Erträgen aus intransparenten Investmentfonds

Der EuGH hat die deutsche Pauschalbesteuerung von Gewinnen aus sogenannten intransparenten ausländischen Investmentfonds für unzulässig erklärt.

Hintergrund

In dem vom 9.10.2014 ergangenen Urteil (Rechtssache C-326/12) entschied der Gerichtshof der EuGH nach einer Vorlage des FG Düsseldorf (FG Düsseldorf vom 3.5.2012, 16 K 3383/10 F), dass die Pauschalbesteuerung von Investmentfonds nach § 6 InvStG europarechtswidrig sei.

Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach, wenn ein ausländischer Investmentfonds die in dieser Regelung vorgesehenen, unterschiedslos für inländische und ausländische Fonds geltenden Verpflichtungen zur Bekanntmachung und Veröffentlichung bestimmter Angaben nicht erfüllt, die Erträge, die der Steuerpflichtige aus diesem Investmentfonds erzielt, pauschal zu besteuern sind, da diese Regelung dem Steuerpflichtige nicht ermöglicht, Unterlagen oder Informationen beizubringen, mit denen sich die tatsächliche Höhe seiner Einkünfte nachweisen lässt.

Diese Vorschrift zieht Konsequenzen für den Anleger, wenn der Fonds, an dem er beteiligt ist, bestimmte Nachweisvorschriften nicht einhält. Dann wird der Anleger nicht mit den ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträgen im Sinne des § 1 Abs. 3 InvStG, sondern pauschal besteuert. Es wird fingiert, der Anleger habe eine Rendite von 6 % erzielt.

Sachverhalt

Folgender Sachverhalt ging der Entscheidung voraus:

Die Klägerin ist Alleinerbin ihres im August 2002 verstorbenen aus Belgien stammenden Ehemannes. Dieser hatte Anteile an ausländischen thesaurierenden Investmentfonds erworben und diese in einem Depot bei der einer Bank in Belgien gehalten. Nachdem der gemeinsame Sohn seinen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hatte, übertrug die Klägerin zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs im Jahre 2003 das Depot zur Hälfte auf den Kläger. Von 2003 an wurden die Erträge aus diesen Kapitalanlagen gesondert und einheitlich festgestellt und ihnen jeweils zur Hälfte zugerechnet. Die Kläger erzielten hieraus im Jahr 2003 sowie in den Streitjahren 2004 bis 2008 unstreitig geringfügige Zinsen (aus laufender Rechnung) sowie Erträge aus den Investmentanteilen ("Fondserträge"). In den Einkommensjahren 2003 bis 2006 handelte es sich bei sämtlichen Investmentanteilen entweder um Anteile an sog. "schwarzen" Fonds, deren Besteuerung bis 2003 in § 18 Abs. 3 Auslandsinvestmentgesetz (AuslInvG) geregelt war, oder um Anteile an sog. "intransparenten" Fonds, deren Besteuerung in § 6 InvStG geregelt ist.

In den Einkommensjahren 2007 und 2008 erklärten die Kläger Erträge aus Anteilen an sechs Investmentfonds, von denen drei "intransparente" Fonds waren. Sie erklärten die Erträge aus ihren Anteilen an diesen Investmentfonds im Wege der Schätzung oder durch Ansatz anhand von ihren Erklärungen beigefügten Belegen oder Informationen aus der Börsenzeitung. Für die Jahre 2003 bis 2008 erklärten sie auf diese Weise Erträge in Höhe von insgesamt 71.462 EUR.

Das Finanzamt ermittelte die Erträge aus den intransparenten Fonds nach der Regel des § 6 InvStG pauschal. Nach seiner Berechnung beliefen sich die in den Jahren 2003 bis 2008 erzielten Erträge auf insgesamt 246.446 EUR Hiergegen wandten sich die Kläger. In dem Verfahren vor dem FG Düsseldorf verständigten sich die Parteien darauf, dass die Erträge für 2003 mit 4% der Rücknahmepreise zum 31.12.2003, d.h. auf 19.848 EUR, zu schätzen sind. Hinsichtlich der Einkommensjahre 2004 bis 2008 beantragen die Kläger, die Steuerbescheide abzuändern und als Kapitalerträge für diese Jahre die erklärten Beträge festzustellen, da § 6 InvStG nach ihrer Ansicht gegen die Bestimmungen des AEUV über den freien Kapitalverkehr verstößt.

Das FG Düsseldorf war der Ansicht, dass der in § 6 InvStG vorgesehene Mechanismus der pauschalen Besteuerung zwar unterschiedslos für inländische und ausländische intransparente Investmentfonds gelte, dass aber diese Bestimmung dennoch zu einer mittelbaren Diskriminierung intransparenter ausländischer Fonds führen könnte, da inländische Fonds in der Regel die Anforderungen des § 5 Abs. 1 InvStG erfüllten, während dies bei ausländischen Fonds in der Regel nicht der Fall sei.

Das FG Düsseldorf hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH mit der Rechtsfrage, ob die pauschale Besteuerung von Erträgen aus sog. "intransparenten" (inländischen und) ausländischen Investmentfonds nach § 6 InvStG gegen europäisches Gemeinschaftsrecht (Art. 56 EG) verstößt, also ob die pauschale Besteuerung von Erträgen aus sog. "transparenten" (inländischen und) ausländischen Investmentfonds gem. § 6 InvStG gegen Art. 63 AEUV verstößt, weil sie eine verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs Art. 65 Abs. 3 AEUV darstellt, mithin weil sie eine verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs (Art. 58 Abs. 3 EG) darstellt, zur Vorabentscheidung vorgelegt. Ein Investmentfonds gilt in Deutschland als intransparent, wenn der Fonds den in § 5 InvStG definierten umfangreichen Nachweis- und Veröffentlichungsverpflichtungen nicht fristgerecht nachkommt. Die Erträge aus intransparenten Fonds sind gemäß § 6 InvStG pauschal jährlich mit dem sogenannten Zwischengewinn zuzüglich 70% der Wertsteigerung innerhalb eines Kalenderjahres anzusetzen, mindestens aber mit 6% des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreises.

Entscheidung

Der EuGH bejahte mit Urteil vom 9.10.2014 die Rechtswidrigkeit der Vorschrift des § 6 InvStG und ist der Auffassung, dass die bisherige Besteuerung basierend auf einer pauschalen Bemessungsgrundlage gegen die freie Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. Zwar ist § 6 InvStG grundsätzlich für inländische und ausländische intransparente Investmentfonds anzuwenden, dennoch könnte die Bestimmung zu einer mittelbaren Diskriminierung von ausländischen Fonds führen. Inländische Fonds würden in aller Regel den Nachweis- und Veröffentlichungsverpflichtungen des § 5 InvStG nachkommen und nicht unter die Regelungen einer pauschalen Besteuerung fallen.

Die pauschale Besteuerung mit 6% des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis könne, insbesondere in der derzeitigen Niedrigzinsphase, zu überhöhten Einkünften des Steuerpflichtigen führen.

Diese Beschränkung des Kapitalverkehrs ist nach den Ausführungen des EuGH nicht gerechtfertigt und somit europarechtswidrig.

Vor allem kann die Pauschalbesteuerung zu einer nachteiligen Überbewertung der tatsächlichen Einkünfte des Steuerpflichtigen führen, zumal diese dazu geeignet sei, einen Steuerpflichtigen davon abzuhalten, in ausländische Investmentfonds zu investieren. Zwar ist § 6 InvStG grundsätzlich für inländische und ausländische intransparente Investmentfonds anzuwenden, dennoch könnte die Bestimmung zu einer mittelbaren Diskriminierung von ausländischen Fonds führen, da die nachteilige Regelung fast ausschließlich Anleger von ausländischen Investmentfonds trifft.

Gerade inländische Fonds würden in aller Regel den Nachweis- und Veröffentlichungsverpflichtungen des § 5 InvStG nachkommen und nicht unter die Regelungen einer pauschalen Besteuerung fallen.

Der EuGH kritisiert weiterhin, dass es dem Steuerpflichtigen nach der Regelung auch nicht möglich sei, die tatsächliche Höhe der Einkünfte durch geeignete Unterlagen oder Informationen nachzuweisen. Insofern müsse es deutschen Anlegern von ausländischen Investmentfonds bei Nichtvorliegen der jährlichen Besteuerungsgrundlagen möglich sein, sämtliche steuerrechtlichen Angaben selbstständig den Steuerbehörden zu übermitteln. Der genaue Inhalt, die Form, sowie das Maß an Präzision dieser Angaben müssen von der Finanzverwaltung bestimmt werden.

Anmerkungen

Die Auswirkungen dieses EuGH-Urteils lassen sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht final abschätzen. Zwar wird die Nichterfüllung von Veröffentlichungspflichten nicht mehr zwingend nach § 6 InvStG sanktioniert werden können.

Gleichwohl wird der Anleger dem Finanzamt geeignete Unterlagen zur Ermittlung der Erträge vorlegen müssen, um eine Besteuerung im Schätzwege zu vermeiden. Es ist nicht auszuschließen, dass das Finanzamt bei einer solchen Schätzung wiederum auf die Grundlagen des § 6 InvStG zurückgreift. Die geltende Frist von vier Monaten nach Geschäftsjahresende (vgl. § 5 InvStG) hat der EuGH de facto abgeschafft.

Zwar könnten die Investoren von dieser Entscheidung profitieren, gerade bei denen die Pauschalbesteuerung lediglich wegen einer verspäteten Bekanntgabe der Besteuerungsgrundlagen zur Anwendung kam, solange die entsprechenden Steuerbescheide offen gehalten wurden. Solange diese Unsicherheiten bestehen, werden deutsche Investoren deshalb weiterhin auf die vollständige Erfüllung der Transparenzvorschriften bestehen. Gleiches gilt auch für die regelmäßige Veröffentlichung der Aktien-, Immobilien- und Zwischengewinne.

Es bleibt abzuwarten, inwieweit Anleger, die in der Vergangenheit mit ihren Anlagen in intransparente Investmentfonds der Pauschalbesteuerung unterlagen, durch nachträgliche Vorlage der Besteuerungsgrundlagen möglicherweise ihre Steuerlast basierend auf diesem Urteil nun noch reduzieren können.

Des Weiteren kann dieses Urteil in einer Vielzahl von zur Zeit bestehenden diskriminierenden Regelungen für ausländische Fonds in der Investmentbesteuerung als Argumentationsunterstützung gegen die entsprechende Vorgehensweise der Finanzverwaltung herangezogen werden. Mit Spannung wird die Reaktion der Finanzverwaltung und des Gesetzgebers (auch vor dem Hintergrund der geplanten Investmentsteuerreform) zu sehen sein, ob aufgrund dieser Rechtsprechung die Pauschalbesteuerung des § 6 InvStG angepasst werden wird.

Abgesehen von der Bedeutung für die Investmentbesteuerung nach deutschem Recht kann dieses Urteil auch Auswirkungen haben für die anderen Besteuerungsregime für Investmentvermögen in Europa, so z. B. den Reporting Funds Status in U.K.

Schlagworte zum Thema:  Investmentfonds, Investmentsteuergesetz