Grunderwerbsteuer: Signing und Closing

Es ist bei summarischer Prüfung nicht rechtlich zweifelhaft, dass bei einem Erwerb von Anteilen an einer GmbH, bei dem das schuldrechtliche Erwerbsgeschäft (Signing) und die Übertragung der GmbH-Anteile (Closing) zeitlich auseinanderfallen, Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG für das Closing festgesetzt werden darf.

Die rechtlichen Zweifel, ob neben der Festsetzung nach § 1 Abs. 2b GrEStG zusätzlich Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG für das Signing festgesetzt werden darf (vgl. Beschluss des BFH v. 9.7.2025, II B 13/25 AdV), rechtfertigen keine Aussetzung der Vollziehung in Bezug auf die Festsetzung von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG für das Closing.

Hintergrund: Gesetzliche Regelung

Nach § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG gilt es als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Kapitalgesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft, wenn sich innerhalb von 10 Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändert, dass mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen und zum Vermögen der Kapitalgesellschaft ein inländisches Grundstück gehört.

Sachverhalt: Veräußerung sämtlicher Anteile an einer GmbH

  • Mit notariell beurkundetem Geschäftsanteilskauf- und -abtretungsvertrag vom 22.3.2024 (sog. Signing) veräußerte die H GmbH sämtliche Anteile an der Antragstellerin – einer GmbH – an die M GmbH.
  • Zugleich erklärte sie die Abtretung der Anteile unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Zahlung des Kaufpreises auf das Notaranderkonto (sog. Closing). Der Kaufpreis war zum 2.4.2024 fällig.
  • Zuvor hatte die Antragstellerin mit Vertrag vom 17.8.2023 das Grundstück in X (Inland) erworben. Die Fälligkeit des Kaufpreises wurde von den Vertragsparteien bis zum 31.3.2024 verlängert bzw. bis zum 30.4.2024 gestundet. Für den Fall nicht vollständiger Kaufpreiszahlung sah der Vertrag zugunsten der Verkäuferin ein Rücktrittsrecht vor, das nicht ausgeübt wurde. Die für den Erwerb des Grundstücks mit Bescheid vom 19.9.2023 festgesetzte Grunderwerbsteuer wurde von der Antragstellerin vollständig bezahlt. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
  • In den Geschäftsanteilskauf- und -abtretungsvertrag vom 22.3.2024 wurde der Grundstückskaufvertrag als Anlage aufgenommen. Es wurde vereinbart, dass der M GmbH ein Rücktrittsrecht für den Fall zusteht, dass die Verkäuferin aus dem Grundstückskaufvertrag vom 17.8.2023 ihr Rücktrittsrecht mangels Kaufpreiszahlung ausüben sollte. Das Rücktrittsrecht zugunsten der M GmbH sollte spätestens zum 15.5.2024 erlöschen, wenn es bis dahin nicht wirksam ausgeübt oder auf seine Ausübung verzichtet worden sein sollte.
  • Am 28.3.2024 zeigte die Notarin den Abschluss des Geschäftsanteilskauf- und -abtretungsvertrags beim Finanzamt (FA) an. Am 2.4.2024 wurde der Kaufpreis von der M GmbH auf das Notaranderkonto eingezahlt.
  • Das FA setzte jeweils mit Bescheid vom 30.5.2024 zweimal Grunderwerbsteuer fest. Zum einen gegenüber der M GmbH wegen der Anteilsübertragung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG und zum anderen gegenüber der Antragstellerin aufgrund des Wechsels im Gesellschafterbestand nach § 1 Abs. 2b GrEStG. Gegen den ihr gegenüber ergangenen Bescheid nach § 1 Abs. 2b GrEStG legte die Antragstellerin Einspruch ein, über den das FA noch nicht entschieden hat. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das FA mit Bescheid vom 10.7.2024 ab.
  • Am 24.6.2024 zeigte die Notarin gegenüber dem FA an, dass der Kaufpreis am 2.4.2024 auf das Notaranderkonto eingezahlt worden sei.

Antragstellerin legt Beschwerde zum BFH ein

Der von der Antragstellerin beim FG gestellte AdV-Antrag blieb ohne Erfolg. Mit ihrer vom FG zugelassenen Beschwerde trägt die Antragstellerin vor, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des ihr gegenüber ergangenen Bescheids. Eine zweifache Belastung desselben Anteilsübergangs mit Grunderwerbsteuer sei vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen und verstoße auch gegen das Übermaßverbot. Überdies habe der Antragstellerin im Zeitpunkt der Anteilsübertragung noch kein Grundstück gehört, da ihr lediglich ein Anspruch auf Grundstücksübereignung unter Rücktrittsvorbehalt zugestanden habe.

Entscheidung: Es darf Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG für das Closing festgesetzt werden

Nach Auffassung des BFH hat das FG zu Recht entschieden, dass der Antrag auf AdV unbegründet ist. Das FG hat zutreffend die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG als erfüllt angesehen. Bei der gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des nach § 1 Abs. 2b GrEStG gegenüber der Antragstellerin ergangenen Grunderwerbsteuerbescheids vom 30.5.2024.

Änderung des Gesellschafterbestands

Mit der Abtretung sämtlicher Anteile an der Antragstellerin durch die H GmbH an die M GmbH aufgrund des notariellen Vertrags vom 22.3.2024 hat sich der Gesellschafterbestand der Antragstellerin vollständig i. S. d. § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG unmittelbar geändert. Da die Abtretung unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung stand, trat der Gesellschafterwechsel mit Wirkung zum 2.4.2024, dem Zeitpunkt des Eingangs der Kaufpreiszahlung auf dem Notaranderkonto, ein (vgl. § 14 Nr. 1 GrEStG).

Grundstück im Zeitpunkt des tatsächlichen Übergangs der Anteile Vermögen der Antragstellerin

Ob ein Grundstück i. S. d. § 1 Abs. 2b GrEStG zum Vermögen einer Gesellschaft gehört, richtet sich weder nach dem Zivilrecht noch nach § 39 AO. Maßgeblich ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung. Ein inländisches Grundstück ist danach einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 2b GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen, wenn sie zuvor in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat. Für Zwecke des § 1 Abs. 2b GrEStG ist es der Gesellschaft nicht mehr zuzurechnen, wenn ein Dritter in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat.

Die Antragstellerin hatte das Grundstück mit notariellem Grundstückskaufvertrag vom 17.8.2023 erworben und damit in Bezug auf das Grundstück den Erwerbstatbestand nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Der Grundstückskaufvertrag war wirksam, insbesondere stand er weder unter einer Bedingung i. S. d. § 14 Nr. 1 GrEStG noch war er von einer Genehmigung i. S. d. § 14 Nr. 2 GrEStG abhängig. Zugunsten der Antragstellerin wurde ein zivilrechtlich wirksamer und durchsetzbarer Anspruch auf Übereignung des Grundstücks begründet. Der Umstand, dass die Zahlung des Kaufpreises im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht gesichert war und der Verkäuferin möglicherweise ein Rücktrittsrecht zustand, ändert nichts an der Tatbestandsverwirklichung. Die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung des Grundstücks zu der Antragstellerin im Zeitpunkt der Steuerentstehung am 2.4.2024 ist auch nicht nachträglich entfallen, da das Grundstück nicht i. S. d. § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG an einen Dritten weiterveräußert wurde.

Kein Anspruch aus § 16 Abs. 4a Satz 1 GrEStG auf Aufhebung

Nach dieser Vorschrift wird auf Antrag die Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 oder nach § 1 Abs. 3a GrEStG aufgehoben oder geändert, wenn die Anteile in Erfüllung eines Rechtsgeschäfts i. S. d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG oder des § 1 Abs. 3a GrEStG nach Abschluss dieses Rechtsgeschäfts übergehen und dadurch der Tatbestand des § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG verwirklicht wird. Damit kann u. a. derjenige, dem aufgrund Rechtsgeschäfts ein Anspruch auf Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft zusteht und der damit den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG verwirklicht hat, nach dem Übergang der Anteile beantragen, dass die Steuer für den nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang nicht festgesetzt wird bzw. eine bereits erfolgte Steuerfestsetzung aufgehoben wird.

Danach kommt bei summarischer Prüfung eine Aufhebung des gegenüber der Antragstellerin ergangenen Bescheids vom 30.5.2024 nach § 16 Abs. 4a Satz 1 GrEStG nicht in Betracht. Die nach dieser Vorschrift vorgesehene Aufhebung oder Änderung betrifft die Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 oder nach § 1 Abs. 3a GrEStG. Die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG ist dagegen nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht vorgesehen. Das FG hat daher zu Recht angenommen, dass es im vorliegenden Verfahren an einem nach § 16 Abs. 4a Satz 1 GrEStG aufhebungsfähigen Bescheid fehlt. Der im Streitfall nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ergangene Bescheid vom 30.5.2024 wurde gegenüber der M GmbH erlassen und ist nicht Gegenstand des vorliegenden AdV-Verfahrens.

Hinweis: Kein Verstoß gegen Übermaßverbot

Das weitere Vorbringen der Antragstellerin, die doppelte Festsetzung von Grunderwerbsteuer für denselben Anteilsübergang sei vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen und verstoße zudem gegen das Übermaßverbot, rechtfertigt bei summarischer Prüfung ebenfalls nicht die Gewährung der AdV in Bezug auf den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid vom 30.5.2024. Zwar hat der Senat entschieden, dass es ernstlich zweifelhaft ist, ob das FA bei einem Erwerb von Anteilen an einer GmbH, bei dem das schuldrechtliche Erwerbsgeschäft (Signing) und die Übertragung der GmbH-Anteile (Closing) zeitlich auseinanderfallen, zweimal Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b und nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG festsetzen darf, wenn ihm im Zeitpunkt der Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG bekannt ist, dass die Übertragung der GmbH-Anteile (Closing) bereits erfolgt ist (vgl. hierzu BFH, Beschluss v. 9.7.2025, II B 13/25 [AdV]). Die Entscheidung betrifft jedoch die Frage, ob in solchen Fällen neben einer Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG zusätzlich noch eine Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfolgen darf, die lediglich auf Antrag unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 4a, 5 GrEStG wieder aufgehoben oder geändert werden kann oder ob im Hinblick auf den gesetzlichen Vorrang der Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b vor § 1 Abs. 3 GrEStG eine Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG von vornherein zu unterbleiben hat. Die Gewährung der AdV in Bezug auf eine Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 2b GrEStG, um die es im Streitfall geht und die nach dem gesetzgeberischen Willen Anwendungsvorrang vor einer Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG haben sollte, kann hieraus nicht abgeleitet werden.

BFH, Beschluss v. 16.9.2025, II B 23/25 (AdV); veröffentlicht am 2.10.2025

Alle am 2.10.2025 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen



Schlagworte zum Thema:  Grunderwerbsteuer , Kapitalgesellschaft
0 Kommentare
Das Eingabefeld enthält noch keinen Text oder nicht erlaubte Sonderzeichen. Bitte überprüfen Sie Ihre Eingabe, um den Kommentar veröffentlichen zu können.
Noch keine Kommentare - teilen Sie Ihre Sicht und starten Sie die Diskussion