BFH

Zur Verfassungsmäßigkeit des Gewinnzuschlags nach § 6b Abs. 7 EStG


Höhe des Gewinnzuschlags nach § 6b Abs. 7 EStG

Gegen die Höhe des Gewinnzuschlags nach § 6b Abs. 7 EStG bestehen auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Hintergrund: Höhe des Zinssatzes nach § 6b Abs. 7 EStG

Ist eine Rücklage nach § 6b EStG am Schluss des vierten bzw. sechsten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden, ist sie nach § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG zu diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen. Dessen ungeachtet ist der Steuerpflichtige berechtigt, die von ihm wirksam gebildete Rücklage schon während des Laufs der Reinvestitionsfrist ganz oder teilweise gewinnerhöhend aufzulösen, ohne in dieser Höhe die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Reinvestitionsgutes zu kürzen. In beiden Fällen ist der Gewinn des Wirtschaftsjahres, in dem die Rücklage aufgelöst wird, für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um 6 % des aufgelösten Rücklagenbetrags zu erhöhen (§ 6b Abs. 7 EStG).

Rechtsfrage

Der Streitfall befasst sich im Wesentlichen mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Gewinnzuschlags nach § 6b Abs. 7 EStG unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG zur sogenannten Vollverzinsung nach § 233a AO vom 8.7.2021, 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, BVerfGE 158, 282.

Entscheidung: Gewinnzuschlag ist verfassungsgemäß

Der BFH hat die Revision der Klägerinnen als unbegründet zurückgewiesen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Gewinn des Wirtschaftsjahres 2020/2021 nach § 6b Abs. 7 EStG für jedes Jahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um einen Gewinnzuschlag i. H. v. 6 % des aufgelösten Rücklagenbetrags zu erhöhen ist.

Kein Verstoß gegen allgemeinen Gleichheitsgrundsatz

Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel, ob der Anwendungsbereich des Art. 3 Abs.  1 GG eröffnet ist. Denn § 6b Abs. 7 EStG sieht einen Gewinnzuschlag nur dann vor, falls die Rücklage aufgelöst wird, ohne dass sie auf ein Reinvestitionsgut übertragen worden ist. Hingegen wird der Gewinn nicht um einen Gewinnzuschlag erhöht, falls die Rücklage innerhalb der Reinvestitionsfrist auf ein Reinvestitionsgut übertragen wird oder auf die Bildung einer gewinnmindernden Rücklage verzichtet wurde. Zwar ist allen Fallgestaltungen gemein, dass die Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter zu einer Gewinnrealisierung geführt hat. Ob der Gewinn im Jahr der Veräußerung oder im Anwendungsbereich des § 6b EStG zu einem späteren Zeitpunkt besteuert wird, hängt indes maßgeblich von dem Wahlrecht des Steuerpflichtigen ab, ob und in welcher Höhe er eine Rücklage bildet, ob er diese auf ein Reinvestitionsgut überträgt und zu welchem Zeitpunkt er diese freiwillig auflöst oder zwangsweise auflösen muss. Angesichts der unterschiedlich ausgestalteten Wahlrechte bestehen erhebliche Zweifel an der Vergleichbarkeit dieser Fallgruppen, die den Anwendungsbereich des Art. 3 GG überhaupt eröffnen könnte.

Gewinnzuschlag sachlich gerechtfertigt

Letztlich kann dies aber dahinstehen, da eine etwaige Ungleichbehandlung der v. g. Vergleichsgruppen jedenfalls sachlich gerechtfertigt ist. Denn angesichts der dem Steuerpflichtigen eröffneten Wahlrechte im Zusammenhang mit der Bildung, Übertragung und Auflösung der Rücklage bemisst sich die Rechtfertigung für eine durch den Ansatz eines Gewinnzuschlags zu rechtfertigende Ungleichbehandlung nicht nach einem strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstab. Vielmehr genügt bereits das Vorliegen eines sachlichen Rechtfertigungsgrunds.

§ 6b EStG ist eine Lenkungs- oder Sozialzwecknorm mit Subventionscharakter. Dieses Subventionsangebot hat der Gesetzgeber in § 6b Abs. 7 EStG mit einem Gewinnzuschlag bewehrt. Damit will er den durch die Bildung der Rücklage im Laufe des Reinvestitionszeitraums entstandenen (Steuerstundungs-)Vorteil des Steuerpflichtigen durch Erhöhung des Gewinns im Jahr der Auflösung der Rücklage rückgängig machen, wenn die begünstigte (volkswirtschaftlich erwünschte) Reinvestition nicht vorgenommen wird. Denn in diesen Fällen besteht aus Sicht des Gesetzgebers keine wirtschaftspolitische Notwendigkeit, dem Steuerpflichtigen den durch die Bildung der Rücklage eingetretenen („Zins“)Vorteil zu belassen. Zugleich dient der Gewinnzuschlag der Vermeidung einer „missbräuchlichen Inanspruchnahme“ des Rücklagewahlrechts und sichert damit den subventiven Zweck der Reinvestitionsbegünstigung.

Damit ist der Gewinnzuschlag auf den nicht zur Reinvestition genutzten Rücklagenbetrag dem Grunde nach verfassungsrechtlich hinreichend sachlich gerechtfertigt und von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Denn es ist dem Gesetzgeber nicht verwehrt, – jenseits des Vorteilsausgleichs – seinem Subventionsangebot Nachdruck zu verleihen, Mitnahmeeffekte zu vermeiden und Regelungen vorzusehen, die eine Verwirklichung des Normzwecks (Reinvestition) in angemessener Weise sicherstellen sollen.

Höhe Gewinnzuschlags nicht zu beanstanden

Auch die Höhe des 6 %-igen Gewinnzuschlags steht mit der Verfassung in Einklang. Dies gilt entgegen der Auffassung der Klägerinnen auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau. Der Gesetzgeber ist im Hinblick auf den dargelegten Lenkungszweck von Reinvestitionsbegünstigung und Gewinnzuschlag nicht gehalten, sich bei der Bemessung des Gewinnzuschlags ausschließlich an dem vom Steuerpflichtigen zu erzielenden Stundungsvorteil zu orientieren. Er ist deshalb auch nicht verpflichtet, den Gewinnzuschlag der Höhe nach fremdkapitalmarktkonform und insoweit realitätsgerecht auszugestalten. Vielmehr erlaubt ihm der wirtschaftslenkende Zweck von Reinvestitionsbegünstigung und Gewinnzuschlag, den Zuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG unabhängig von der Höhe des (Stundungs-)Vorteils, den der Steuerpflichtige durch die Bildung der Rücklage erzielt, anzusetzen.

Daher ist auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Höhe des Gewinnzuschlags nicht mit einem Zinssatz auf die Steuer bemisst, die ohne Rücklagenbildung im Veräußerungsjahr beim Steuerpflichtigen angefallen wäre, sondern aus Gründen der Steuervereinfachung in pauschalierter Weise mit 6 % des Rücklagenbetrags für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat. Durch die pauschale Berechnungsmethode wird die im Einzelfall schwierige Ermittlung des (konkreten) wirtschaftlichen Vorteils unter Beachtung von Zins und Zinseszins und dem jeweiligen Steuersatz vermieden. Der Gesetzgeber hat insoweit eine weitreichende Typisierungsbefugnis.

Im Übrigen eröffnet § 6b EStG eine Vielzahl von Wahlrechten, deren Inanspruchnahme – neben dem Stundungseffekt der Reinvestitionsregelung – zu einer niedrigeren Steuer oder sogar völligen Steuerbefreiung des von der Sofortbesteuerung ausgenommenen Veräußerungsgewinns (einschließlich des Gewinnzuschlags) führen kann. So kann die Rücklage wahlweise in einem Jahr mit einem niedrigeren (Grenz )Steuersatz aufgelöst werden. Auch lässt sich ein Veräußerungsgewinn (einschließlich des Zuschlags) über die Bildung einer Rücklage in einen tarifbegünstigten oder steuerfreien Gewinn umwandeln, wenn die Rücklage im Rahmen einer Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung (zwangs-)aufgelöst wird.

Aus Rechtsprechung des BVerfG zur Vollverzinsung folgt nichts anderes

Nach dem Beschluss des BVerfG ist der Gesetzgeber gehalten, bei einer gesetzlichen, für den Steuerpflichtigen nicht verfügbaren Zinssatztypisierung den abzuschöpfenden Vorteil realitätsgerecht zu bemessen (BVerfG v. 8.7.2021, 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17). Die in diesem Beschluss genannten Grundsätze lassen sich jedoch nicht auf den Gewinnzuschlag übertragen. Denn Gewinnzuschlag und Nachzahlungszinsen sind insoweit nicht miteinander vergleichbar. Bei dem Gewinnzuschlag handelt es sich nicht um eine gesetzliche (für Steuerpflichtige unausweichliche) Zinssatztypisierung. Vielmehr hat der Steuerpflichtige nach § 6b EStG zunächst die Wahl, ob er eine Gewinnrücklage bildet, den damit einhergehenden Stundungsvorteil in Anspruch nimmt und später in ein Ersatzwirtschaftsgut investiert oder nach Bildung der Rücklage von einer Reinvestition gewinnzuschlagbewehrt Abstand nimmt. Das Entstehen des Gewinnzuschlags gründet damit allein im Verhalten des Steuerpflichtigen.

BFH, Urteil v. 20.3.2025, VI R 20/23; veröffentlicht am 3.7.2025

Alle am 3.7.2025 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen


Schlagworte zum Thema:  Rücklage , Zinsen , Grundgesetz , Einkommensteuer
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