Grunderwerbsteuer für den Erwerb von Gesellschaftsanteilen

Fallen das schuldrechtliche Erwerbsgeschäft (sog. Signing) und die Übertragung der GmbH-Anteile (sog. Closing) zeitlich auseinander, kann zweimal Grunderwerbsteuer festgesetzt werden – vorausgesetzt, dem Finanzamt ist im Zeitpunkt der Festsetzung der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG bekannt, dass das Closing bereits erfolgt ist.

Vor dem FG Berlin-Brandenburg wurde folgender Fall entschieden: Die Antragstellerin ist eine juristische Person in der Rechtsform einer GmbH; Gesellschafter und Geschäftsführer ist B. Die Antragstellerin erwarb mit notariell beurkundetem Kaufvertrag die Geschäftsanteile der E-GmbH von deren Gesellschaftern, der F-GmbH und der G-GmbH. Im Anschluss traten die Verkäufer die Anteile an der E-GmbH an die Antragstellerin ab.

Die Abtretungen erfolgten unter der Bedingung der Zahlung des gesamten vereinbarten vorläufigen Kaufpreises. Vereinbart war ein vorläufiger Kaufpreis der Anteile von X EUR (sog. Signing). Die E-GmbH ist Eigentümerin des Grundstücks H in D.

Der Notar meldete den Geschäftsanteilskaufvertrag mit am 4.4.2024 beim Antragsgegner eingegangenen Schreiben. Am 29.3.2024 wurden die Anteile tatsächlich übertragen (sog. Closing). Eine Mitteilung durch den Notar erfolgte nicht.

Festsetzung von Grunderwerbsteuer

Mit Bescheid vom 30.5.2024 setzte das Finanzamt gegenüber der E-GmbH Grunderwerbsteuer in Höhe von X EUR fest. Bemessungsgrundlage war ein geschätzter Bodenrichtwert. Besteuert wurde die Änderung im Gesellschafterbestand durch den Vertrag vom 11.3.2024 gemäß § 1 Abs. 2b GrEStG. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO).

Mit weiterem Bescheid vom 30.5.2024 setzte der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin Grunderwerbsteuer ebenfalls in Höhe von X EUR fest. Bemessungsgrundlage war ebenfalls ein geschätzter Bodenrichtwert X EUR.

Besteuert wurde die Anteilsvereinigung durch den Vertrag vom 11.3.2024 gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO). Die Grunderwerbsteuer wurde fristgerecht gezahlt. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein.

Das Einspruchsverfahren ist noch nicht beendet. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde abgelehnt. Die Antragstellerin hat einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt, den sie wie folgt begründet:

Der Grunderwerbsteuer-Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG setze voraus, dass der hier zu Grunde liegende Vertrag einen Anspruch auf Übertragung der Anteile an der E-GmbH begründe. Ein solcher Vertrag liege jedoch nicht vor. Der hier zu Grunde liegende Vertrag sei auf die Übertragung der Anteile an der E-GmbH gerichtet. Die Übertragung von mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft führe zu einem grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang nach § 1 Abs. 2b GrEStG. Steuerschuldner sei hierbei die grundbesitzende Gesellschaft. Der gegen die E-GmbH gerichtete Bescheid sei insoweit auch nicht zu beanstanden. In rechtlicher Hinsicht liege ein einziger Vorgang in Form der Übertragung der Anteile an der E-GmbH auf die Antragstellerin vor.

Entstehung der Grunderwerbsteuer 

Bei Gesamtbetrachtung dieses einen rechtlichen Vorgangs sei die Entstehung der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG unstreitig. Die nochmalige Entstehung der Grunderwerbsteuer auf denselben Vorgang nach § 1 Abs. 3 1. Halbsatz GrEStG sei ausgeschlossen. Eine weitere Festsetzung sei zudem als widerstreitende Steuerfestsetzung nach § 174 Abs. 1 AO anzusehen. Die Antragstellerin beantragt, die Vollziehung des Bescheides über Grunderwerbsteuer vom 30.5.2024 in Höhe von X EUR aufzuheben − hilfsweise die Beschwerde zum BFH zuzulassen. Das Finanzamt (Antragsgegner) beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Besteuerung der Fälle Signing und Closing war rechtens

Nach Auffassung des FG Berlin-Brandenburg ist der Antrag unbegründet. Es argumentiert unter anderem wie folgt: Die Voraussetzungen des § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO und § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO, § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO und § 69 Abs. 2 Satz 7 FGO sind im Streitfall nicht gegeben. Nach der im Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung gebotenen und auch ausreichenden summarischen Prüfung bestehen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.

Bescheid war rechtmäßig

Der Antragsgegner durfte nach summarischer Prüfung den angefochtenen Bescheid erlassen. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG liegen dem Grunde nach vor. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Ebenso ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass für die E-GmbH die Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG zu Recht erfolgt ist. Zwischen den Beteiligten ist ausschließlich streitig, wie die Formulierung "soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a und 2b nicht in Betracht kommt" auszulegen ist.

Eine wörtliche Auslegung der Vorschrift, wie die Antragstellerin sie begehrt, kommt nach summarischer Prüfung indes nicht in Betracht. Vielmehr wird entgegen der Auffassung der Antragstellerin der Vorrang des § 1 Abs. 2b GrEStG – soweit wie hier die Besteuerungszeitpunkte des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG und des § 1 Abs. 2b GrEStG auseinanderfallen – durch § 16 Abs. 4a GrEStG i. V. mit § 16 Abs. 5 Satz 2 GrEStG umgesetzt (Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur betr. Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG v. 5.3.2024, BStBl 2024 I S. 383). Es besteht kein Anspruch auf eine Aufhebung der festgesetzten Grunderwerbsteuer nach § 16 Abs. 4a GrEStG. Denn die Antragstellerin hat die sich aus § 16 Abs. 5 GrEStG ergebenden Fristen nicht eingehalten.

Keine widerstreitende Steuerfestsetzung nach § 174 Abs. 1 AO 

Der gegenüber der Antragstellerin gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG besteuerte Sachverhalt ergibt sich aus der grunderwerbsteuerrechtlich veränderten Zuordnung des Grundstücks. Mit dem Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen – hier die Antragstellerin – so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen. Dagegen ist die Festsetzung der Grunderwerbsteuer gegenüber der E-GmbH auf Grundlage der qualifizierten Änderung des Gesellschafterbestands, mit der die Übereignung des Grundstücks auf die nunmehr aus der Antragstellerin bestehenden "fiktiv neuen E- GmbH" fingiert wird, erfolgt (§ 1 Abs. 2b GrEStG).

Keine Übermaßbesteuerung

Eine übermäßige Belastung kann schon deshalb nicht eintreten, weil der Gesetzgeber mit der durch § 16 Abs. 4a GrEStG getroffenen Regelung dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt hat, bei Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2b GrEStG (Closing) die Aufhebung oder Änderung der Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG (für den Zeitpunkt des Signings) zu beantragen, was zur Folge hat, dass im Ergebnis nur die Festsetzung gemäß § 1 Abs. 2b GrEStG verbleibt. Der Steuerpflichtige hat es damit selbst in der Hand, durch eine rechtzeitige und in allen Teilen vollständige Anzeige den zweifachen Anfall von Grunderwerbsteuer zu vermeiden. Aus ihrem eigenen Versäumnis kann die Antragstellerin daher keinen Verstoß gegen das Übermaßverbot ableiten.

FG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 9.1.2025, 12 V 12130/24


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