Kein Splitting für Alleinerziehende

Die Besteuerung Alleinerziehender nach dem Grundtarif ist nicht gleichheitswidrig. Auch die Minderung von Krankheitskosten um die zumutbare Belastung ist verfassungsgemäß.

Hintergrund: Alleinerziehende beantragt Splittingtarif und ungekürzten Abzug der Krankheitskosten  

Die verwitwete Steuerberaterin S lebte in 2008 mit ihren beiden 15-/20-jährigen Töchtern zusammen. Das FA setzte die ESt nach dem Grundtarif (§ 32a Abs. 1 EStG) fest. Die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen wegen Krankheitskosten wirkten sich nach Abzug der zumutbaren Belastung steuerlich nicht aus. S wandte ein, der Ausschluss verwitweter Alleinerziehender vom Splitting sei mit dem Gleichheitssatz und dem Schutz der Familie unvereinbar. Die Kürzung der Krankheitskosten um die zumutbare Belastung verstoße gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Das FG verneinte die Verfassungswidrigkeit in beiden Punkten und wies die Klage ab.

Entscheidung: Kein Splitting für Alleinerziehende

Das Splitting-Verfahren baut auf der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Ehe als Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs auf. Es geht von dem Grundsatz aus, dass das während der Ehe (Lebenspartnerschaft) Erworbene gemeinschaftlich erwirtschaftet ist und der eine Partner an den Einkünften und Lasten des anderen wirtschaftlich jeweils zur Hälfte teilhat. Mit dieser dem Splitting-Verfahren zugrunde liegenden Situation ist die Lage Alleinerziehender weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht vergleichbar. Die güterrechtlichen Regelungen und der Versorgungsausgleich sind im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern nicht anwendbar. Es liegt keine institutionell geregelte und andere Personen ausschließende Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs vor. Denn unabhängig von der gegenseitigen Unterhaltsverpflichtung ist das Verhältnis fast immer einseitig durch Fürsorge, Erziehung und Unterhalt der Kinder durch den Elternteil geprägt. Der allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) kann daher für die Inanspruchnahme des Splitting-Verfahrens nicht herangezogen werden. Das Begehren lässt sich auch nicht auf Art. 6 Abs. 1 GG stützen. Dieser besondere Gleichheitssatz untersagt es, Eltern oder alleinerziehende Elternteile gegenüber Kinderlosen schlechter zu stellen. Er gebietet indes nicht die Gewährung des Splitting-Tarifs für Alleinerziehende, sondern die Steuerfreiheit des Existenzminimums sämtlicher Familienmitglieder. Der Verschonung des Kinderexistenzminimums wird durch das Kindergeld oder die - wie hier - günstigeren Kinderfreibeträge genügt. 

Abzug der zumutbaren Belastung verfassungsgemäß

Unter Hinweis auf das BFH-Urt. v. 2.9.2015, VI R 32/13 (BStBl 2016 II S. 151) bestätigt der BFH auch, dass Krankheitskosten nur insoweit zu berücksichtigen sind, als sie die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) übersteigen. Denn das einkommensteuerrechtlich maßgebliche Existenzminimum richtet sich grundsätzlich nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau. Da auch Empfänger von Sozialleistungen Zuzahlungen aus den ihnen zur Verfügung gestellten Sozialleistungen bis zur Belastungsgrenze selbst zu erbringen haben (§ 61 SGB V), gehören diese nicht zum einkommensteuerrechtlichen Existenzminimum. 

Hinweis: Differenzierung erscheint ungerecht, ist aber nicht verfassungswidrig

Der BFH verweist im Wesentlichen auf den Beschluss des BVerfG v. 7.5.2013, 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07 (BVerfGE 133 S. 377) zum Ausschluss eingetragener Lebenspartner vom Ehegattensplitting und auf den Beschluss in dem der Streitentscheidung vorangegangenen Aussetzungsverfahren (BFH v. 17.10.2012, III B 68/12, BFH/NV 2013 S. 362). Der BFH verneint einen Gleichheitsverstoß damit, dass die Sachverhalte nicht vergleichbar seien. Außerdem ist dem Gesetzgeber in der Ausgestaltung der einkommensteuerrechtlichen Belastung ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Ein Verstoß gegen Art. 6 GG (Schutz von Ehe und Familie) wird damit zurückgewiesen, dass das Kinderexistenzminimum durch Kindergeld/Kinderfreibeträge verschont wird. Gleichwohl erscheint es ungerecht, dass ein 2-Personen-Haushalt je nachdem unterschiedlich belastet wird, ob es sich um eine Splitting-Gemeinschaft (Ehe/Lebenspartnerschaft) oder um einen Alleinverdiener mit Kind handelt. Entsprechendes gilt - wie im Streitfall - für einen Drei-Personenhaushalt. Die ESt der S (Alleinverdienerin mit 2 Kindern) war um 7.500 EUR höher als für einen Dreipersonenhaushalt bestehend aus Eltern (Lebenspartnern) und einem Kind. Die Rechtslage erscheint damit zwar als ungerecht, wird vom BFH jedoch nicht für verfassungswidrig erachtet. Es dürfte zu erwarten sein, dass die Problematik mit der Verfassungsbeschwerde dem BVerfG vorgelegt wird. Entsprechende Fälle sollten deshalb und auch im Hinblick auf eine mögliche gesetzliche Neuregelung (Stichwort: Familiensplitting oder Erhöhung der Freibeträge) offen gehalten werden. 

Verfassungsbeschwerde zu Krankheitskosten nicht angenommen

Gegen das Urteil zur Minderung der außergewöhnlichen Belastung um die zumutbare Belastung in Krankheitsfällen wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt. Im Hinblick darauf wurden Veranlagungen insoweit nur vorläufig durchgeführt (BMF v. 11.4.2016, BStBl 2016 I S. 450). Nachdem das BVerfG die Verfassungsbeschwerde nicht angenommen hat (BVerfG v. 23.11.2016, 2 BvR 180/16) hat sich die Problematik für die Praxis erledigt. Weitere Rechtsbehelfe sind aussichtslos.

BFH, Beschluss v. 29.9.2016, III R 62/13, veröffentlicht am 4.1.2017

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