Freiberufliche Tätigkeit von Ärzten

Ein selbständiger Arzt ist freiberuflich und nicht gewerblich tätig, wenn er auf die Tätigkeit des angestellten Fachpersonals patientenbezogen Einfluss nimmt, so dass die Leistung den "Stempel der Persönlichkeit" trägt.

Hintergrund

Die X-GbR betreibt eine Gemeinschaftspraxis für Anästhesie. Die Tätigkeit wird durch die Gesellschafter als mobiler Anästhesiebetrieb ohne eigene Praxisräume in der Praxis von Ärzten ausgeübt, die Operationen unter Narkose ausführen. Die Gesellschafter legen wöchentlich im Voraus fest, welcher Arzt bei welchem Operateur tätig werden soll. Jeweils einer der Gesellschafter führt eine Voruntersuchung durch und schlägt eine Behandlungsmethode vor. Die eigentliche Anästhesie führt sodann ein anderer Arzt aus.

Im Streitzeitraum beschäftigte die GbR eine angestellte Ärztin, die solche Anästhesien nach entsprechenden Voruntersuchungen der Gesellschafter in einfach gelagerten Fällen vornahm. Problematische Fälle blieben den Gesellschaftern vorbehalten.

Das FA ging davon aus, die GbR übe ihre ärztliche Tätigkeit wegen Beschäftigung der angestellten Ärztin nicht mehr leitend und eigenverantwortlich durch ihre Gesellschafter aus und sei deshalb gewerblich tätig. Denn nach der Berufsordnung sei die Ärztin zur eigenverantwortlichen und weisungsfreien Arbeit verpflichtet. Während der Operationen sei sie auf sich allein gestellt und müsse bei Komplikationen selbst entscheiden.

Dem widersprach das FG und hob die ergangenen Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuermessbescheide auf.

Entscheidung

Auch der BFH widerspricht dem FA und vertritt die großzügigere Auffassung des FG.

Die Mithilfe qualifizierten Personals ist für die Freiberuflichkeit des Berufsträgers unschädlich, wenn er bei der Erledigung der einzelnen Aufträge aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Dabei ist für einen Arzt ebenso wie für einen Krankenpfleger zu berücksichtigen, dass sie eine höchstpersönliche individuelle Arbeitsleistung am Patienten schulden und deshalb einen wesentliche Teil der Dienstleistungen selbst übernehmen müssen. Dafür reicht es aber aus, dass sie aufgrund ihrer Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrolle maßgeblich auf die Tätigkeit ihres angestellten Fachpersonals - patientenbezogen - Einfluss nehmen, so dass die Leistung den "Stempel der Persönlichkeit" des Steuerpflichtigen trägt.

Diese Voraussetzungen sieht der BFH im Streitfall aufgrund der von den Gesellschaftern durchgeführten Voruntersuchungen, der Festlegung der Behandlungsmethode und des Vorbehalts der Selbstbehandlung "problematischer Fälle" als gegeben an. In der Auffassung des FA, die Anästhesietätigkeit müsse durch die Gesellschafter selbst ausgeführt werden, sieht der BFH eine Überdehnung der Anforderungen an eine eigenverantwortliche und leitende ärztliche Tätigkeit.

Hinweis

Setzt ein Freiberufler in seinem Aufgabenbereich fachlich vorgebildete Hilfskräfte für nicht nur untergeordnete Tätigkeiten ein, stellt sich die Frage, ob er selbst noch aufgrund seiner Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig ist. Die Frage kann nur nach den Besonderheiten des jeweiligen Berufs beurteilt werden. Während bei einem Arzt für Labormedizin die individuelle Betreuung der Patienten im Hintergrund steht, erfordert der Betrieb einer Pflegestation den prägenden persönlichen Dienst am Patienten.

Im Streitfall hatte die angestellte Ärztin, nachdem ein Gesellschafter aufgrund von ihm durchgeführter Voruntersuchungen festgestellt hatte, dass es sich nicht um Problemfälle handelt, die Anästhesien in der jeweiligen Praxis des Operateurs selbständig durchzuführen. Sie musste also, wie das FA für seine ablehnende Auffassung hervorgehoben hatte, bei Komplikationen selbst entscheiden und konnte dabei nicht lediglich vorgegebene Anweisungen befolgen. Der Fall liegt damit anders als bei einem angestellten Zahnarzt, für den der Praxisinhaber im Nebenzimmer jederzeit erreichbar ist. Der Fall ist auch nicht vergleichbar mit der Tätigkeit eines angestellten Rechtsanwalts, der eine Fallbearbeitung oder auch eine Verhandlung unterbrechen und einen Kollegen zuziehen kann.

Die Entscheidung erscheint daher nicht unproblematisch. Sie betrifft einen Grenzfall, für den der BFH aufgrund der finanzgerichtlichen Tatsachenfeststellungen die Freiberuflichkeit bejaht. Der BFH lässt jedenfalls die Tendenz erkennen, das Kriterium der leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit nicht zu eng zu sehen. Da jeweils die tatsächlichen Umstände ausschlaggebend sind, ist in der Praxis die leitende und eigenverantwortliche Art und Weise der Berufsausübung konkret und nachvollziehbar darzustellen.  

BFH, Urteil v. 16.7.2014, VIII R 41/12, veröffentlicht am 7.1.2015

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