FG Berlin-Brandenburg: Festsetzung eines Verspätungszuschlags

Bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlags im Fall einer fehlenden Zahlungsverpflichtung handelt es sich auch nach der aktuellen Rechtslage um eine Ermessensentscheidung. So hat das FG Berlin-Brandenburg entschieden.

Die Klägerin ist eine vermögensverwaltende Kapitalgesellschaft. Gesellschafter sind zwei Eheleute. Der Ehemann ist hierbei als Rechtsanwalt tätig.

Nachdem die Vollmacht der zuvor tätigen Steuerberaterin widerrufen worden war, übermittelte die Klägerin die Steuererklärungen für 2021 erst im September 2023 elektronisch. Das Finanzamt veranlagte gemäß der Steuererklärungen und setzte für Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer 2021 jeweils einen Verspätungszuschlag von 275 EUR fest, da die Steuererklärungen bis 31.10.2022 hätten eingereicht werden müssen.

Klägerin durch einen Berufsträger vertreten?

Gegen diese Festsetzungen wandte sich die Klägerin. Sie trug vor, dass die Klägerin durch einen Berufsträger vertreten gewesen wäre, nämlich den Ehemann, der Rechtsanwalt sei. Dies legte er gegenüber dem Finanzamt auch dar. Eine schriftliche Vollmacht reicht er nicht ein. In seiner ablehnenden Einspruchsentscheidung führte das Finanzamt aus, dass keine Gründe für eine entschuldbare Fristversäumnis erkennbar seien. Die steuerliche Beratung sei nicht nachgewiesen. Die Klägerin wandte sich an das zuständige Finanzgericht.

Klage teilweise erfolgreich

Das FG Berlin-Brandenburg gab der Klage lediglich hinsichtlich des Verspätungszuschlags zur Gewerbe- und Umsatzsteuer statt. Die Festsetzung des Verspätungszuschlags zur Körperschaftsteuer 2021 sei hingegen rechtmäßig.

Verspätungszuschlag zur Körperschaftsteuer

Die Steuererklärung hätte bis Ende Oktober 2022 abgegeben werden müssen. Bei Überschreiten einer Steuererklärungsfrist sei grundsätzlich ein Verspätungszuschlag festzusetzen. Die Verlängerung der Abgabefristen im Rahmen der Corona-Pandemie sei keine behördliche Fristverlängerung. Die Festsetzung eines Verspätungszuschlags zur Körperschaftsteuer sei danach dem Grunde und der Höhe nach zutreffend erfolgt. Die Tatsache, dass der Ehemann und Gesellschafter der Klägerin Rechtsanwalt sei, führe nicht zu einer verlängerten Erklärungsfrist.

Verspätungszuschlag zur Gewerbe- und Umsatzsteuer

Hingegen sei die Festsetzung eines Verspätungszuschlags zur Gewerbe- und Umsatzsteuer rechtswidrig gewesen. Das Finanzamt habe insofern sein Ermessen nicht ausgeübt. Der Gewerbesteuermessbetrag sei 0 EUR gewesen und bezüglich der Umsatzsteuer sei es zu einer Erstattung gekommen. Damit greife eine gesetzliche Rückausnahme zur grundsätzlichen Verpflichtung zur Festsetzung eines Verspätungszuschlags. In einem solchem Fall sei die Finanzverwaltung verpflichtet, eine Ermessensentscheidung bezüglich der Festsetzung eines Verspätungszuschlags vorzunehmen. Eine solche Ermessensausübung sei hier jedoch nicht erfolgt.

Ermessensentscheidung eher die Ausnahme

Die FG-Entscheidung beinhaltet gleich mehrere interessante Aspekte im Zusammenhang mit der Festsetzung eines Verspätungszuschlags nach der geltenden Rechtslage. Immer noch besteht grundsätzlich nach § 152 Abs. 1 AO ein Ermessen hinsichtlich der Frage, ob ein Verspätungszuschlag festzusetzen ist. Allerdings ist dieser Grundsatz durch die Regelungen in den nachfolgenden Absätzen für verschiedene Steuerarten dermaßen durch Sonderbestimmungen verdrängt, dass der Grundsatz in der Praxis tatsächlich die Ausnahme ist.

Keine behördliche Fristverlängerung?

Ist die Frist dann versäumt, ist ein Verspätungszuschlag festzusetzen – es besteht also kein Ermessen. So war die Lage denn auch hier im Hinblick auf die Körperschaftsteuer. Die Klägerin hatte die Steuererklärung zu spät abgegeben.

Hierbei bestätigte das Finanzgericht die Auffassung des Finanzamts, dass bei der Berechnung die Verlängerung der Abgabefrist aufgrund der Besonderheiten nicht zu berücksichtigen sei, da dies keine behördliche Fristverlängerung gewesen sei. Dies mag man durchaus auch anders sehen. Betroffene Steuerpflichtige sollten sich hierzu auf die Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen FG, Urteil v. 15.12.2023, 3 K 88/22, berufen und die finale Entscheidung des BFH abwarten.

Nichteingreifen des sog. Beraterprivilegs

Nachvollziehbarer erscheinen die Ausführungen des Gerichts zum Nichteingreifen des sog. Beraterprivilegs, nach dem für die Abgabe von Steuererklärungen in beratenen Fällen eine längere Frist vom Gesetzgeber eingeräumt wird. Ein Gesellschafter der Klägerin war zwar Rechtsanwalt, er ist aber zumindest nicht in nachvollziehbarer Weise als solcher für die Klägerin tätig gewesen.

Warum er sich nicht in nachvollziehbarer Weise hat beauftragen lassen, ist aus dem Sachverhalt nicht vollkommen ersichtlich. In jedem Fall ist aber die – nicht ohne Zweifel erscheinende – Rechtsprechung des BFH zu beachten, dass einem Steuerberater oder Rechtsanwalt in eigenen Angelegenheiten keine automatische Fristverlängerung zusteht.

Ermessensentscheidung bei Gewerbesteuer und Umsatzsteuer

Für die Gewerbesteuer und die Umsatzsteuer hat das Finanzamt das Gesetz nicht zutreffend angewendet. Hier kam es in beiden Fällen nicht zur Festsetzung einer Zahlung. In diesen Fällen sieht das Gesetz aber vor, dass es dann wieder im Wege einer Rückausnahme zur Anwendung der oben dargestellten grundsätzlichen Regelung kommt. Es besteht also ein Ermessen hinsichtlich der Festsetzung. Eine Ermessensentscheidung erfordert aber vom Finanzamt eine Ausübung des Ermessens. Eine solche Ermessensausübung ist unterblieben, so dass die Festsetzungen fehlerhaft waren.

Revision zugelassen

Die Revision zum BFH wurde zugelassen, da bislang insbesondere noch keine Entscheidung des BFH dazu vorliegt, wann das sog. Beraterprivileg bei einer vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaft zur Anwendung kommt. Außerdem ist das Gericht von einer Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen FG abgewichen, zu dem eine Revision beim BFH bereits anhängig ist (Az beim BFH VI R 2/24).

FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 17.9.2024, 8 K 8033/24


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