BFH Kommentierung: Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung

Fordert das Finanzamt den Steuerpflichtigen zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung auf, so ist er hierzu gesetzlich verpflichtet mit der Folge, dass sich der Beginn der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO richtet.

Hintergrund: Eintritt der Festsetzungsverjährung nach Aufforderung zur Erklärungsabgabe

Streitig ist, ob K zur Einkommensteuer 2006 zu veranlagen ist. Das FA hatte K mit Schreiben vom 20.9.2007 zur Abgabe der Einkommensteuererklärung für 2006 bis spätestens 22.10.2007 aufgefordert und ihn u. a. darauf hingewiesen, dass es zur Festsetzung eines Zwangsgeldes nach § 328 AO berechtigt sei, wenn ihm die Steuererklärung nicht bis zu dem genannten Termin vorliege. K reichte allerdings erst am 30.12.2011 die entsprechende Einkommensteuererklärung beim FA ein. Das FA lehnte daraufhin die Bearbeitung der Steuererklärung mit der Begründung ab, dass bereits die Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Es handele sich um eine Antragsveranlagung, da keiner der Tatbestände des § 46 Abs. 2 EStG erfüllt sei.
Das FG bestätigte die Auffassung des FA und wies die Klage des K ab.

Entscheidung: Vierjährige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen

Der BFH beurteilte die Rechtslage anders. Er entschied, dass die vierjährige Verjährungsfrist infolge der Anlaufhemmung nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO bei Einreichung der Steuererklärung für 2006 im Dezember 2011 noch nicht abgelaufen sei.

Die vierjährige Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer (§169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist (§170 Abs. 1 AO). Wenn eine Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung besteht (z. B. nach § 56 EStDV), beginnt die Festsetzungsfrist allerdings erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Entstehen der Steuer folgt (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO).

Eine gesetzliche Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung wird aber auch dann begründet, wenn das FA den Steuerpflichtigen nach § 149 Abs. 1 Satz 2 AO auffordert, eine Steuererklärung abzugeben (vgl. BFH, Urteil v.28.11.1990, I R 71/89, BStBl II 1991, S. 440). Das war hier der Fall, weil das Schreiben des FA vom 20.9.2007 eine Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung in Form eines Verwaltungsaktes darstellte, wofür insbesondere der in dem Schreiben enthaltene Hinweis auf mögliche Zwangsmittel sprach.

Entgegen der Auffassung des FG war deshalb die Festsetzungsverjährungsfrist bei Einreichung der Einkommensteuererklärung 2006 im Jahr 2011 noch nicht abgelaufen.

Da das FG keine Feststellungen zur Höhe der vorzunehmenden Steuerfestsetzung getroffen hatte (insbesondere hinsichtlich der Höhe der erklärten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung), war die Sache nicht spruchreif. Der BFH hat deshalb das finanzgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Hinweis: Fehlen einer Begründung bzw. Rechtsbehelfsbelehrung ändert nichts

Das FA hatte im vorliegenden Fall die Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung weder begründet noch mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Außerdem hatte es in dem Schreiben auch ausgeführt, dass K – falls er der Auffassung sei, zur Abgabe einer Steuererklärung nicht verpflichtet zu sein – das Schreiben mit einem kurzem Hinweis auf der Rückseite an das FA zurücksenden könne. Dies alles ändert jedoch nichts an dem Verwaltungsaktcharakter der Aufforderung und deren Wirksamkeit. Denn es könne – so der BFH – aus dem Fehlen einer Begründung bzw. Rechtsbehelfsbelehrung nicht geschlossen werden, dass keine Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung i. S. d. § 149 Abs. 1 Satz 2 AO vorliege. Und durch den Hinweis auf die Möglichkeit der Rücksendung des Schreibens sei die Abgabe einer Steuererklärung auch nicht in das Belieben des A gestellt, sondern lediglich in Aussicht gestellt worden, die Aufforderung zur Erklärungsabgabe zu widerrufen oder zurückzunehmen, wenn A hinreichende Gründe vorbringen würde, dass ihn keine entsprechende Verpflichtung treffe.

BFH, Urteil v. 4.10.2017, VI R 53/15, veröffentlicht am 20.12.2017.

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