Beratungsbefugnis einer ausländischen StB-Gesellschaft

Eine im EU-Ausland ansässige Steuerberatungsgesellschaft kann aufgrund der Dienstleistungsfreiheit zur Beratung für inländische Steuerpflichtige befugt sein, wenn sie in den letzten 10 Jahren mindestens 2 Jahre eine steuerberatende Tätigkeit im Ausland ausgeübt hat.

Hintergrund: Beratung über die Grenze nach Entzug der StB-Zulassung 

Zu entscheiden war, ob das FA Hannover-Nord die X-Steuerberatungsgesellschaft zu Recht als Bevollmächtigte zurückgewiesen hat. Die X, eine Ltd. britischen Rechts, hatte zwei Gesellschafter-Geschäftsführer. Der eine (Y) ist in Belgien, die andere (eine Geschäftsführerin) ist in Deutschland ansässig. Die Geschäftsführer waren nicht als Steuerberater bestellt und die X war in Deutschland nicht als Steuerberatungsgesellschaft anerkannt. Y war früher in Deutschland als Steuerberater zugelassen. Wegen Vermögensverfalls hatte er seine Zulassung verloren. X benannte die A-Ltd. mit Sitz in Deutschland als Zustellungsbevollmächtigte. Y war in den Büroräumen der A-Ltd. tätig. 

Die X wirkte bei der Anfertigung der USt-Erklärung der in Deutschland niedergelassenen C-Ltd. für 2010 mit. Die Leistung wurde offenbar vollständig in der niederländischen Niederlassung der X erbracht, ohne dass sich eine der für sie tätigen Personen physisch über die Grenze nach Deutschland begeben hatte. Das FA wies die X als Bevollmächtigte zurück, da sie nicht zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugt sei. Das FG wies die dagegen erhobene Klage ab. Mit der Revision wandte die X ein, einem in den Niederlanden ansässigen Dienstleister, der dort zulässig steuerberatend tätig sei, könne es nicht untersagt werden, seine Dienstleistungen von den Niederlanden aus, also ohne Grenzübertritt, an in Deutschland ansässige Wirtschaftsteilnehmer zu erbringen, auch wenn die steuerberatende Tätigkeit in den Niederlanden nicht bestimmten Berufsträgern vorbehalten sei. 

Der BFH setzte das Revisionsverfahren aus und unterbreitete die unionsrechtliche Problematik dem EuGH (Vorlagebeschluss v. 20.5.2014, II R 44/12, BStBl II 2014, 907). Nachdem der EuGH über die Vorlagefragen entschieden hat (EuGH-Urt. v. 17.12.2015, C-342/14, EU:C:2015:827, DStRE 2016, 120), konnte der BFH nunmehr über die anhängige Revision entscheiden. 

Entscheidung: Vorrang der Dienstleistungsfreiheit 

Die X war nach nationalem Recht nicht zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt. Sie war nicht als Steuerberatungsgesellschaft anerkannt, da sie nicht von bestellten Steuerberatern geführt wurde. Die X kann sich nicht auf § 3a StBerG berufen. Danach ist in einem anderen Vertragsstaat niedergelassenen Beratern eine vorübergehende und gelegentliche Hilfeleistung in Steuersachen "auf" deutschem Gebiet möglich, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind (z.B. zweijährige Berufstätigkeit innerhalb der vorhergehenden 10 Jahre).  Diese Regelung betrifft nicht den Streitfall. Zum einen ging das FG von einer dauerhaften (also nicht nur vorübergehenden) Beratungstätigkeit im Inland aus. Zum anderen trug die X vor, sie habe die Dienstleistung in den Niederlanden erbracht. Auch für diesen Fall wäre die Vorschrift nicht einschlägig, da sie nur greift, wenn sich der Dienstleister zur Berufsausübung in den Aufnahmemitgliedstaat begibt und die Beratungsleistung auf deutschem Hoheitsgebiet erbringt. 

Das FG hat seine Ablehnung auf das Niederlassungsrecht gestützt. Die Niederlassungsfreiheit legt fest, dass für selbständige Erwerbstätigkeiten die Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen gelten (Art. 49 Abs. 2 AEUV). Mangels Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft waren die nationalen Voraussetzungen für eine Beratungstätigkeit nicht erfüllt. Die Anwendung des Niederlassungsrechts setzt jedoch voraus, dass der Dienstleister im Inland über eine ständige Präsenz (Geschäftsräume) verfügt. Ohne ein Berufsdomizil (Zweigneiderlassung, Agentur, Büro), von dem aus die Berufstätigkeit ausgeübt wird, fehlt es an einer Niederlassung, auch wenn sich die Dienstleistung im Inland über mehrere Jahre erstreckt. Das FG hat seine Ablehnung damit begründet, die X sei langjährig in Deutschland beratend tätig und damit niedergelassen gewesen. Darin sieht der BFH einen Fehler des FG-Urteils. Denn es war nicht festgestellt, dass die X über eine ständige Präsenz im Sinne eines ständigen Büros im Inland verfügte. Der BFH hob daher das FG-Urteil auf und verwies den Fall an das FG zurück. Zunächst muss festgestellt werden, ob die X eine Niederlassung (ständige Präsenz) in Deutschland innehatte. Die Feststellungslast dafür trägt das FA. War X in Deutschland niedergelassen, kann sie wegen der dann geltenden nationalen Bestimmungen nicht geltend machen, dass sie die konkrete Dienstleistung (Fertigung der USt-Erklärung für die C-Ltd.) in den Niederlanden erbracht habe. 

Hatte die X keine Niederlassung in Deutschland, kann sie sich möglicherweise auf die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) berufen. Nach dem Urteil des EuGH dürfen die Mitgliedstaaten, da der Zugang zur Steuerberatungstätigkeit nicht harmonisiert ist, die Voraussetzungen für die Berufsausübung festlegen. Sie haben dabei jedoch die vertraglichen Grundfreiheiten zu beachten. Sie müssen insbesondere Sorge dafür tragen, dass die in anderen Mitgliedstaaten - auch durch Berufserfahrung - erworbenen Qualifikationen berücksichtigt werden. Für die Festlegung, welche Qualifikationen für eine Befugnis zur Steuerberatung maßgeblich sind, bietet § 3a StBerG einen Anhaltspunkt. Die dort für die vorübergehende und gelegentliche Hilfeleistung im Inland genannten Kriterien stellen auf die berufliche Qualifikation ab und sind auch für den Fall sachgerecht, dass ein Dienstleister von einem anderen Mitgliedstaat aus ohne Grenzübertritt eine dauerhafte geschäftsmäßige Beratungstätigkeit für inländische Steuerpflichtige ausübt. Die berufliche Qualifikation kann sich aufgrund einer abgeschlossenen Berufsausbildung, die Kenntnisse zur Ausübung einer steuerberatenden Tätigkeit in dem anderen Mitgliedstaat vermittelt, oder - falls eine solche in dem anderen Mitgliedstaat nicht erforderlich ist - aufgrund der dort gewonnenen Berufserfahrung ergeben. Ist der Beruf in dem anderen Mitgliedstaat nicht reglementiert, genügt es (in Anlehnung an § 3a Abs. 1 StBerG), dass der Beruf im Niederlassungsstaat während der vorhergehenden 10 Jahre mindestens 2 Jahre ausgeübt wurde. Das FG hat die dazu erforderlichen Feststellungen nachzuholen. 

Hinweis: Die ausländische Qualifikation muss nachgewiesen werden 

Der BFH ergänzt, dass eine Berufserfahrung aus einer in Deutschland ausgeübten Beratertätigkeit nicht ausreicht. Da die Tätigkeit in Deutschland reglementiert ist, liegt eine unionsrechtlich zulässige Tätigkeit nicht vor, wenn der Berater ausschließlich grenzüberschreitend für inländische Steuerpflichtige beratend tätig ist, ohne vorher eine Qualifikation in dem anderen Mitgliedstaat erworben zu haben. Denn erst die in dem anderen Mitgliedstaat erworbene Qualifikation berechtigt den Berater - aus unionsrechtlicher Sicht - zu den grenzüberschreitenden Dienstleistungen für inländische Steuerpflichtige. Die in dem anderen Mitgliedstaat erworbene berufliche Qualifikation ist nachzuweisen. Damit sind im Ergebnis die Grundsätze des § 3a StBerG auch auf den Fall einer dauernden Beratungstätigkeit ohne physischen Grenzübertritt anzuwenden.

BFH, Urteil v. 19.10.2016, II R 44/12, veröffentlicht am 7.12.2016

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