Doppelte Auskunftsgebühr im Organschaftsfall
Hintergrund
Streitig war, ob im Rahmen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft eine Auskunftsgebühr sowohl gegenüber dem Organträger als auch gegenüber der Organgesellschaft festgesetzt werden kann, wenn ein gemeinsamer Antrag gestellt wurde, die zugrunde liegende Frage aber nur einheitlich beantwortet werden kann.
Zwischen der S-GmbH und der A-AG besteht aufgrund eines Ergebnisabführungsvertrags eine ertragsteuerliche Organschaft mit der GmbH als Organträgerin und der AG als Organgesellschaft. Die GmbH ist an der AG zu 55 % beteiligt. In 2009 stellten die Bevollmächtigten der GmbH und der AG einen gemeinsamen Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft. Die AG hatte einen hohen projektbezogenen Investitionsbedarf und beabsichtigte, zu dessen Finanzierung den gesamten Jahresüberschuss über mehrere Jahre nicht an die GmbH abzuführen, sondern in die Gewinnrücklage einzustellen. Mit dem Antrag sollte erreicht bzw. geklärt werden, dass der für die Anerkennung der Organschaft notwendige Ergebnisabführungsvertrag gleichwohl weiterhin als durchgeführt anzusehen sei. Das FA erteilte die verbindliche Auskunft antragsgemäß und bestätigte die in dem Antrag dargelegte Rechtsauffassung.
Mit separaten Bescheiden setzte das FA sodann eine Gebühr für die Bearbeitung der Anträge in Höhe von rund 5.000 EUR sowohl gegenüber der AG als auch gegenüber der GmbH fest. Auf die Klage der AG wegen der doppelten Gebührenerhebung hob das FG den die AG betreffenden Gebührenbescheid mit der Begründung auf, es handele sich um einen einheitlich zu beurteilenden Sachverhalt, der gegenüber der AG und der GmbH nur eine alternative Besteuerung zulasse. Denn die Besteuerung der Erträge könne nur entweder bei der AG oder der GmbH erfolgen.
Entscheidung
Der BFH widerspricht dem FG. Die Gebührenpflicht ist unabhängig davon, ob neben dem einzelnen Antragsteller weitere Antragsteller die Beantwortung der gleichen Rechtsfrage beantragen. Für die Gebührenpflicht der AG ist es daher unerheblich, dass auch die GmbH einen Auskunftsantrag gestellt hat. Mit dem Charakter der verbindlichen Auskunft als Verwaltungsakt korrespondiert die Gebührenpflicht. Aus der verfahrensrechtlichen Selbständigkeit der Besteuerung verschiedener Steuerpflichtiger ergibt sich, dass gegenüber jedem Antragsteller eine Gebühr festzusetzen ist.
Die Gebühr berechnet sich in erster Linie nach dem Wert, den die Auskunft für den individuellen Antragsteller hat (Gegenstandswert, § 89 Abs. 5 AO). Die gesetzliche Regelung bietet keine Handhabe, den gesetzlich festgelegten Gebührenanspruch zu reduzieren oder ganz in Fortfall zu bringen, weil im Einzelfall Gesichtspunkte des Verwaltungsaufwands (Kostenausgleichsfunktion) oder der Planungs- und Rechtssicherheit für den Steuerpflichtigen (Vorteilsfunktion) nicht vollständig oder gar nicht zum Tragen kommen. Diese beiden Funktionen sind zwar die verfassungsrechtlich legitimierenden Gründe für den Gebührentatbestand. Das bedeutet aber nicht, dass die Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebung davon abhängig ist, inwieweit im Einzelfall die Funktionen jeweils einschlägig sind und ausgeschöpft werden. Vielmehr hat der Gesetzgeber im Gebührenrecht wie im Steuerrecht einen Typisierungsspielraum, von dem er im Hinblick auf die Auskunftsgebühr Gebrauch machen durfte und Gebrauch gemacht hat. Daher ist es für die Gebührenerhebung im Streitfall auch unerheblich, ob die doppelte Antragstellung zur Erreichung der erstrebten Rechtssicherheit erforderlich war.
Der BFH hob daher das FG-Urteil auf wies die Klage der AG ab.
Hinweis
Nach Nr. 4.1.3 AEAO zu § 89 AO handelt es sich jeweils nur um einen Antrag, soweit sich die rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts auf einen Steuerpflichtigen bezieht. Diese Regelung betrifft jedoch nicht den Streitfall. Denn Organträger und Organgesellschaft sind selbständige, voneinander verschiedene Steuersubjekte. Der Gebührenpflicht der AG kann auch nicht § 1 Abs. 2 der Steuer-Auskunftsverordnung (StAuskV) entgegengehalten werden. Danach kann die verbindliche Auskunft nur von allen Beteiligten gemeinsam beantragt werden, wenn sie sich auf einen Sachverhalt bezieht, der mehreren Personen steuerlich zuzurechnen ist. Das betrifft aber nur den hier nicht vorliegenden Fall eines Bescheids, der gegenüber mehreren Beteiligten einheitlich zu erlassen ist. Die Verfahren über die KSt bzw. den GewSt-Messbetrag der AG und der GmbH stehen jedoch unverbunden nebeneinander, auch wenn die zugrunde liegende Rechtsfrage hinsichtlich der Organschaft identisch ist.
Auch aus der Sonderregelung zur Gebührenpflicht von Anträgen auf Durchführung eines Vorabverständigungsverfahrens nach § 178a Abs. 2 AO, wonach der Antrag eines Organträgers als ein Antrag gilt, ergibt sich nichts anderes. Die Regelung wurde gleichzeitig mit der Gebührenpflicht der verbindlichen Auskunft eingeführt (JStG 2007). Die unterschiedliche Ausgestaltung der Gebührentatbestände beruht daher auf einer bewussten gesetzgeberischen Entscheidung.
BFH, Urteil v. 9.3.2016, I R 66/14, veröffentlicht am 22.6.2016
Alle am 22.6.2016 veröffentlichten Entscheidungen des BFH
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