Anerkennung einer freiberuflichen Tätigkeit
Hintergrund: Controlling ohne Hochschulabschluss
Zu entscheiden war, ob der im Bereich des Controllings tätige A aus seiner Beratertätigkeit in den Streitjahren 1996 bis 2001 gewerbliche Einkünfte oder Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit als beratender Betriebswirt i. S. v. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG erzielte. Gegenstand der Tätigkeit des A in mehreren weltweit tätigen Konzernen waren die Neuausrichtung des Controllings im Konzern, Ausbildung der Mitarbeiter und Weiterentwicklung der Firmensoftware. Daneben war A an einer staatlichen Hochschule für Berufstätige im Studiengang BWL immatrikuliert. Er reichte dort jedoch keine schriftlichen Arbeiten ein und legte auch kein Examen ab.
Das FA ging von einer gewerblichen Tätigkeit aus und setzte dementsprechend GewSt-Messbeträge fest. In dem anschließenden Klageverfahren ließ das FG – auf Antrag des A – eine Wissensprüfung durch einen Sachverständigen durchführen. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, die vorgelegten Arbeiten zeigten nur die fachliche Breite, nicht auch die theoretische Tiefe des betriebswirtschaftlichen Wissens. Erst mit der Beendigung der Immatrikulation an der Hochschule Mitte 2000 könne davon ausgegangen werden, dass A sich das theoretische Wissen eines BWL-Absolventen habe aneignen können. Das FG wies die Klage (in 2013) mit dem Hinweis ab, die Tätigkeit des A sei zwar mit der eines beratenden Betriebswirts vergleichbar, jedoch fehlten ihm in den Streitjahren die entsprechenden theoretischen Kenntnisse.
Entscheidung: Wissensprüfung als ergänzendes Beweismittel
Der Beruf des beratenden Betriebswirts setzt grundsätzlich den Abschluss eines entsprechenden Studiums, praktische Erfahrung und Kenntnisse in den wesentlichen Bereichen der BWL und auch den tatsächlichen Einsatz dieser Kenntnisse bei der praktischen Arbeit voraus. Ohne einen Studienabschluss (Hochschule, Fachhochschule, Fachschule) muss eine vergleichbare Tiefe und Breite der Vorbildung nachgewiesen werden. Diesen Nachweis kann der Autodidakt durch Belege über Fortbildungsveranstaltungen oder ein Selbststudium, anhand praktischer Arbeiten oder durch eine Wissensprüfung führen. Eine Wissensprüfung kommt allerdings nur als ergänzendes Beweismittel in Betracht, wenn sich aus den vorgetragenen Tatsachen bereits Hinweise auf entsprechende Kenntnisse ergeben. Außerdem kann eine Wissensprüfung nur den Nachweis des aktuell vorhandenen Wissens erbringen, sodass weitere Rückschlüsse auf den Kenntnisstand im (zurückliegenden) Streitzeitraum notwendig sind.
Würdigung anhand eines Sachverständigengutachtens
Der BFH bestätigt das FG-Urteil. Die Würdigung des FG, A habe im Streitzeitraum (11 Jahre vor der Wissensprüfung) den theoretischen Ausbildungsstand noch nicht in der erforderlichen Tiefe gehabt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision wurde daher zurückgewiesen.
Für die Zeit bis Mitte 2000 (Studium) entspricht die Würdigung des FG dem Sachverständigengutachten. Für die Zeit vor dem Studium und solange A noch studierte (bzw. an der Hochschule eingeschrieben war), hat der Gutachter ausreichende theoretische Kenntnisse in vergleichbarer Tiefe verneint.
Auch für die Zeit ab Mitte 2000 (Ende der Immatrikulation an der Hochschule) bestätigt der BFH die Würdigung des FG. Denn der Gutachter hat ausgeführt, von da an könne von einem entsprechenden Kenntnisstand ausgegangen werden, weil A die erforderlichen Kenntnisse an der Fachhochschule habe erwerben "können". Das zwingt jedoch nicht zu dem Schluss, A habe die Kenntnisse dort auch tatsächlich erlangt. Zwar können auch praktische Arbeiten allein einen Rückschluss auf den erforderlichen Kenntnisstand zulassen. Das wurde in dem Gutachten aber für die Tätigkeiten des A verneint. Der Würdigung des FG steht auch die erfolgreich abgelegte Wissensprüfung nicht entgegen. Denn eine Wissensprüfung dient der Feststellung des Kenntnisstands im (zurückliegenden) Streitzeitraum. Die Feststellung, ob von dem Ergebnis einer aktuellen Wissensprüfung auf den Kenntnisstand in früheren Jahren geschlossen werden kann, obliegt der Beweiswürdigung des FG. Diesen Rückschluss hat der Gutachter verneint.
Hinweis: Mögliche Würdigung des FG
Die Entscheidung verdeutlicht die Schwierigkeit, ein auf ein Sachverständigengutachten (hier Wissensprüfung) gestütztes FG-Urteil mit der Revision anzugreifen. Die Würdigung des FG ist nur dann fehlerhaft, wenn sie gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt. Sie ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, solange sie (nur) möglich ist. Dass auch eine andere Schlussfolgerung ebenso (logisch) möglich gewesen wäre, begründet die Revisionsrüge nicht. Im Streitfall hätte es wohl ebenso nahegelegen, das Gutachten dahin zu würdigen, dass A ab Mitte 2000 über den erforderlichen Kenntnisstand verfügte. Denn der Gutachter hat immerhin ausgeführt, von da an könne von einem entsprechenden Kenntnisstand ausgegangen werden. Im Übrigen kann eine Wissensprüfung grundsätzlich nur Auskunft über den aktuellen Stand des Wissens geben. Die Feststellung, ob ein Rückschluss auf den Wissensstand in zurückliegender Zeit möglich ist, obliegt der Beweiswürdigung des FG. In kritischen Fällen, in denen ein Gutachten unterschiedlich gedeutet werden kann, sollte zur Vermeidung von Unklarheiten beantragt werden, den Gutachter zur Erläuterung seines Gutachtens zur mündlichen Verhandlung vor dem FG zu laden.
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