Gemeinnützigkeit einer kommunalen Rettungsdienst-GmbH

Hintergrund
Die Frage, ob die öffentliche Hand gemeinnützig i.S. des Steuerrechts (§§ 51 ff. AO) tätig sein kann, wenn sie sich über eine Kapitalgesellschaft – eine sog. Eigengesellschaft – privatwirtschaftlich betätigt, insbesondere wenn die Eigengesellschaft in die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben ihres Trägers eingebunden ist, war bislang höchst umstritten. Der BMF und ein Teil der Literatur vertreten die Auffassung, der Staat sei generell gemeinnützigkeitsunfähig. Die Begründung sehen sie darin, dass alle staatlichen und kommunalen Körperschaften verfassungsrechtlich zu einer selbstlosen Erfüllung der Gemeinwohlaufgaben verpflichtet sind, woraus folge, dass die Gemeinnützigkeit als staatliche Förderung des privaten Altruismus der hoheitlichen Verwaltung insgesamt verschlossen bleiben müsse. Ein anderer Teil der Literatur hat aus der Tatsache, dass der Staat seine Pflichtaufgaben uneigennützig zu erfüllen habe, die gegenteilige Auffassung abgeleitet, dass nämlich der Staat gerade aus diesem Grund zwangsläufig die subjektiven Voraussetzungen der steuerlichen Gemeinnützigkeit erfülle. Der BFH hatte die Frage bisher offen gelassen. Mit der vorliegenden Entscheidung hat der BFH die Gemeinnützigkeitsfähigkeit solcher Eigengesellschaften nun im Grundsatz bejaht.
Ein Landkreis in Brandenburg hatte als alleiniger Gesellschafter eine GmbH gegründet, die die Aufgaben nach dem Brandenburgischen Rettungsdienstgesetz wahrnehmen sollte, nämlich die medizinische Notfallrettung, den Krankentransport und den Betrieb von Rettungswachen. Die GmbH sollte selbstlos tätig sein und ihre Mittel nur für satzungsgemäße Zwecke verwenden. Das Finanzamt verweigerte der GmbH die Anerkennung als gemeinnützige und somit von der Körperschaft- und der Gewerbesteuer befreite Körperschaft mit der Begründung, dass sie nicht selbstlos tätig werde, weil sie als kommunale Eigengesellschaft eine hoheitliche Pflichtaufgabe ihres Gesellschafters wahrnehme.
Entscheidung
Der BFH entschied, dass die GmbH als Eigengesellschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts grundsätzlich – auch dann, wenn sie wie hier in die Erfüllung gesetzlicher Pflichtaufgaben ihres Gesellschafters eingebunden ist – gemeinnützig tätig und damit steuerbegünstigt sein kann.
Der BFH konnte den Streitfall jedoch nicht abschließend entscheiden, weil er mangels ausreichender Feststellungen der Vorinstanz nicht beurteilen konnte, ob die GmbH dem Gebot der Selbstlosigkeit insofern gerecht geworden ist, als es um die Verwendung der Mittel geht. Das Gemeinnützigkeitsrecht untersagt nämlich Zuwendungen der begünstigten Gesellschaft an ihren Träger. Solche würden aber anzunehmen sein, wenn die GmbH für die Leistungen, die sie gegenüber dem Landkreis erbringt, nicht angemessen bezahlt worden ist. Dabei gelten für die öffentliche Hand schon aus Wettbewerbsgründen keine anderen Regeln als für private Körperschaften. Das bedeutet, dass zu einer angemessenen Bezahlung sowohl ein voller Aufwendungsersatz als auch ein marktüblicher Gewinnaufschlag gehört. Ob das hier der Fall war, wird das Finanzgericht in einem zweiten Rechtsgang zu prüfen haben.
Hinweis
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG und § 3 Nr. 6 Satz 1 GewStG sind Körperschaften, die nach der Satzung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO), von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer befreit. Das Finanzgericht hat im Streitfall angenommen, dass die GmbH gemeinnützigen Zwecken diene, weil diese zur Förderung des Gesundheitswesens i.S. des § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO tätig werde. Diese Auffassung teilte der BFH nicht. Unter den Begriff „Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens“ fallen – so der BFH – Tätigkeiten, die der Gesundheit der Bürger insbesondere durch Verhinderung und Bekämpfung von Seuchen und Krankheiten dienen. Dabei müssen diese Tätigkeiten eine auf das öffentliche Gesundheitswesen bezogene, übergreifende Funktion haben. Die Hilfe in individuellen Krankheitsfällen und damit auch die Notfallrettung gehören nicht dazu. Der BFH ging deshalb davon aus, dass die Tätigkeit der GmbH mildtätigen Zwecken i.S. von § 53 Nr. 1 AO dient. Danach verfolgt eine Körperschaft mildtätige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, Personen selbstlos zu unterstützen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Als eine solche Tätigkeit war die der GmbH hier einzustufen.
Urteil v. 27.11.2013, I R 17/12, veröffentlicht am 7.5.2014
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