) und teilweise als dem regulären Steuersatz unterfallend.
Im Klageverfahren machte sie geltend, dass sämtliche Umsätze aus dem Betrieb der Flüchtlingsheime und Obdachlosenunterkünfte als steuerfrei zu behandeln seien – entweder aufgrund einer europarechtskonformen Auslegung von § 4 Nr. 16, Nr. 18 UStG oder unmittelbar gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL, weil sie hilfsbedürftige Menschen unterbringe und betreue und ihre entsprechenden Leistungen eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden seien.
Umsatzsteuerliche Beurteilung
Die Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen. Die mit dem Betrieb von Flüchtlingsheimen und Obdachlosenunterkünften erzielten Umsätze sind, soweit der Betreiber nicht auch das hierfür erforderliche bebaute Grundstück zur Verfügung stellt, umsatzsteuerpflichtig und unterliegen dem Regelsteuersatz. Sie sind weder nach nationalem Recht, noch nach Unionsrecht von der Umsatzsteuer befreit.
Einheitliche komplexe sonstige Leistung
Die Betreiberleistung ist eine einheitliche komplexe sonstige Leistung (Gemeinschaftsunterkunft). Sie ist als solche weder eine langfristige Grundstücksüberlassung, da die Klägerin kein Grundstück an den jeweiligen Vertragspartner (öffentliche Hand) vermietet, noch ist sie eine Beherbergungsleistung im Sinne von § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG sowie § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG, die in der kurzfristigen Aufnahme von Personen zur Gewährung von Unterkunft besteht. Zwar mag es sein, dass die in der Gemeinschaftsunterkunft untergebrachten Flüchtlinge und Asylbewerber dort regelmäßig weniger als 6 Monate verbleiben sollen, die Beurteilung, ob eine Vermietung von Wohn- und Schlafräumen stattfindet, die zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereitgehalten werden, richtet sich jedoch nicht nach der Verweildauer von Flüchtlingen bzw. Asylbewerbern, sondern nach den vertraglichen Vereinbarungen mit der jeweiligen Kommune.
Berufung auf das Gemeinschaftsrecht erfolglos
Die Berufung auf das Gemeinschaftsrecht war insbesondere deshalb erfolglos, weil die Klägerin ihre Leistungen nicht im Rahmen des normalerweise im Sozialrecht anzutreffenden sogenannten sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses erbracht hat. Ein solches liegt vor, wenn der nach Sozialrecht Anspruchsberechtigte von einem Dritten eine begünstigte Leistung bezieht und ihm aufgrund sozialrechtlicher Normen ein Anspruch auf vollständige oder teilweise Erstattung seiner Aufwendungen gegen einen Sozialhilfeträger zusteht. Die Flüchtlinge werden hingegen aufgrund öffentlich-rechtlicher Regelungen untergebracht und versorgt. Sie schließen keine Verträge und zahlen auch kein Entgelt. Der Verbleib der Flüchtlinge in der jeweiligen Unterkunft erfolgt im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses zur jeweiligen "Kommune".
Besteuerung nach dem Regelsteuersatz
Das Urteil ist sehr ausführlich und enthält eine Vielzahl unterschiedlicher Beurteilungen/Erwägungen, da die Klägerin eine Reihe verschiedener Verträge mit unterschiedlichen juristischen Personen des öffentlichen Rechts geschlossen hat. Deshalb waren neben bundesgesetzlichen Regelungen auch zahlreiche Sonderregelungen der einzelnen Bundesländer zu beachten. Kernaussage ist jedoch, dass mit dem Betrieb der Unterkünfte umsatzsteuerpflichtige Leistungen eigener Art (Regelsteuersatz 19 %) vorliegen und Steuerbefreiungen, die sich auf das "Sozialrecht" beziehen, nicht zur Anwendung kommen. Die Finanzverwaltung hat zu dieser Thematik bereits wiederholt Stellung genommen (vgl. z. B. OFD Frankfurt, Verfügung v. 6.8.2018). Sie unterscheidet danach, ob ausschließlich Wohnraum überlassen wird (umsatzsteuerfreie Leistung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG), ob daneben weitere Nebenleistungen treten oder ob (wie hier im Streitfall) eigenständige Dienstleistungen vorliegen, die dem Regelsteuersatz unterliegen.
Revisionsverfahren anhängig
Im nun anhängigen Revisionsverfahren, Az beim BFH V R 1/19, muss der BFH nun konkret entscheiden, ob eine Umsatzsteuerpflicht für erbrachte Leistungen durch den Betrieb von Einrichtungen zur Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen besteht. Außerdem ist ggf. zu beurteilen, ob Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL einer Regelung entgegensteht, wonach nur eng mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege von körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftigen Personen zusammenhängende Leistungen von der Steuer befreit sind, nicht aber die eng mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege wirtschaftlich hilfsbedürftiger Personen wie Flüchtlingen oder Obdachlosen zusammenhängende Leistungen.
FG Düsseldorf, Urteil v. 9.11.2018, 1 K 3578/15 U, Haufe Index 13125289
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