Leistungsempfänger bei Warenlieferungen im paneuropäischen Versand über Amazon
Hintergrund: Verkauf durch niederländische Firma im Onlinehandel
Die niederländische A-B.V. handelt mit Nahrungsergänzungsmitteln und Medizinprodukten innerhalb der EU. Sie besitzt ein Lager in den Niederlanden (NL). Der Verkauf an deutsche Kunden erfolgt (überwiegend) über die Internetseiten von Amazon entsprechend dem "Amazon Services Europe Business Solutions Vertrag". Dabei wurden die Waren im Streitzeitraum (2014 bis 2017) auf verschiedene Arten angeboten. Wurde die Option "Verkauf durch A-B.V., Versand durch Amazon" gewählt, war der Ablauf wie folgt:
Verkauf durch den Händler
Die A-B.V. sandte die Waren aus NL an diverse Logistikzentren von Amazon in der EU. Die Waren für deutsche Privatkunden wurden (überwiegend) in deutsche Logistikzentren (Tochterunternehmen von Amazon) geliefert. Diese lagerten die Ware für Amazon ein und stellten sie zum Verkauf an die Endkunden bereit. Der A-B.V. war teilweise nicht bekannt, in welchem Logistikzentrum sich die Ware befindet, weil Amazon die angelieferten Waren eigenständig auf andere Logistikzentren verteilen konnte. Die Waren wurden über Amazon direkt an die Privatkunden verkauft. Die Inkasso-Vereinbarung sah die Einziehung des Kaufpreises sowie der USt vor.
Das FA bejaht Lieferungen an deutsche Endkunden
Die A-B.V. erklärte steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an Amazon mit Sitz in Luxemburg. Das FA unterwarf die Umsätze dagegen der deutschen USt. Es ging davon aus, dass die A-B.V. auch insoweit Lieferungen an deutsche Endkunden ausgeführt habe, als sie am Paneuropäischen Versand im Rahmen der Option "Verkauf durch die A, Versand durch Amazon" bzw. "fulfillment by amazon" (Auftragsabwicklung durch Amazon) teilgenommen habe. Die A-B.V. habe die Waren nicht an Amazon verkauft, so dass Amazon auch keine Partei des Kaufvertrags mit dem Endkunden sei. Amazon erbringe an die Verkäufer (Händler) als Leistungsempfänger elektronische Dienstleistungen. Mit der Einlagerung der Waren in die Logistikzentren führe die A-B.V. ein innergemeinschaftliches Verbringen aus. Die nach der Einlagerung getätigten Lieferungen an die inländischen Kunden seien steuerbar und im Rahmen der Versandhandelsregelung in Deutschland steuerpflichtig.
Entscheidung des FG: Leistungsempfänger ist der Endkunde
Das FG wies die Klage ab (FG Düsseldorf, Urteil v. 11.10.2019, 1 K 2693/17 U, nicht veröffentlicht). Die A-B.V. habe unter Einschaltung von Amazon als sog. Fulfillment-Dienstleister Lieferungen an deutsche Endkunden ausgeführt. Der Kaufvertrag des Endkunden komme mit der A-B.V. zustande. Auch die übermittelte Rechnung weise die A-B.V. als Verkäuferin aus. Die A-B.V. habe Amazon bevollmächtigt, mit Wirkung für und gegen sie Kaufverträge abzuschließen.
Kein anderes Ergebnis aufgrund des Amazon Services Europe Business Solutions Vertrags
Dieser Vertrag sei nicht als Kaufvertrag der A-B.V. mit Amazon über die in die Logistikzentren verbrachten Waren anzusehen. Es handele sich um einen Dienstleistungsvertrag, aufgrund dessen Amazon im Namen der A-B.V. Kaufverträge für diese abschließe, während der Versand und das Inkasso durch Amazon in eigenem Namen, aber im Auftrag der A-B.V. erfolge. Die Leistungen von Amazon beständen in der Einlagerung und Versendung der Waren an die Kunden und ggf. in der Entgegennahme von Kunden-Rücksendungen.
Der fehlende Einfluss auf die Ware ist unerheblich
Dass die A-B.V. nach dem Verbringen der Ware in ein Logistikzentrum keinen Einfluss mehr auf die Ware habe, führe nicht dazu, Amazon als Leistungsempfänger anzusehen. Denn Vertragspartner der A-B.V. sei stets der Endkunde, der lediglich über den Vertriebskanal (Amazon) die Ware von der A-B.V. erwerbe. Dementsprechend werde auch auf den Internetseiten von Amazon ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Verkauf durch die A-B.V. und nur der Versand durch Amazon erfolge.
Innergemeinschaftliches Verbringen in deutsche Logistikzentren
Soweit die A-B.V. Ware aus NL in ein deutsches Logistikzentrum von Amazon verbracht habe, habe sie damit ein innergemeinschaftliches Verbringen verwirklicht, das in NL steuerfrei sei. In Deutschland finde ein innergemeinschaftlicher Erwerb statt, bei dem die A-B.V. allerdings zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Nichts anderes ergebe sich im Ergebnis, soweit Waren der A-B.V. in ein Amazon Logistikzentrum in einem anderen Mitgliedstaat der EU verbracht worden seien.
Entscheidung: Der BFH verweist auf das FG-Urteil. Danach ist der Endkunde der Leistungsempfänger
Der BFH liefert in dem Beschluss über die von A-B.V. eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde keine eigenständige Begründung, sondern verweist insgesamt auf das FG-Urteil, das er in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH und der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung in der Literatur für zutreffend hält.
Hinweis: Die Auffassung des BFH wird gestützt durch Art. 14a MwStSystRL und § 25 e UStG
Der BFH bemerkt ergänzend, für die Auffassung, dass der Marktplatz-Betreiber nicht generell die Lieferungen an den Endkunden ausführt, spreche auch der zum 1.1.2021 eingefügte Art. 14a MwStSystRL sowie § 25e UStG (Gesetz v. 11.12.2018, BGBl I 2018, 2338) betreffend die Haftung der Betreiber eines elektronischen Marktplatzes für die nicht entrichtete USt aus der Lieferung eines Unternehmers über den bereitgestellten Marktplatz. Im Übrigen war die Nichtzulassungsbeschwerde mangels hinreichender Darlegung eines Zulassungsgrundes nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO unzulässig.
Dadurch dass der BFH statt einer eigenen Begründung komplett auf das FG-Urteil verweist, macht er sich dessen Argumentation vollumfänglich zu eigen. Die Urteilsgründe des FG können daher uneingeschränkt als Auffassung des BFH angesehen werden, auch wenn das FG-Urteil (noch) nicht veröffentlicht ist und die FG-Gründe lediglich im Tatbestand des BFH-Beschlusses wiedergegeben sind.
BFH Beschluss vom 29.04.2020 - XI B 113/19 (veröffentlicht am 28.05.2020)
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