Schadensersatz mindert nicht Verlust aus Aktiengeschäft

Ein Verlust aus der Veräußerung von Anteilen wird durch von einem Dritten geleisteten Schadensersatz nicht gemindert.

Hintergrund: Kurseinbruch nach fehlerhaftem WP-Testat

A erwarb in 1999 bis 2002 Aktien. Aus der Veräußerung in 2002 entstanden ihm infolge eines Kurseinbruchs hohe Verluste. Das FA berücksichtigte diese Verluste in dem bestandskräftigen Verlustfeststellungsbescheid 31.12.2002. In 2003 nahm A die WP-Gesellschaft sowie drei dort angestellte WP wegen fehlerhafter Bestätigungsvermerke auf Schadensersatz in Anspruch. Zur Beendigung des Rechtsstreits schlossen A und die WP-Gesellschaft in 2007 einen Vergleich, in dem sich die WP-Gesellschaft verpflichtete, an A 3 Mio. EUR zu zahlen. Das FA änderte darauf den Verlustfeststellungsbescheid und minderte den Verlustvortrag um den von der WP-Gesellschaft geleisteten Schadensersatz. Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, die Entschädigungszahlung stelle kein zur Bescheidkorrektur führendes rückwirkendes Ereignis dar. 

Entscheidung: Keine Anschaffungspreisminderung bei vergleichsweiser Ersatzleistung

Der BFH bestätigt das FG-Urteil. Der Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung von Aktien kann sich rückwirkend ändern, wenn die Vertragsparteien zur Beilegung von Streitigkeiten einen Vergleich schließen und den Veräußerungspreis rückwirkend mindern oder erhöhen. Entsprechendes gilt für eine nachträgliche Erhöhung oder Minderung der Anschaffungskosten. Die Anschaffungspreisminderungen umfassen dabei nicht nur Kaufpreisnachlässe, sondern auch Rückflüsse von im Zusammenhang mit dem Erwerb geleisteten Aufwendungen. Eine Anschaffungspreisminderung kann daher auch darin liegen, dass Anschaffungsausgaben von Dritten erstattet oder vergütet werden. Eine Ermäßigung von Anschaffungskosten setzt jedoch voraus, dass zwischen der Schadensersatzleistung des Dritten und dem Anschaffungsvorgang ein wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Beruht die Schadensersatzleistung des Dritten dagegen auf einem rechtlich und wirtschaftlich eigenständigen Rechtsgrund, führt sie nicht zu einer Anschaffungspreisminderung. 

Vergleich stellt eigenständige Rechtsgrundlage dar

Im Streitfall scheidet eine rückwirkende Verminderung der Veräußerungsverluste bzw. eine Anschaffungspreisminderung aus. Denn die Schadensersatzleistung beruht darauf, dass die WP-Gesellschaft als Abschlussprüferin die Jahresabschlüsse der AG uneingeschränkt bestätigt und A im Vertrauen darauf die Aktien gekauft hat. Vertragliche Beziehungen des A zu der WP-Gesellschaft bestanden nicht. Die WP-Gesellschaft war nicht unmittelbar in die Vermittlung der Aktien eingebunden. Die Entschädigungszahlung der WP-Gesellschaft aufgrund des Vergleichs beruht damit auf einer eigenständigen, nicht mit der Anschaffung oder Veräußerung der Aktien unmittelbar wirtschaftlich zusammenhängenden Rechtsgrundlage. Anknüpfung für den Vergleich war nicht der Veräußerungs- bzw. Anschaffungsvorgang, sondern die Erteilung des unzutreffenden Bestätigungsvermerks. Die Schadensersatzleistung entfaltet daher keine Rückwirkung. 

Hinweis: Sachverhaltswürdigung bindet den BFH

Das FG hat den Sachverhalt dahin gewürdigt, dass die WP-Gesellschaft die Entschädigung aufgrund des Vergleichs geleistet hat, d.h. aufgrund einer eigenständigen, nicht mit der Anschaffung oder Veräußerung der Aktien in Zusammenhang stehenden Rechtsgrundlage. An diese schlüssige Gesamtwürdigung sah sich der BFH nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Der BFH lässt offen, ob die Schadensersatzzahlung auch unter folgenden Gesichtspunkten beurteilt werden könnte: a) nicht steuerbare Entschädigung für den Substanzverlust der Aktien; b) Entschädigung nach § 17 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a oder b EStG; c) Gegenleistung für bestimmte Verhaltenspflichten. Die Leistung wäre in den Fällen b und c allerdings nicht bereits im Streitjahr (2002), sondern erst im Jahr des Zuflusses (2007) zu erfassen.

BFH, Urteil v. 4.10.2016, IX R 8/15, veröffentlicht am 1.2.2017

Schlagworte zum Thema:  Schadensersatz, Aktien, Verlust, Einkommensteuer