FG Hamburg legt Neuregelung der Tonnagesteuer dem BVerfG vor

Nach Ansicht des FG Hamburg stellt die rückwirkende Änderung des § 5a EStG durch den Gesetzgeber eine echte verfassungswidrige Rückwirkung dar.  

Gewinnermittlung nach Tonnage

Der Sachverhalt lässt sich etwas verkürzt wie folgt zusammenfassen: Der Klägerin wurde im Jahr 2005 ein Anteil an einer Einschiffsgesellschaft in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft (KG) geschenkt. Der anteilige Unterschiedsbetrag ging nach der seinerzeit allgemein vertretenen Rechtsauffassung auf die Klägerin über. Im Jahr 2012 wechselt die KG zurück zur herkömmlichen Gewinnermittlung, dies hatte die (teilweise) Auflösung des Unterschiedsbetrags zur Folge.

Die Klägerin vertrat hingegen die Auffassung, der Unterschiedsbetrag hätte bereits im Jahr der Schenkung aufgelöst werden müssen. Da das Finanzamt dies versäumt habe, sei eine Auflösung im Streitjahr 2012 nicht mehr zulässig. Das Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg, sodass die Klägerin sich an das Finanzgericht wandte. Sie berief sich hierbei auf die geänderte Rechtsprechung, nach der eine Auflösung des Unterschiedsbetrags in allen Fällen der Übertragung eines Gesellschaftsanteils zu erfolgen habe.

Das Finanzamt wies auf die geänderte Gesetzesfassung des § 5a Abs. 3 Satz 5 EStG und § 5a Abs. 3 Satz 6 EStG hin. Nach dieser sei nunmehr gesetzlich normiert, dass bei Schenkungen oder Erbschaften der Unterschiedsbetrag nicht aufzulösen sei, sondern auf den Beschenkten bzw. Erben übergehe. Diese Rechtslage sei nach § 52 Abs. 10 Satz 4 EStG rückwirkend ab 1999 anzuwenden. Die Klägerin vertrat die Ansicht, diese rückwirkende Gesetzesänderung sei verfassungswidrig.

Gesetzgeber veranlasste rückwirkende Neuregelung

Das FG Hamburg folgte der Argumentation der Klägerin. Es legte die Frage, ob es sich um eine unzulässige echte Rückwirkung handelt, dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor, da es von der Verfassungswidrigkeit der rückwirkenden Gesetzesänderung überzeugt war und diese Frage im Einzelfall entscheidungserheblich ist.

Der Gesetzgeber habe eine gesetzliche Bestimmung aufgrund einer geänderten Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 28.11.2019 - IV R 28/19) rückwirkend zu Lasten der Klägerin geändert. Eine der Fallgruppen, in denen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine rückwirkende Gesetzesänderung ausnahmsweise gerechtfertigt sei, liege hier nicht vor. Insbesondere liege kein unklarer Gesetzestext vor, auch überragende Belange des Allgemeinwohls seien nicht ersichtlich. Nach alledem sei es als verfassungswidrig anzusehen, dass der Gesetzgeber die Neufassung der Bestimmung des § 5a Abs. 3 EStG mit Wirkung ab 1.1.1999 für anwendbar erklärt habe. 

Vorlage an das BVerfG

Der Vorlagebeschluss des FG Hamburg ist in vollem Umfang zutreffend und zu begrüßen. Es ist immer ein Ärgernis, wenn der Gesetzgeber eine ihm (und/oder der Finanzverwaltung) missliebige Rechtsprechung des BFH durch eine Gesetzesänderung korrigiert. Besonders ärgerlich ist dies allerdings dann, wenn diese Gesetzesänderung als echte Rückwirkung, also als eine solche mit Wirkung für abgeschlossene Veranlagungszeiträume geschieht, obwohl echte Rückwirkungen nur in Ausnahmefällen im Steuerrecht zulässig sind.

Im Bereich der sog. Tonnagesteuer hat der Gesetzgeber allerdings in der letzten Zeit gleich zweimal versucht, Entscheidungen des BFH rückwirkend zu korrigieren. Im Hinblick auf die Frage, ob eine Kürzung des Ertrags aus der Auflösung des Unterschiedsbetrags für Zwecke der Gewerbesteuer der Kürzungsbestimmung nach § 9 Nr. 3 GewStG unterliegt, hat der Gesetzgeber versucht, die geänderte Rechtsprechung des BFH durch eine Gesetzesänderung rückwirkend ab 2006 aus der Welt zu schaffen.

Ob dies verfassungsgemäß gewesen ist, ist fraglich, aber noch nicht abschließend geklärt. Die zweite Gesetzesänderung – die hier maßgeblich ist – betraf die geänderte Rechtsprechung zur Frage der Auflösung des Unterschiedsbetrags bei Schenkung und Erbschaft. Hier war nahezu allgemeine Auffassung in Rechtsprechung, Verwaltung und Literatur, dass in diesen Fällen der Unterschiedsbetrag nicht aufzulösen ist. Nachdem die Rechtsprechung – ausgehend vom FG Hamburg – die gegenteilige Auffassung vertrat, hat der Gesetzgeber das Gesetz rückwirkend zum 1.1.1999 – und damit zum Zeitpunkt der Einführung des § 5a EStG – geändert. Die Verfassungswidrigkeit drängt sich hierbei geradezu auf.

Ist die rückwirkende Neuregelung verfassungswidrig?

In der Praxis ist allerdings in jedem Einzelfall zu prüfen, ob es sinnvoll ist, sich auf die Verfassungswidrigkeit der Neuregelung zu berufen. Im Sachverhalt, der dem Vorlagebeschluss des FG Hamburg zugrunde liegt, war dies der Fall, dies muss aber nicht stets so sein.     

Alles in allem bleibt zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht auf den ausführlich begründeten Vorlagebeschluss des FG Hamburg ebenfalls zu einer Verfassungswidrigkeit kommt, allein schon um dem Gesetzgeber aufzuzeigen, dass eine rückwirkende Gesetzesänderung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig ist.

FG Hamburg, Beschluss v. 24.11.2022, 6 K 68/21