Keine steuerrechtliche Haftung bei Subventionsbetrug
Hintergrund
X wandte sich gegen einen Haftungsbescheid, durch den ihn das FA für eine der W-GmbH zu Unrecht gewährte Investitionszulage in Anspruch nahm.
X hatte für eine nicht existierende XY-GmbH als Lieferantin einen Liefervertrag mit einer AG abgeschlossen. Die AG leistete darauf eine Anzahlung (6,5 Mio. DM), die X unmittelbar wieder an die AG zurück überwies. Den fingierten Lieferanspruch brachte die AG als Sacheinlage in die W-GmbH ein. X hatte die Zahlung der AG bestätigt und sich mit der Übernahme des Vertrags durch die W-GmbH einverstanden erklärt. Der W-GmbH wurde für 1994 Investitionszulage gewährt, in deren Bemessungsgrundlage die Anzahlung einbezogen war.
In 2003 wurde X vom FA wegen Beihilfe zum Subventionsbetrug durch Haftungsbescheid für die zu Unrecht in Anspruch genommene Investitionszulage in Anspruch genommen (6,5 Mio. DM x 8 %; entspricht 265.871 EUR).
Das FG wies die dagegen erhobene Klage ab. Es ging davon aus, die im InvZulG angeordnete entsprechende Anwendung der für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO führe auch zur Anwendung der Haftungsregelungen für Täter oder Teilnehmer eines Subventionsbetrugs.
Entscheidung
Der BFH widerspricht dem FG. Er verneint die Haftungsvoraussetzungen und hob den Haftungsbescheid auf.
Nach der bisherigen Rechtsprechung war die Haftungsnorm des § 71 AO auf den Fall des Subventionsbetrugs entsprechend anwendbar. Denn nach dem InvZulG (jetzt § 14 InvZulG 2010) sind auf die Investitionszulage die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO entsprechend anzuwenden. Dass § 71 AO lediglich die Haftung (u.a.) des Steuerhinterziehers, nicht jedoch des Subventionsbetrügers normiert, sah der BFH als unerheblich an. Die Verweisung sei so zu verstehen, dass Subventionsbetrug im Rahmen der Haftung wie ein Fall der Steuerhinterziehung zu behandeln sei. Das BMF hatte sich dieser Rechtsprechung angeschlossen.
Diese Rechtsprechung hat der BFH jetzt aufgegeben. § 71 AO betrifft die Haftung des Steuerhinterziehers (und des Steuerhehlers). Mit dem Gesetzeswortlaut ist es nicht vereinbar, die Erschleichung einer Investitionszulage als Steuerhinterziehung i.S. des § 71 AO zu behandeln. Denn die Investitionszulage ist keine Steuer. Sie ist auch keine Steuervergütung. Das Investitionszulagenrecht (jetzt § 14 InvZulG 2010) verweist lediglich auf die Steuervergütungsvorschriften der AO, ohne die Investitionszulage in eine Steuervergütung umzuqualifizieren. Die Erschleichung der Investitionszulage ist daher strafrechtlich keine Steuerhinterziehung, sondern Betrug (Subventionsbetrug, § 264 StGB). Der BFH verneint auch die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung von § 71 AO. Denn dem Gesetz und den Materialien ist keine entsprechende Regelungslücke zu entnehmen.
Der BFH lässt die Frage offen, ob im Streitfall auch ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch gegeben sein könnte. Denn ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch könnte vom FA nicht durch Haftungsbescheid geltend gemacht werden. Das folgt daraus, dass die abgabenrechtlichen Haftungsvorschriften von ihrer Struktur her keine Schadensersatznormen sind. Denn anders als die zivilrechtliche Haftung orientiert sich der Haftungsumfang nach der AO an dem verursachten Steuerausfall, während für den zivilrechtlichen Schadensersatz auch Gedanken des Vorteilsausgleichs und des Mitverschuldens berücksichtigt werden.
Hinweis
Die Inanspruchnahme des Täters oder Teilnehmers eines Investitionszulagenbetrugs durch Haftungsbescheid des FA ist daher ausgeschlossen. Ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch, der sich im Streitfall auf den Verstoß gegen ein Schutzgesetz (§ 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB, Subventionsbetrug) stützen ließe, müsste vor dem ordentlichen Gericht geltend gemacht werden.
Urteil v. 19.12.2013, III R 25/10, veröffentlicht am 23.4.2014
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