Keine Durchschnittssatzbesteuerung bei entgeltlichem Verzicht auf ein vertragliches Lieferrecht
Hintergrund: Abfindungszahlung für einen Verzicht auf ein vertragliches Lieferrecht
Streitig ist, ob die Abfindungszahlung für einen Verzicht auf die Rechte aus einem Vertrag über die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, die der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG unterliegt, ebenfalls der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegt.
Die Klägerin, eine GbR, schloss am 18.3.2011 mit einer GmbH & Co. KG (KG) einen Vertrag über die Lieferung von 70% der von der Klägerin erzeugten Lebensmittel (Feldsalat, Rucola, Bundzwiebeln, Wildkräuter, Pflücksalat). Die GbR ging eine Lieferverpflichtung und die KG eine Abnahmeverpflichtung ein. Eine Kündigung war nach § 8 des Vertrags erstmals zum 31.12.2015 möglich. Die auf dem Vertrag beruhenden Lieferungen der Klägerin an die KG erfolgten gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG in der im Streitjahr 2013 geltenden Fassung zum Durchschnittssatz von 10,7% (aktueller Steuersatz: 9,0 %).
Zu diesem Vertrag bestätigten am 30.6.2013 die Klägerin und die KG schriftlich einen zum 31.5.2013 mündlich abgeschlossenen Aufhebungsvertrag. Die KG zahlte danach "zum Ausgleich der aufgrund der vorzeitigen Vertragsauflösung entstehenden Einbußen" eine "Abstandszahlung" an die Klägerin in Höhe von 121.770 EUR (110.000 EUR + 10,7 % Umsatzsteuer, also unter Anwendung des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG).
Das FA besteuerte nach Durchführung einer Außenprüfung im Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2013 vom 7.6.2016 unter anderem den Verzicht mit dem Regelsteuersatz. Die Umsatzsteuer wurde aus dem Bruttobetrag herausgerechnet. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das FG gab der Klage statt. Es nahm an, der Verzicht der Klägerin auf die Rechte aus dem Liefervertrag bzw. die Zustimmung zur vorzeitigen Vertragsauflösung sei zwar steuerbar, aber ein unter § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG fallender Umsatz.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der es die Verletzung materiellen Rechts (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG) rügt. Es trägt vor, der Verzicht bzw. die Zustimmung sei keine landwirtschaftliche Dienstleistung. Außerdem falle für die Leistung der Klägerin keine Vorsteuer in der von § 24 UStG typisierten Höhe an.
Entscheidung: BFH hält die Revision des FA für begründet
Der BFH hält die Revision für begründet. Er hat die Vorentscheidung aufgehoben und den Rechtsstreit an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das FG hat zwar zutreffend angenommen, dass der Verzicht steuerbar ist. Allerdings fällt die Leistung der Klägerin nicht unter § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG. Zu dem der Klägerin bei Nichtanwendung des § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG möglicherweise zustehenden Vorsteuerabzug sind vom FG weitere Feststellungen zu treffen.
Höchstrichterlich offen geblieben ist bisher, ob Verzichtsleistungen eines Landwirts im Falle ihrer Steuerbarkeit der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegen (vgl. BFH, Urteil v. 22.8.2019, V R 47/17, BStBl II 2023, S. 274, Rz. 25). Diese Frage beantwortet der BFH nun dahin gehend, dass der entgeltliche Verzicht auf ein Lieferrecht durch Zustimmung des Land- oder Forstwirts zur vorzeitigen Auflösung des Liefervertrags nicht unter die Durchschnittssatzbesteuerung fällt. Hierzu führt er weiter aus:
- Der von Art. 295 ff. MwStSystRL bezweckte Ausgleich der Belastung der von einem Landwirt bezogenen Eingangsleistungen mit Umsatzsteuer wird nach der Systematik des Pauschalierungsverfahrens erst dann gewährt, wenn er landwirtschaftliche Erzeugnisse liefert oder landwirtschaftliche Dienstleistungen erbringt. Andere Umsätze, die der Pauschallandwirt im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs tätigt, unterliegen dem Regelsteuersatz.
- Der Verzicht auf ein Lieferrecht ist weder eine landwirtschaftliche Dienstleistung im Sinne des § 24 UStG, Art. 295 MwStSystRL, da sie nicht zu einer landwirtschaftlichen Erzeugung der KG beiträgt, noch werden durch den Verzicht landwirtschaftliche Erzeugnisse im Sinne des § 24 UStG, Art. 295 MwStSystRL geliefert, da hierfür keine Gegenstände im Rahmen der in Anhang VII aufgeführten Tätigkeiten vom landwirtschaftlichen Betrieb des Landwirts erzeugt werden.
- Die Sache ist nicht spruchreif, da das FG nicht festgestellt hat, ob in Zusammenhang mit der regelbesteuerten Verzichtsleistung der Klägerin abziehbare Vorsteuerbeträge zu berücksichtigen sind. Ob tatsächlich für die Verzichtsleistung bisher noch nicht berücksichtigte, abziehbare Vorsteuerbeträge angefallen sind, hat das FG – auf Basis seiner Rechtsauffassung konsequenterweise – nicht festgestellt. Dies kann es im Rahmen der Zurückverweisung nachholen.
Hinweis: Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG
Bei Landwirten, die der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG unterliegt, muss genau prüfen, ob die Ausgangsumsätze vollumfänglich als Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse oder als landwirtschaftliche Dienstleistung zu beurteilen sind. Leistungen wie die im Urteilsfall werden von der Durchnittssatzbesteuerung nicht umfasst.
BFH, Urteil v. 23.8.2023, XI R 27/21; veröffentlicht am 14.12.2023
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