BFH Kommentierung: Nachträgliche Schuldzinsen bei VuV

Für die Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus VuV ist maßgeblich, was mit dem Erlös aus der Veräußerung des mit einem Darlehen fremdfinanzierten Vermietungsobjekts geschieht.

Hintergrund: Darlehenszinsen nach Veräußerung der Immobilie

X war bis 2007 Eigentümerin des vermieteten Objekts A. In den Streitjahren 2009 bis 2011 war sie außerdem Eigentümerin des ebenfalls vermieteten Objekts B. Die AK waren jeweils durch Darlehen finanziert. In 2007 veräußerte X das Objekt A. Den Veräußerungserlös, der das (Rest-)Darlehen bei Weitem überstieg, verwendete sie zunächst nicht zur Tilgung der Darlehen, sondern legte ihn als Festgeld an, um ihn – wie sie vortrug – zur Finanzierung weiterer Objekte einzusetzen. Tatsächlich setzte sie - nach ihren Angaben wegen der Entwicklung der Kapitalmarktzinsen - den Veräußerungserlös nicht zur Finanzierung von zwei in 2009 neu angeschafften Objekten ein, sondern finanzierte diese durch neue Darlehen. Mitte 2009 verwandte X sodann den Veräußerungserlös aus dem Objekt A zur Ablösung der Darlehen des Objekts B sowie zur teilweisen Tilgung eines der Darlehen des Objekts A.

X machte für 2009 bis 2011 die Darlehenszinsen in vollem Umfang als WK bei den Einkünften aus VuV geltend. Das FA anerkannte die Umwidmung des Darlehens A für das Objekt B und berücksichtigte für 2009 bis 2011 lediglich die dafür angefallenen Schuldzinsen bei VuV des Objekts B insoweit, als sie anteilig auf die Ablösung des Darlehens für das Objekt B entfielen. Die auf den darüber hinaus gehenden Schuldzinsenabzug gerichtete Klage wies das FG mit der Begründung ab, der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den Schuldzinsen und den Einkünften aus VuV aus dem Objekt A sei mit dessen Veräußerung entfallen.

Entscheidung: Surrogationsbetrachtung und Vorrang der Schuldentilgung

Der Veranlassungszusammenhang von Schuldzinsen mit Einkünften aus VuV liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang der Aufwendungen mit der Überlassung eines Vermietungsobjekts zur Nutzung besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser Nutzungsüberlassung getätigt werden. Der einmal begründete Veranlassungszusammenhang entfällt nicht mit der Veräußerung der Immobilie. Er setzt sich am Veräußerungspreis fort (sog. Surrogationsbetrachtung). Daher sind nachträgliche Schuldzinsen auch nach einer Veräußerung der Immobilie weiter als (nachträgliche) WK zu berücksichtigen, wenn und soweit die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungspreis nicht getilgt werden können (Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung). Für die Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen bei VuV ist daher maßgeblich, was mit dem Veräußerungspreis geschieht.

Ende des wirtschaftlichen Zusammenhangs mit der Veräußerung

Hiervon ausgehend sind die geltend gemachten Schuldzinsen nicht als WK zu berücksichtigen. Da mit dem Veräußerungserlös keine neue Einkunftsquelle angeschafft wurde, der Erlös aber zur Ablösung der Darlehen ausgereicht hätte, endete der wirtschaftliche Zusammenhang mit der Einkunftsart VuV nach der Veräußerung in 2007. Der Verwendung des Veräußerungserlöses zur Schuldentilgung standen keine rechtlichen Hindernisse entgegen. Denn auch bei einem Festzinskredit mit vereinbarter Laufzeit kann der Darlehensnehmer eine vorzeitige Darlehensablösung gegen eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Nach der Veräußerung des Objekts waren die Schuldzinsen Gegenleistung für die Überlassung der Darlehensmittel, die nicht mehr mit  der Einkünfteerzielung aus VuV zusammenhingen.

Vorab entstandenen WK nur bei tatsächlicher Reinvestition

Die Schuldzinsen können auch nicht als (vorab entstandene) WK bei den Einkünften aus VuV aus anderen Objekten abgezogen werden. Der Verkaufserlös wurde nicht zur Anschaffung anderer Vermietungsobjekte eingesetzt. Die in 2009 neu angeschafften Immobilien wurden durch neue Kredite finanziert. Die - nicht durch eine tatsächliche Verwendung begründete - (angebliche) Reinvestitionsabsicht des Veräußerungserlöses in ein noch zu erwerbendes und nicht bestimmtes Vermietungsobjekt reicht nicht aus, um der Surrogationsbetrachtung zu genügen und den notwendigen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Einkunftsart VuV zu begründen. Das Darlehen muss im Zeitpunkt des Entstehens der Zinsen tatsächlich zum Erzielen von Einkünften verwendet worden sein. 

Hinweis: BFH-Grundsätze zum Schuldzinsenabzug nach Veräußerung

Der BFH fasst die Grundsätze wie folgt zusammen:

  • Wird mit dem Veräußerungserlös eine neue Einkunftsquelle angeschafft, besteht der Zusammenhang am neuen Objekt fort (ggf. anteilig in Höhe  des verwendeten Erlöses).
  • Wird kein neues Objekt angeschafft und reicht der Veräußerungserlös aus, um das Darlehen abzulösen, endet der wirtschaftliche Zusammenhang.
  • Reicht der Verkaufserlös nicht dafür aus, verbleibt der nicht ablösbare Teil des (fortgeführten) Anschaffungsdarlehens im Zusammenhang mit den Einkünften aus VuV.
  • Auf ein Umschuldungsdarlehen gezahlte Schuldzinsen können durch die (frühere) Einkünfteerzielung veranlasst sein, soweit die Valuta des Umschuldungsdarlehens nicht über den abzulösenden Restdarlehensbetrag hinausgeht und die Umschuldung sich im Rahmen einer marktgerechten Finanzierung bewegt.

BFH, Urteil v. 6.12.2017, IX R 4/17, veröffentlicht am 7.3.2018

Alle am 7.03.2018 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen